Ein persönlicher Erlebnisbericht des Auszubildenden Christian Wolfsdorf

Auch im Jahr 2016 hieß es wieder "Polka, Polka, Polka, vom Rhing bis an die Wolga". Zehn Auszubildende, begleitet von Ausbildungsleiter Josef Johnen und seiner Mitarbeiterin Katharina Beyen sowie Bernd Seifert vom Jugendamt, haben an der Exkursion nach Wolgograd und Moskau teilgenommen.

Ein Stück deutscher Vergangenheit – Aus Stalingrad wird Wolgograd

Die Aufregung war schon im Vorfeld groß. Russland und speziell Wolgograd sind nicht unbedingt ein Reiseziel, das eine solche Delegation fast schon wie selbstverständlich zum dritten Mal in drei Jahren ansteuert. Aber Wolgograd ist eben auch eine Stadt, die besonders in der deutsch-russischen Geschichte eine große Rolle gespielt hat.

Eine Geschichte, die einem an jeder Ecke bewusst gemacht wird. So markierte die Stalingrader Schlacht im Winter 1942/1943 für das Deutsche Reich den Wendepunkt und führte letztendlich zur Niederlage im Zweiten Weltkrieg.

Bereits seit 1988 gibt es nun die Partnerschaft mit der Stadt Wolgograd, die bis 1961 noch unter dem Namen Stalingrad bekannt war.

Einreiseprobleme erschweren die Ankunft in Moskau

Das erste Ziel der Reise war jedoch nicht Wolgograd, sondern für zwei Tage die russische Hauptstadt Moskau. Angekommen am Moskauer Flughafen, wäre für einen unserer Mitreisenden das Abenteuer Russland auch schon fast wieder vorbei gewesen.

Der mazedonische Pass unseres Kollegen stellte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Moskauer Einreisebehörde vor größere Probleme. Stunden der Warterei, viele Telefonate und die großartige Mithilfe unserer Gastgeber in Wolgograd wandelten das Einreiseverbot inklusive Rückflug am gleichen Tag dann doch noch in eine Einreisegenehmigung um. Während unser Kollege am Flughafen ausharren musste, bangten wir, bereits zum Hotel gefahren, aus der Ferne mit. Die Erleichterung und Freude war groß, als uns die frohe Nachricht dann erreichte.

Moskau – eine Stadt mit Flair

11,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner finden in Moskau ihr Zuhause. Bewegt man sich einmal in der Stadt, kann man auch nachvollziehen warum. Denn die Stadt hat Flair. Moderne Elemente gepaart mit historischen Bauten prägen das Stadtbild. Vor allem wirkt Moskau, im Vergleich zu anderen Metropolen, absolut ruhig und gelassen. Das Treiben auf den Straßen und in den Geschäften war selten hektisch oder stressig.

Ein Highlight des Besuches war sicherlich die Führung zum Roten Platz. Leider war dieser nicht zugänglich und auch die Sicht auf den Kreml verbaut. Denn die Stadt feierte ihren 869. Geburtstag und etliche Absperrungen und Tribünen für die rund 1.000 verschiedenen Feste, Attraktionen und Events verhinderten das ein oder andere Mal den Blick auf Moskauer Sehenswürdigkeiten.

Doch auch so bot die Stadt viele positive Eindrücke. Eine Bootstour auf der Moskva am zweiten Tag stand ebenso auf dem Programm, wie ein Besuch des Zarizyno-Parks. Der Park liegt 18 Kilometer entfernt von der Stadtmitte und beherbergt das Schloss von Katharina der Großen.

Zwei Tage Zeit hatten wir, um das Moskauer Großstadtleben aufzusaugen. Wir konnten zahlreiche Eindrücke sammeln und waren schon voller Vorfreude auf den Weiterflug nach Wolgograd.

Wolgograd putzt sich heraus – die WM steht vor der Tür

In Wolgograd sind wir das erste Mal intensiv mit russischen Studentinnen und Studenten in Kontakt gekommen. Wir stellten uns die typischen Fragen, die man sich beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen immer stellt. Wie sind die russischen Studentinnen und Studenten drauf? Welche Vorurteile treffen zu und welche sind komplett erfunden? Was denken die eigentlich über uns? Fragen, auf die wir relativ schnell eine Antwort bekommen sollten.  

Angekommen am Flughafen in Wolgograd haben wir dann die ersten Vorboten der Fußball-WM 2018 miterlebt. Das brandneue Terminal wurde erst kurze Zeit zuvor eingeweiht. An manchen Gläsern und Verkleidungen klebte noch die Schutzfolie. Nicht nur am Terminal erkennt man: Wolgograd putzt sich so gut wie möglich heraus. An einigen Ecken erblickte man immer wieder kleinere Baustellen.

Wolgograd – eine Stadt, die ihre Vergangenheit nicht vergisst

Neben dem üblichen Kulturprogramm bestand ein Großteil der Reise aus offiziellen Terminen und Veranstaltungen. Und damit wohl auch die schlimmste Woche überhaupt für unseren russischen Busfahrer. Mit zehn singenden Auszubildenden und lautstarker Karnevalsmusik hatte dieser mit Sicherheit nicht gerechnet.

