Unterzeichnung der Resolution "Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz"

© Stadt Köln

Mit der fortschreitenden Globalisierung sind auch Produktion und Handel weltweit noch arbeitsteiliger geworden. Ein Großteil von Gütern, die in Deutschland auf den Markt kommen, werden über mehrere Produktionsstufen und unter Zulieferung von Roh- und Hilfsstoffen im Ausland hergestellt. Dabei werden nicht selten grundlegende Menschenrechte verletzt und Umweltstandards missachtet: Kinderarbeit, Ausbeutung, Diskriminierung und fehlende Arbeitsrechte zählen genauso dazu wie illegale, das weltweite Ökosystem gefährdende Abholzungen, inklusive der Zerstörung des Lebensraums indigener Völker, der Einsatz von Pestiziden sowie die Wasser- und Luftverschmutzung durch das Einleiten und den Ausstoß von belasteten Produktionsrückständen.

Als Fair Trade Town und Hauptstadt des Fairen Handels setzen wir - wie mittlerweile viele deutsche Kommunen - verstärkt auf eine faire, sozial- und ökologisch vertretbare, nachhaltige Beschaffung. Mit Unterzeichnung der Resolution "Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz" durch Oberbürgermeisterin Henriette Reker unterstützen wir die Forderung nach einem starken Lieferkettengesetz für jedes ökonomische Handeln in Deutschland. Vorausgegangen war ein Beschluss des Rates vom 23. März 2021.

Im Kern der Resolution geht es um die Forderung nach einem gesetzlich verbindlichen Rahmen, der alle

Unternehmen dazu verpflichtet, Risiken zur Verletzung von international anerkannten Menschen-, Arbeits- und Umweltrechten entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu analysieren, diesen vorzubeugen und transparent darüber zu berichten! Bestehende Verletzungen dieser Rechte müssen beendet und ein Beschwerdemechanismus in den Unternehmen eingeführt werden. Freiwillige Maßnahmen reichen nicht. Haftungsregelungen sind das Kernstück eines wirksamen Lieferkettengesetzes, um die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsschutz für Betroffene zu garantieren. Zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes müssen zudem effektive Durchsetzungsmechanismen von staatlichen Behörden etabliert werden. Nachhaltige Beschaffung kann nicht länger am Willen und am fachlichen Know-how Einzelner hängen. Ein wirksames Lieferkettengesetz muss beispielsweise ermöglichen, dass Unternehmen von der öffentlichen Vergabe ausgeschlossen werden, wenn nachweislich Sorgfaltspflichten verletzt wurden sowie ein Sorgfaltsplan nicht oder nur unvollständig vorliegt.

Mit Verabschiedung dieser Resolution tragen wir zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen im Rahmen Agenda 2030 (Sustainable Development Goals/SDG) bei, insbesondere im Hinblick auf

  • Ziel 8: Menschwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
  • Ziel 12: Nachhaltiger Konsum / nachhaltige Produktion

Zugleich werden auch die bisher vom Rat der Stadt Köln getroffenen Beschlüsse für mehr globale Gerechtigkeit nochmals untermauert:  

  • Ratsbeschluss vom 25. September 2008:
    Beschluss zur Auftragsvergabe nach sozialen und ökologischen Kriterien
    25. September 2008 
  • Ratsbeschluss vom 18. Dezember 2008:
    Beschluss zu konkreten Umsetzungsmaßnahmen der 2007 unterzeichneten Millenniumserklärung, unter anderem durch die "Einführung eines fairen Beschaffungswesens in der Kölner Verwaltung und stadtnahen Einrichtungen". 
  • Ratsbeschluss vom 28. September 2017:
    Beschluss zur Unterzeichnung der Resolution "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten"

Die Resolution "Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz in Deutschland" im Wortlaut

Resolution: Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz in Deutschland

© Stadt Köln

Brennende Textilfabriken, vergiftetes Trinkwasser oder ausbeuterische Zwangs- und Kinderarbeit sind nur die Spitze des Eisbergs: Schäden an Umwelt und Natur sowie prekäre Arbeitsbedingungen in den Ländern des Globalen Südens sind leider immer noch weit verbreitet - obwohl universelle Regeln zur Sicherung von Menschen- und Umweltrechten von fast allen Staaten ratifiziert wurden. Die Corona-Krise hat die Fragilität und ungleiche Lastenverteilung globaler Lieferketten noch weiter in den Fokus gerückt: Millionen Produzent*innen sind durch Auftragsstornierungen und das Zusammenbrechen ihrer Absatzmärkte in ihrer Existenz bedroht.

Deshalb setzen sich zahlreiche Kommunen bereits für faire, ökologische und menschenrechtskonforme Standards im öffentlichen Einkauf ein und zeigen: verantwortliche Beschaffung ist möglich!

Um sozial verantwortliche Beschaffung zur Regel zu machen, greifen wir, die Vertreter*innen von Kommunen in Deutschland, die Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz auf und setzen uns ebenfalls ausdrücklich für die Einführung eines Lieferkettengesetzes ein, wie es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschrieben wurde. Zunehmend fordern auch Unternehmen einen gesetzlichen Rahmen, der gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft.

