Vom 26. September bis 11. Oktober feierte Köln unter dem Motto "Viele. Gemeinsam. Stark!" den diesjährigen ColognePride. Bedingt durch die Corona-Pandemie erstreckten sich die vielfältigen Veranstaltungen auf kleinere, aber nicht weniger interessante Formate. Auch die große Parade, wie sie in den vergangenen Jahren zum Christopher Street Day durch Köln führte, konnte 2020 nicht in gewohntem Umfang stattfinden. Als Corona-angepasste Variante, rief KLuST e. V. - Veranstalter des ColognePride -  zu einer ganz besonderen Form der Demonstration auf: Eine Fahrrad-Sternfahrt.

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Mit der Fahrradrikscha zur Sternenfahrt

Zum Abschluss des ColognePride am 11. Oktober starteten aus den vier Himmelsrichtungen Fahrraddemonstrationen und fanden zur abschließenden Kundgebung auf der Deutzer Werft zusammen. Unter Einhaltung der Abstandsregeln und mit einem durchdachten Schutzkonzept bot das Gelände genug Raum für ein abwechslungsreiches, informatives sowie unterhaltsames Bühnenprogramm auf den vier Begleitfahrzeugen der Fahrradkolonnen.

Kattowitz zum vierten Mal zu Gast beim Cologne Pride

Gäste aus den Kölner Partnerstädten zum ColognePride mit einem themenbezogenen Fachprogramm einzuladen, gehört inzwischen schon zur Tradition. Aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Ein- und Reisebeschränkungen, begrüßten die Fachstelle Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) im Amt Integration und Vielfalt sowie das Büro Europa und Internationales im Amt der Oberbürgermeisterin in diesem Jahr nur drei Vertreterinnen und Vertreter der LSBTI-Community aus der polnischen Partnerkommune Kattowitz. Und das nicht ohne Grund:

 

Aufgrund der derzeitigen schwierigen Lage für LSBTI in Polen, hat der Kölner Rat schon Anfang des Jahres die Verwaltung zur Unterstützung der LSBTI-Community in der Partnerstadt Kattowitz aufgefordert. Kattowitz selbst hat sich bisher nicht – wie viele andere Städte und Kreise in Polen – per Ratsbeschluss zur sogenannten "LSBTI-freien Zone" erklärt. Gleichwohl erfahren aber LSBTI-Menschen auch in Kattowitz oft homophobe Anfeindungen und wenig gesellschaftliche Akzeptanz.

Zum Besuch der Gäste aus Kattowitz äußerte sich Oberbürgermeisterin Henriette Reker:

Die Berichte aus unserer polnischen Partnerstadt sind erschütternd und machen mich sehr betroffen. Als Oberbürgermeisterin einer Stadt, die für Offenheit, Vielfalt und Toleranz steht, verurteile ich jede Form der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Ich freue mich deshalb ganz besonders, auch unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie Vertreterinnen und Vertreter aus der Partnerstadt Kattowitz anlässlich des ColognePride 2020 in Köln willkommen zu heißen. Ich versichere Ihnen weiterhin meine Solidarität und Unterstützung für die Belange der LSBTI-Community in unserer polnischen Partnerstadt.

Die Fachstelle LSBTI stellt sich vor
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Auftakt ColognePride 2020

Zum Auftakt des Besuchs der dreiköpfigen Delegation aus Kattowitz stand das obligatorische Hissen der Regenbogenflagge vor dem Historischen Rathaus und die Begrüßung durch Bürgermeister Andreas Wolter (Die Grünen) in Vertretung von Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf dem Programm. 

Im Anschluss daran stellte Hans-Jürgen Oster, Leiter im Amt für Integration und Vielfalt, die Fachstelle LSBTI vor. Darüber hinaus wurde für

  • Aleksandra Kossak, Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzende des Vereins Tęczówka (Regenbogenhaut)
  • Michał Grabiec, Anwalt
  • Grzegorz Wiończyk, Lehrer

ein Workshop mit Mitgliedern von Kölner LSBTI-Organisationen organisiert.

Fachlich beteiligt haben sich:

  • Aidshilfe Köln e. V.
  • anyway e. V. (Jugendzentrum)
  • rubicon e. V. (Beratungsstelle)
  • Arbeitskreis lesbische Sichtbarkeit/Dyke March Cologne
  • KLuST e. V.
  • Grüne Jugend Köln
  • Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Kattowitz e. V.

