Neue Intervention im Rautenstrauch-Joest-Museum
Flussdeltas sind besonders gefährdete Ökosysteme. Sie sind Brennpunkte des globalen Wandels und gleichzeitig Heimat vieler Menschen. Eine neue Intervention in der Dauerausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM) thematisiert das alltägliche Leben heutiger Bewohnerinnen und Bewohner von ausgewählten Flussdeltas. Der einem historischen europäischen Salon nachempfundene Raum in der Dauerausstellung wird dazu umgestaltet. Vom 27. September 2019 bis 5. Januar 2020 werden politische, soziale, kulturelle und materielle Verflechtungen verschiedener Lebenswelten innerhalb eines Flussdeltas sowie mit der europäischen Kolonialgeschichte gezeigt.
Deltas entstehen dort, wo sich große Flüsse in viele Arme auffächern, bevor sie ihr Wasser und ihre Sedimente in Seen oder Meere ergießen. Sie bilden ständig Neuland, das Gezeiten, Wind und Fluss wieder umformen. Grenzen zwischen Süß- und Salzwasser, fest und flüssig, nass und trocken zerfließen in dieser dynamischen Landschaft. Doch nicht nur Wasser und Land, auch menschliche Aktivitäten verschiedener Größenordnungen vermischen sich in Deltas und gestalten sie unablässig mit: Etwa Fischerei, Bewässerungsprojekte, globale Märkte für Exportprodukte wie Reis oder Felle, Umweltschutzmaßnahmen und Klimawandel. Aufgrund dieser Verflechtungen gelten Deltas sowohl als besonders gefährdete Ökosysteme, als auch als Brennpunkte des globalen Wandels. Deltas sind Heimat vieler Menschen, die auf unterschiedliche Weisen mit diesen Dynamiken umgehen und sie auf ihre eigene, kreative Art und Weise beeinflussen. Der Fokus der Intervention liegt auf den Delta-Bewohnerinnen und -Bewohnern, ihrem alltäglichen Leben, ihren Geschichten und ihren Praktiken.
Die Präsentation ermöglicht Einblicke in heutige Lebenswelten aus Brasilien, Kanada, Myanmar und Senegal. Anhand von fünf Stationen zeigt sie auf, wie unterschiedlich, aber auch wie ähnlich alltägliches Leben in den Deltas einer vernetzten Welt gestaltet ist:
Bewegung und Rhythmus: Nichts im Delta steht still, weder Menschen noch Landschaften. Viele Dinge wiederholen sich, sind aber in keiner Wiederholung genau gleich wie zuvor.
Lebensunterhalt und Tradition: Ihren Lebensunterhalt bestreiten Delta-Bewohnerinnen und -Bewohner grundsätzlich aus mehreren verschiedenen Quellen, die einzeln zu gering für ihre Versorgung wären. Diese Existenzen sind trotz ihrer deutlichen Veränderungen traditionell, da sie die Weiterführung örtlich wertgeschätzter Lebensweisen ermöglichen.
Postkolonialismus und Politik: Koloniale Geschichte prägt bis heute das Leben in diesen Flussdeltas. Neben wirtschaftlichen Nachteilen bringt das besonders auch politische Abhängigkeiten mit sich, die heutige Delta-Bewohnerinnen und -Bewohner mit ihren eigenen Mitteln zu verändern versuchen.
Materialität und Infrastruktur: Die Materialien, aus denen Deltas bestehen – Sand, Schlamm, Salz, Wasser usw. – bestimmen mit, welche Lebensweisen dort existieren können. Auch menschgemachte Infrastrukturen wie Dämme und Kanäle gestalten das Leben der Delta-Bewohnerinnen und -Bewohner mit.
Zusammenleben: In Deltas leben oft Mitglieder verschiedener ethnischen Gruppen zusammen. Sie teilen sich die Deltas auch mit Tieren und "Geistwesen".
Die ausgestellten Dinge stammen aus ethnographischen Forschungen im Ayeyarwady Delta (Myanmar), Mackenzie Delta (Kanada), Parnaíba Delta (Brasilien) und Sine-Saloum Delta (Senegal). Die Forschungen wurden im Rahmen des DELTA Projekts an der Universität zu Köln durchgeführt. Das Projekt wird durch das Emmy Noether Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Weitere Informationen:
Kuratorinnen und Kuratoren
Nora Horisberger, Benoit Ivars, Franz Krause, Sandro Simon
Ausstellungsgestaltung
Marie-Helen Scheid
Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag von 10 bis 20 Uhr, erster Donnerstag im Monat bis 22 Uhr, Montag geschlossen An Feiertagen 10 bis 18 Uhr
Eintritt
Einzelticket: sieben Euro, ermäßigt 4,50 Euro Für Gruppen ab zehn Personen gelten jeweils die ermäßigten Preise pro Person.
Kuratorinnen- und Kuratorenführung:
Dienstag, 22. Oktober, 17 Uhr, Postkolonialer Schlamm und der Mackenzie in Kanada Dienstag, 12. November, 17 Uhr, Zwischen Sand und Salzwasser im Parnaíba in Brasilien Dienstag, 17. Dezember, 17 Uhr, Muscheln und Materialität im Sine-Saloum im Senegal
Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt, Cäcilienstraße 29-33, Köln-Innenstadt, Telefon: 0221/221-31356
Verkehrsanbindung: Stadtbahn-Haltestelle Neumark
Parkmöglichkeiten: Parkhaus im Gebäude, Zufahrt über Cäcilienstraße