Eine Ringpartnerschaft im Herzen Europas für ein vereintes Europa
Nach mehrjähriger Vorlaufzeit wurde die Ringpartnerschaft zwischen
- Köln (Deutschland),
- Esch-sur-Alzette (Luxemburg),
- Lille (Frankreich),
- Lüttich (Belgien),
- Rotterdam (Niederlande) und
- Turin
am 3. Juli 1958 in Lüttich mit Unterzeichnung des "Verschwisterungseides" gegründet. Sie war der erste multilaterale Partnerschaftsverbund von sechs Gemeinden, der im Nachkriegs-Europa geschlossen wurde. Eine Ringpartnerschaft in dieser Größenordnung ist bis heute einzigartig.
Nach Aufnahme unserer ersten städtepartnerschaftlichen Beziehung zu Liverpool im Jahr 1952 gelang mit dem Beitritt zur Ringpartnerschaft auf kommunaler Ebene ein weiterer wichtiger Schritt zur Reintegration Deutschlands in die europäische Staatengemeinschaft nach der Isolation durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft mit ihren schwerwiegenden Folgen.
Motor für die Gründung dieses Städtebundes war vor allem Jean Bareth, erster Generalsekretär der RGE (Rat der Gemeinden Europas), heute RGRE (Rat der Gemeinden und Regionen Europas). Er hat sich mit großem Engagement für die Idee starker und weitgehend autonomer Gemeinden in einer europäischen Staatenföderation eingesetzt. Dieser Intention folgend, fand der Festakt zur Gründung der Ringpartnerschaft zum Auftakt der IV. Generalversammlung des RGE statt.
Auch der Text des "Verschwisterungseides" trägt die deutliche die Handschrift von Jean Bareth und des RGE.
Der Verschwisterungseid im Originalwortlaut
Wir,
- Theo Burauen, Oberbürgermeister von Köln,
- Madame Lempereur, Stellvertretender Bürgermeister von Lille,
- Anton Krier, Abgeordneter-Bürgermeister von Esch-sur-Alzette,
- Amedeo Peyron, Bürgermeister von Turin,
- J.U. Schilthuis, Amtierender Bürgermeister von Rotterdam,
- Paul Gruselin, Bürgermeister von Lüttich,
Frei ernannt durch Abstimmung unserer Mitbürger, überzeugt, den sehnlichsten Wünschen und wirklichen Bedürfnissen unserer Bevölkerung zu entsprechen,
Wissend, dass die westliche Zivilisation ihren Ursprung in unseren alten "Gemeinden" nahm, und dass der Geist der Freiheit zuerst in den freien Bürgerrechten, die sie zu erkämpfen wussten, zum Ausdruck kam,
Überzeugt, dass das Werk der Geschichte in einer erweiterten Welt seinen Fortgang nehmen muss, aber dass diese Welt nur in dem Masse wirklich menschlich sein wird, in dem die Menschen frei in freien Städten wohnen,
Gehen an diesem Tage die feierliche Verpflichtung ein:
- Dauernd eine enge Verbindung zu den Verwaltungen unserer Gemeinden aufrechtzuerhalten, auf allen Gebieten den Austausch zwischen ihren Einwohnern zu fördern, um durch ein besseres gegenseitiges Verständnis das lebendige Gefühl der europäischen Brüderlichkeit zu entwickeln,
- Und unsere Bemühungen zu vereinen, um im ganzen Umfange unserer Möglichkeiten zum Erfolge dieses notwendigen Beginnens für den Frieden und das Gedeihen der europäischen Einheit beizutragen.
Lüttich, 3. Juli 1958
Motiviert durch die Unterzeichnung der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1957, sollte diese Partnerschaft den Gedanken eines vereinten, friedlichen Europas auf der kommunalen Ebene verankern. Über die politische Ebene hinaus zielte die Ringpartnerschaft vor allem darauf ab, die Bürger*innen für die europäische Idee zu begeistern und zum Mitgestalten dieses neuen Europas zu animieren.