Beim Empfang in der Verwaltungsakademie kamen wir mit vielen russischen Studentinnen und Studenten zusammen. Mit diesen sprachen wir bei einer Diskussionsrunde unter anderem auch über Vorurteile, wie diese entstehen und wie der Umgang mit diesen sein sollte. Die Atmosphäre war sehr angenehm, recht schnell fand man gemeinsame Themen und konnte auch andere Ansichten lebhaft ausdiskutieren.  

Am Nachmittag stand dann ein Ausflug zum Mamayew-Hügel an. Der Hügel war ein strategisch wichtiger Kriegsschauplatz in der Schlacht um Stalingrad, da man von ihm aus den Kampf in sämtliche Himmelsrichtungen beobachten konnte. Heute steht auf der Spitze des Hügels die 85 Meter große Mutter-Heimat-Statue. Laut unserer Reiseführerin zeigt sie Richtung Berlin, das 33 Meter hohe und 14 Tonnen schwere Schwert streckt sie gen Himmel.  

Den Abend haben wir mit einem Room Escape ausklingen lassen. Ziel dieses Spiels ist es, innerhalb der Gruppe diverse Rätsel zu lösen und so aus dem abgeschlossenen Raum zu entkommen. Schon die Gegend und der Eingang zur Location ließen einige daran zweifeln, überhaupt jemals wieder zu entkommen. Aber Entwarnung: Alle konnten entkommen.

Die Stalingrader Schlacht – dargestellt im 360 Grad Panorama

Auch in den Folgetagen wurde das straffe Programm fortgeführt. Ein klein wenig Aufregung verspürten wir Auszubildenden dann, als es an unsere eigenen Vorträge ging. Themen waren die Fankultur im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2018 in Russland, das Fahrradkonzept der Stadt Köln und die Flüchtlingspolitik in Deutschland mit einem speziellen Blick auf Köln. Auch unsere russischen Kolleginnen und Kollegen haben über diverse Themen referiert.

Im Anschluss an die Veranstaltung stand ein Besuch des Alt-Sarepta Museums an. Das heutige Freilichtmuseum war ab 1765 die Heimat einiger deutscher Glaubensbrüder der Herrnhuter Brüdergemeinde. Auf Einladung von Katharina der II. errichteten sie eine stetig wachsende Gemeinde auf dem Gebiet von Zarizyn, dem heutigen Wolgograd.

Ebenfalls ein Besuch wert war das 360 Grad Panorama Museum rund um die Stalingrader Schlacht. Das Museum zeigt auf eindrucksvolle Weise die Geschehnisse rund um die Schlacht, deren Folgen sowie den Stolz der Russen auf ihre Truppen. Wolgograd beheimatet viele Ecken, an denen der Krieg thematisiert oder dessen Folgen noch immer zu erkennen sind.

Interessante Diskussionen bis weit in die Nacht

Ein wenig offizieller wurde es dann nochmal, als wir zum Empfang im Amt für Stadtentwicklung eingeladen waren. Doch auch hier mussten erstmal wieder ein paar Widrigkeiten überstanden werden, so blieb die eine Hälfte unserer Delegation für eine gute Dreiviertelstunde im Aufzug stecken. Wieder bei allen Sinnen und etliche Wasserflaschen später, begann dann auch die Diskussionsrunde über die infrastrukturelle und wohnungsbauliche Entwicklung in Wolgograd und Köln. Es zeigten sich interessante Gemeinsamkeiten, aber auch überraschende Unterschiede. Immer wieder kamen wir auch mit den russischen Studentinnen und Studenten ins Gespräch, die sich interessanterweise äußerst kritisch über Wolgograd beziehungsweise dessen Entwicklung äußerten.  

Auch wenn die vielen offiziellen Termine einiges hervorbrachten, uns viele Eindrücke und Erlebnisse boten, so war der persönliche Austausch mit den Studentinnen und Studenten am Ende dann das Highlight dieser Bildungsreise.

Besonders in gemeinschaftlicher Runde am Abend bis spät in die Nacht hinein wurde sich über vieles ausgetauscht. So waren Diskussionen über Präsident Putin und unsere Bundeskanzlerin Merkel, die Krim, die Beziehungen beider Länder zu den USA, die Flüchtlingskrise oder auch ganz andere brisante Themen um drei Uhr nachts keine Seltenheit.

Es sind Erlebnisse wie diese Reise, die keiner von uns so schnell vergessen wird. Oft wird der heutigen jungen Generation Lustlosigkeit, Desinteresse und Ahnungslosigkeit vorgeworfen. In manchen Teilen mag das zutreffen, doch hat uns diese Reise eines gezeigt: Die junge Generation hat eine Meinung, sie kann diskutieren und steht für Positionen ein. Vielleicht haben Teile unterschiedlicher Generationen nur verlernt miteinander zu kommunizieren.

 

Text: Christian Wolfsdorf