 

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Führung der Kattowitzer Gäste durch den Kölner Dom

Vor allem zu den Themenbereichen

  • strukturierte Erfassung von Hate Speech, sowie homo - und transfeindlichen Straftaten und Gewaltdelikten als Argumentationsgrundlage für die Auseinandersetzung mit Politik und Verwaltung
  • LSBTI-freundliche Schulen: Aspekte der pädagogischen Arbeit im Sinne von Antidiskriminierung und Gewaltprävention sowie Sensibilisierung von Lehrkräften
  • rechtliche Situation von inter- und transgeschlechtlichen Menschen
  • EU-Fördermittel als Instrument zur Finanzierung der LSBTI-Organisationen und -Aktionen

wurden intensive Diskussionen geführt, Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsame Projektideen entwickelt. Der Städtepartnerschaftsverein Köln-Kattowitz wird Möglichkeiten prüfen, die Menschenrechtslage für LSBTI in Polen als Thema in der Vereinsarbeit zu verankern.

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Aleksandra Kossak auf der Bühne bei der Show "Pride Now!"

Beim Besuch des Kölner Doms mit Führung unter Dombaumeister Peter Füssenich wurde auch die Haltung der Katholischen Kirche zu LSBTI diskutiert.

Darüber hinaus nutzen die Vertreterinnen und Vertreter der einzigen LSBTI-Organisation in Kattowitz bei der Sternenfahrt in Fahrradrikschas mit anschließender Kundgebung sowie beim Programm der Show "Pride Now!" in der Lanxess-Arena die Chance, mit ihren Statements auf die Situation in Polen aufmerksam zu machen und konkrete Forderungen zu stellen:  

Wir werden als Plage und Ideologie beschimpft. Auch macht man uns für den Untergang des christlichen Familienmodells verantwortlich,

berichtete Kossak und richtete einen eindringlichen Appell an alle Kölnerinnen und Kölner sowie auch an die Europäische Union:

Wir müssen zusammenstehen, Eure Unterstützung wird uns im Kampf für Anerkennung und gegen Ausgrenzung helfen. Die EU darf nicht zuschauen und zulassen, was in Polen passiert!

 

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Susanne Bonnemann, Fachstelle LSBTI, und Ute Dreiocker, Büro Europa und Internationales, kamen nach dem ColognePride-Wochenende übereinstimmend zu dem Fazit:

Als Verwaltung sehen wir unsere Aufgabe darin, auf die Menschenrechtslage für LSBTI in unseren Partnerstädten aufmerksam zu machen, Solidarität zu zeigen und Brücken zu bauen. Brücken zwischen den Aktivistinnen und Aktivisten aus Kattowitz und Köln. Dies ist bei diesem Austausch voll und ganz gelungen. Aufbauend auf den Begegnungen der Vorjahre haben sich nachhaltige Kontakte entwickelt.

 

Polen: Die EU streicht Fördermittel aus dem Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" bei Homophobie-Verdacht

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Beitrag in der Zeitschrift Europa Kommunal, Dt. Sektion im RGRE

Auch der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), insbesondere der Deutsch-Polnische Ausschuss, beobachten die Entwicklungen in Polen sehr genau und die EU-Kommission reagierte jüngst auf die LGBTI-feindliche Politik der regierenden PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość  / Partei Recht und Gerechtigkeit).

Sechs Gebietskörperschaften, die Gelder aus dem Programm "Europa für Bürgerinnen und Bürger" beantragt hatten, werden von der Förderung wegen LGBTI-feindlicher Beschlüsse ausgeschlossen. In einem solchen Beschluss heißt es beispielsweise in der Erklärung der Stadt Tuchów unter anderem:

Im Zusammenhang mit dem von einigen Politikern verursachten ideologischen Krieg verabschiedet der Stadtrat in Tuchów die Erklärung "Gemeinde Tuchów frei von der LGBT+-Ideologie".
Radikale streben nach einer Kulturrevolution in Polen: Sie greifen die Redefreiheit, die Unschuld von Kindern, die Autorität von Familie und Schule und die Freiheit von Unternehmern an. Aus diesem Grund werden wir unsere lokale Gemeinschaft konsequent verteidigen!

Helena Dalli, EU-Kommissarin für Gleichstellung, äußerte sich zu diesem Schritt der EU-Kommission:

Europäische Werte und Grundrechte müssen von Mitgliedstaaten und Regierungen respektiert werden.  

Dem stimmt auch ihr Kollege, Justizkommissar Didier Reynders, zu und ließ via Twitter verlauten:  

In der EU kann keine Diskriminierung toleriert werden. Die Werte der Union müssen in allen EU-finanzierten Programmen, einschließlich Städtepartnerschaften, gewahrt bleiben.

Der RGRE im Porträt