Frieder Wolf, 2001 bis 2020 Leiter des Büros Europa und Internationales, hat die Bedeutung der Städte für das Gelingen eines geeinten Europas mit den Worten beschrieben:
Die Herausbildung der bürgerlichen Lebensweise ist
die originäre kulturelle, soziale, ökonomische
und politische Leistung der Städte. Freiheit bildet das vielleicht wichtigste Leitmotiv ihrer Geschichte und Pluralität ihr Strukturmerkmal. Die europäische Integration ist in vieler Hinsicht ein städtisches
Projekt.
Zugleich kann die Gründung dieser Partnerschaft nur 13 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem Deutschland alle fünf späteren EWG-Partnerstaaten mit Krieg überzogen hatte, als ein Beitrag zur Aussöhnung und Völkerverständigung gewertet werden.
Lüttichs Bürgermeister Paul Gruselin richtete im Rahmen des Festaktes von der großen Freiheitstreppe vor dem Lütticher Rathaus die Worte
Ist es nicht tröstlich, dass nach 13 Jahren schrecklicher Kriege in 6 europäischen Staaten wohnende Zivilpersonen sich gegenseitig ihrer Freundschaft versichern, und die Verpflichtung eingehen, sich in guten und schlechten Tagen zu helfen,
an die zahlreich erschienenen Bürger*innen Lüttichs.
Ein kurzer Abriss zur Entstehungsgeschichte der Ringpartnerschaft
Der Weg bis zur Gründung der Ringpartnerschaft war ein wechselvoller. Erste bilaterale Kontakte zu Lille, Lüttich, Rotterdam und Turin sind im Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder kulturellen Interessen schon für die frühen 50er Jahre belegt.
Der erste Impuls zur Gründung einer multilateralen Partnerschaft mit Köln, Turin und Lüttich (anstelle von zunächst Glasgow) ging 1954 unter dem Leitmotiv Völkerverständigung von Lille aus. Dabei sollten Ähnlichkeiten im Profil der Städte eine maßgebende Rolle spielen. Sind sie doch eine wichtige Voraussetzung, um dauerhaft einen fruchtbaren Austausch und beiderseits nutzenstiftende Kooperationen in wichtigen Themenfeldern zu ermöglichen.
Politische Verschiebungen in Lille haben diesen Prozess 1955 zum Erliegen gebracht.
Die zweite Phase der Entstehungsgeschichte der Ringpartnerschaft wurde stark durch den Abschluss der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 beeinflusst. Dementsprechend wurde die Idee der Ringpartnerschaft auch um die Städte Rotterdam für die Niederlande und Esch-sur-Alzette für Luxemburg erweitert. Die Ringpartnerschaft verbindet damit Städte aus den sechs Gründungsstaaten der EWG.
Mit Besiegelung dieser Ringpartnerschaft wurde zwar ein kommunales Abbild zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf nationalstaatlicher Ebene geschaffen. Die partnerschaftliche Vereinigung auf kommunaler Ebene sollte aber nicht nur eine Analogie zur EWG darstellen, sondern ganz entschieden die wichtige gestalterische Rolle souveräner Städte und Gemeinden für ein geeintes Europa betonen.
Bis heute gibt es mit Beteiligung deutscher Städte insgesamt nur 10 Ringpartnerschaften. Nicht zuletzt, weil diese Form der grenzüberschreitenden Kooperation auf kommunaler Ebene ein hohes Maß an Komplexität aufweist. Bei der gemeinsamen Gestaltung internationaler Beziehungen von Städten und Gemeinden sind multilaterale Partnerschaften mit mehr als drei Partner*innen daher eher selten.
Für einen tieferen Einblick in die Entstehungsgeschichte der Ringpartnerschaft verweisen wir an dieser Stelle auf die wisschenschaftliche Arbeit von Lothar Speer, siehe unten. Sie hat auch zur Erstellung dieser Texte maßgeblich beigetragen.
