Römisch-Germanisches Museum zeigt römische und fränkische Glaskunst
Mehr als 4.000 vollständige Exemplare umfasst die weltweit größte Sammlung römischer und fränkischer Glasgefäße im Römisch-Germanischen Museum Köln. Dieser Schatz, der durch Ausgrabungen im Kölner Stadtgebiet Jahr für Jahr wächst, steht im Mittelpunkt der neuen Ausstellung des Hauses am Roncalliplatz. Sie zeigt einen einzigartigen Querschnitt durch fast eintausend Jahre antiker Kunstfertigkeit. Mit fast 400 Objekten spiegelt die Präsentation vom 3. Juni bis 13. November 2016 beeindruckend die kostbaren Sammlungsbestände des Museums wider. Ergänzt werden diese durch wertvolle Leihgaben aus Nimwegen, Trier, Bonn und Krefeld. Die Ausstellung spannt einen Bogen von importiertem Glas aus der Zeit um Christi Geburt bis zum 7. Jahrhundert.
Viele Exponate sind als Neufunde erstmals zu sehen, so ein 2001 in der Kölner Eintrachtstraße gefundener Schneckenbecher, dessen Zusammensetzung aus den unzähligen Einzelstücken erst vor wenigen Monaten abgeschlossen wurde und ihn so als Objekt erfahrbar macht. Der Becher beeindruckt durch sein zeitloses, geradezu modernes Design. Ebenfalls einen neuen Eindruck vermitteln die beindruckenden Gegenstände, die 1960, zum Teil ebenfalls aus Glas, zusammen mit dem legendären Kölner Diatretbecher zu Tage kamen. Besondere Beachtung verdient auch die kunstvolle Beleuchtung, die den Exponaten einen einzigartigen Glanz verleiht.
Glas – der älteste Kunststoff der Welt – hat in Köln eine zweitausendjährige Tradition. Geschäftstüchtige Händler kamen schon bald nach Gründung der Stadt in den Jahren kurz vor Christi Geburt ins Rheinland, um anspruchsvollen Kunden ihr ebenso zerbrechliches wie kostbares Gut anzubieten. Den Händlern folgten spezialisierte Handwerker. Zugewanderte Glasmacher aus dem Mittelmeerraum produzierten in der Colonia seit Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus zunächst Gefäße aus importierten Rohglasbarren. Doch schon bald erkannte man, dass beispielsweise bei Frechen anstehende reine Sande hervorragend zur Herstellung von Glasgefäßen geeignet waren. Die feuergefährlichen Glashütten siedelten die Römer außerhalb der Stadtmauern an.
Anfangs fertigten die Kölner Werkstätten einfache blaugrüne Glasgefäße. Doch sie erweiterten bald ihr Repertoire. Durch Einblasen in mehrteilige Formen entstanden vielfältige Gläser: Weinkrüge, die Fässer nachbilden, Salbfläschchen in Form von Muscheln oder Trauben oder gar ein die Panflöte spielender Affe. Die mit farbigen Glasfäden dekorierten Schlangenfadengefäße zählen ebenso zu den "Kölner Produkten" wie die durch die leuchtenden Glastropfen charakterisierten Nuppengläser. Höchste Geschicklichkeit, Sorgfalt und Geduld war für Emailmalerei auf Glas erforderlich – der Pokal mit Szenen des Achillesmythos ist ein Beleg vollendeter Kunstfertigkeit.
Gleiches trifft auf die an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert geschaffenen Schalen mit Schliffdekor zu. Jagdszenen, mythologische und christliche Darstellungen waren auf den hochwertigen Produkten eines Glasateliers zu finden, das seine Luxusgüter wohl auf Bestellung seiner vermögenden Kundschaft herstellte. Auch das kostbarste Glas des Römisch-Germanischen Museums ist ein Kölner Bodenfund: Das weltweit einzige dreifarbige Netzglas, das Kölner Diatret, erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens und fordert in purpurroten Lettern auf: "Trinke und lebe schön immerdar!"
Lange vermutete die Forschung, dass die Stadt im Frühmittelalter brach fiel und an Wohlstand nicht mehr zu denken war. Untersuchungen der vergangenen zwei Jahrzehnte beweisen jedoch die ungebrochene urbane Kontinuität der Colonia am Übergang von der Antike zum Mittelalter. Ausgrabungen zeigen, dass Glas auch im frühen Mittelalter gefragter Luxus war. Produziert wurde zunächst nach fast unveränderten römischen Rezepturen, nunmehr inmitten der Handwerker- und Händlersiedlung am Platz der Kölner Altstadt – der Antike verpflichtet.
Das Formspektrum passte sich allerdings dem Geschmack der neuen Zeit und den neuen Bewohnern der Stadt an, in der seit der Mitte des 5. Jahrhunderts die Franken den Ton angaben. An die Stelle römischer Formvielfalt traten einfache Schalen und Becher. Reich verzierte Rüsselbecher der Zeit verraten aber, dass sich die Glaswerkstätten auch in nachrömischer Zeit noch auf ihre Kunst verstanden. War Glas im Frühmittelalter noch ein Luxusgegenstand, entwickelte es sich im Laufe des Spätmittelalters zur Massenware, was die Präsentation ebenfalls zeigt.
Zur Ausstellung erscheint bei Schnell + Steiner, Regensburg, ein reich bebilderter Begleitband mit 192 Seiten und rund 190 farbigen Fotografien. Er kostet im Museum 22,95 Euro und im Buchhandel 29,95 Euro.
Bilder von Exponaten aus der Ausstellung finden Sie auf der Website der Museen in Köln.