Mit Sorge beobachten wir jedoch, dass die Regierungskoalition den Beschluss zur Einführung des Lieferkettengesetzes mehrfach vertagt hat. Zudem droht die Diskussion innerhalb der Großen Koalition die Wirkkraft des Lieferkettengesetzes zu mindern.

Wir fordern daher einen gesetzlich verbindlichen Rahmen, der Unternehmen dazu verpflichtet, Risiken zur Verletzung von international anerkannten Menschen-, Arbeits- und Umweltrechten entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette zu analysieren, diesen vorzubeugen und transparent darüber zu berichten! Bestehende Verletzungen dieser Rechte müssen beendet und ein Beschwerdemechanismus in den Unternehmen eingeführt werden. Freiwillige Maßnahmen reichen nicht. Haftungsregelungen sind das Kernstück eines wirksamen Lieferkettengesetzes, um die Einhaltung von Menschenrechten und Rechtsschutz für Betroffene zu garantieren. Zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes müssen zudem effektive Durchsetzungsmechanismen von staatlichen Behörden etabliert werden. Nachhaltige Beschaffung kann nicht länger am Willen und am fachlichen Know-how Einzelner hängen. Ein wirksames Lieferkettengesetz muss beispielsweise ermöglichen, dass Unternehmen von der öffentlichen Vergabe ausgeschlossen werden, wenn nachweislich Sorgfaltspflichten verletzt wurden sowie ein Sorgfaltsplan nicht oder nur unvollständig vorliegt.

Ein derart ausgestaltetes Lieferkettengesetz bildet die rechtlich verbindliche Grundlage, verantwortungsvoll zu konsumieren und zu produzieren, menschenwürdige Arbeit für alle zu fördern sowie die Entkopplung von wirtschaftlichem Handeln und Umweltzerstörung zu erreichen. Damit kann ein Beitrag zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele auch auf lokaler Ebene geleistet werden.

Bei einem bundesweiten Einkaufsvolumen der öffentlichen Hand von rund 350 Milliarden Euro, wovon ein Großteil auf die Kommunen entfällt, setzen wir uns als kommunale Vertreter*innen dafür ein, dass das ökonomische Steuerungspotenzial wirkungsvoller für die Durchsetzung sozialer und gesellschaftspolitischer Ziele genutzt wird.

Als öffentliche Hand haben wir die Verpflichtung, faire, ökologische und menschenrechtskonforme Standards in unserem Einkauf und Handeln zu gewährleisten. Wir wollen nicht, dass mit öffentlichen Geldern Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung finanziert werden. Ein Lieferkettengesetz in Deutschland ist überfällig und ein wesentlicher Baustein für mehr globale Gerechtigkeit.

Hintergrund zum Lieferkettengesetz und weiterführende Links

Mit dem "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten", kurz "Lieferkettengesetz", sollen Unternehmen bei der Beschaffung von Vorleistungen und Fertigerzeugnissen im Ausland verpflichtet werden, entlang der gesamten Wertschöpfungskette für die Einhaltung der Menschenrechte zu sorgen, gegen umweltschädigende Produktionsverfahren vorzugehen und bei Verstößen dagegen zu haften.

Die Verabschiedung des Gesetzes in Deutschland folgt einer Verpflichtung der Bundesregierung aus ihrem Koalitionsvertrag von 2018, per Gesetz eine unternehmerische Sorgfaltspflicht einzufordern, sofern nicht die Mehrheit der deutschen Großunternehmen bis zum Jahr 2020 entsprechende Prozesse freiwillig einleitet. Diese Verpflichtung im Koalitionsvertrag geht auf den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung (NAP) aus dem Jahr 2016 zurück, in dem die Verantwortung deutscher Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte klar definiert wurde.    

Was nach einer Selbstverständlichkeit klingt, hat nach zähem politischen Ringen in den letzten drei Jahren und einer ernüchternden Bestandsaufnahme zur freiwilligen Umsetzung der Sorgfaltspflichten im Februar 2021 zum Gesetzesentwurf für das Lieferkettengesetz geführt. Diese Gesetzesvorlage wird von vielen Expert*innen und der "Initiative Lieferkettengesetz" lediglich als Kompromiss und in den entscheidenden Punkten

  • Wirkungsbereich,
  • Unternehmensgröße,
  • zivilrechtliche Haftung

als nicht ausreichend gewertet: Mit dem geplanten Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes zum 1. Januar 2023 soll es zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und ab 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen gelten. Damit würden jedoch nur rund 0,1 Prozent der Unternehmen in Deutschland vom Lieferkettengesetzt berührt. Zudem wurde mit dem derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf der Plan fallengelassen, Unternehmen für Menschenrechtsverstöße entlang ihrer gesamten Lieferkette zivilrechtlich haften zu lassen.

Das Gesetzesvorhaben sollte der in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 20. Mai 2021 verabschiedet werden, ist aber nach einer Expert*innen-Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden. Ob und inwiefern eine Nachbesserung erfolgen wird, bleibt abzuwarten.