Die Ringpartnerschaft - ihre Entwicklung von 1958 bis heute
Retrospektiv betrachtet, kommt der Gründung der Ringparterschaft vor allem eine symbolische Rolle zu. Sie diente im unmittelbaren Nachkriegsjahrzehnt ähnlich der Gründung bilateraler Verbindungen zwischen Kommunen europäischer Staaten vor allem der Förderung des europäischen Bewusstseins in der Bevölkerung. Der Festakt zur Gründung der Ringpartnerschaft wurde wie der Abschluss von bilateralen Bündnissen in jener Zeit als besonderes Bekenntnis für Europa mit viel Pathos inszeniert.
Dementsprechend beschränken sich seit jeher multilaterale Zusammentreffen aller sechs Ringpartnerstädte auf besondere Anlässe wie beispielsweise Jubiläen.
Das vierzigjährige Bestehen der Ringpartnerschaft wurde mit einem zentralen Festakt und weiteren Veranstaltungen symbolträchtig am Europatag, dem 9. Mai 1998, hier in Köln gefeiert.
Zum 50-jährigen Jubiläum versammelten sich die Vertreter*innen aller Ringpartnerstädte in Turin.
Ging es bei Gründung der Ringpartnerschaft vor allem um die Gestaltung eines friedvollen, geeinten Europas, bot der Festakt 50 Jahre später den Rahmen zur Unterzeichnung der "Charta der Nachhaltigkeit". Sie wurde 2007 zunächst zwischen Köln und Rotterdam geschlossen. Anlässlich des Ringpartnerschaftsjubiläums haben sich die Städte Esch-sur-Alzette, Lille, Lüttich und Turin dieser Charta angeschlossen.
Sie sechs verbundenen Partner erneuerten damit ihre Verpflichtung von 1958, ihre Anstrengungen für ein vereintes und solidarisches Europa fortzusetzen. In Verantwortung für die zukünftigen Generationen bekräftigten sie zugleich den Willen, gemeinsam zur nachhaltigen und demokratischen Entwicklung von Gemeinden und Regionen in Europa und darüber hinaus beizutragen.
Faktisch ist die Ringpartnerschaft inhaltlich vor allem durch bi- und trilaterale Maßnahmen und Projekte bei großer thematischer Breite gekennzeichnet. Dazu gehören Austausche und Kooperationen in den Bereichen
- Kunst und Kultur,
- Schule, Bildung und Sport,
- Wirtschaft,
- Umwelt, Energie und Klimaschutz,
- Gesundheitswesen sowie
- Daseinsvorsorge und Verwaltungsreform.
Grundpfeiler des Erfolgs der vielfältigen Maßnahmen ist und bleibt dabei die Begegnung von Menschen und zwar auf allen Ebenen. Sie füllen die Partnerschaften mit Leben.
Die Zusammenarbeit zwischen denn jeweiligen Verwaltungen findet im direkten bi- und trilateralen Austausch statt. Zudem bieten die Mitgliedschaften in einer Reihe von europäischen und internationalen (Städte-)Netzwerken und ihren thematischen Arbeitsgruppen gute Möglichkeiten zum Fachaustausch. Beispiele sind der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) EUROCITIES, der Weltverband der Kommunen (UCLG) und das Klima-Bündnis.
Maßgeblich wird der Charakter der einzelnen Städtepartnerschaften aber durch die vielfältigen Begegnungen und kreativen Projekte der Zivilgesellschaft geprägt.
Allen voran ist hier das äußerst verdienstvolle Engagement der Vereine und Gesellschaften zur Förderung der Kölner Städtepartnerschaften zu nennen. Wertvolle Unterstützung in ihrer Arbeit erhalten sie durch Cologne Alliance e. V. als Dachverband zur Stärkung der Kölner Städtepartnerschaften in der Stadtgesellschaft.
Beratend, organisatorisch und mit dem Fördertopf "Städtepartnerschaften gestalten!" helfen wir den Träger*innen der zivilgesellschaftlichen Städtepartnerschaftsarbeit bei der Umsetzung ihrer Vorhaben.