Ein persönlicher Erlebnisbericht des Auszubildenden Timo Bechtel

Sonntag, 3:45 Uhr. Der Wecker klingelt. In wenigen Stunden startet der Flieger Richtung Málaga. Wir, eine bunte Truppe Informatiker, reisen nach Málaga, um dort für einen Monat im Rahmen eines Austauschs zu arbeiten. Niemand von uns spricht Spanisch, viele von uns waren noch nicht in Spanien und einige sitzen zum ersten Mal in einem Flugzeug.

Aber der Reihe nach: Ich bin Timo Bechtel, Auszubildender für Fachinformatik – Schwerpunkt Anwendungsentwicklung bei der Stadt Köln. Als ich hörte, dass meine Schule einen Austausch nach Málaga anbietet, wollte ich mir die einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen und bewarb mich spontan. Ich hatte Glück und durfte mit 10 anderen Auszubildenden mitfliegen.

Erste Eindrücke

Das Hostel in dem wir untergekommen waren, hatte einen ganz eigenen Charakter. Die Besitzerin, eine ältere Dame, war Flamenco Tänzerin und ihre bunten Kleider wurden im ganzen Haus als Deko verteilt. Überall hingen die verrücktesten Dinge an den Wänden und Decken: von merkwürdigen Gemälden und Gerätschaften, über deren Zweck wir uns nicht ganz einig waren, über bunte Teller, regenbogenfarbene Regenschirme bis hin zu angsteinflößenden Puppen. Die Kochnische der Gemeinschaftsküche war so tief, dass sich jeder mindestens dreimal den Kopf gestoßen hatte. Das Highlight aber war die Ritterrüstung, die wahrscheinlich nur dazu aufgestellt wurde, um spät einkehrende Gäste zu erschrecken.

Da wir so früh angekommen waren, konnten wir gleich am ersten Tag die geschäftige Stadt erkunden. Man erkennt schnell, dass Málaga eine touristische Stadt ist. Wie sich später herausstellte, wird Málaga von vielen Studierenden und Auszubildenden besucht, die oft bis zu einem Jahr in Spanien arbeiten. Aber alle Wege führen zum Strand. Vielleicht deshalb, oder aber weil wir einfach das Meer sehen wollten, landeten wir zuerst am Strand. Dann erklommen wir den Berg Málagas, wobei wir schon nach der Hälfte umkehrten, und aßen anschließend unsere ersten Tapas. Und wir erwischten einen der seltenen Tage, an denen es zu dieser Jahreszeit in Málaga regnet.

Die erste Woche in Málaga

© Timo Bechtel

Am nächsten Tag ging es dann aber richtig los. Wir wurden sehr herzlich von den spanischen Organisatorinnen und Organisatoren unseres Aufenthalts begrüßt, die mit den Schülerinnen und Schülern der IES Campanillas ihre Schule und ihr Schulsystem präsentierten. Schließlich handelt es sich um einen Austausch, der nicht nur für deutsche Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit bietet einmal in Spanien zu arbeiten, sondern die spanischen Schülerinnen und Schüler können auch das deutsche Ausbildungssystem kennenlernen. In Spanien gibt es erst seit kurzem ein ähnliches duales Ausbildungssystem wie wir es kennen. Manche Spanierinnen und Spanier nutzen auch die Gelegenheit, sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt in der IT-Branche zu bewerben. Wir stellten den spanischen Schülerinnen und Schülern unsere Schule und unser Ausbildungssystem vor, lernten die Partnerschule IES Campanillas und deren Schülerinnen und Schüler kennen und wurden schließlich unseren Betrieben zugeteilt. Ein Mitreisender und ich wurden für die ersten Wochen der Schule IES Campanillas zugeteilt.

Unsere Arbeit, die wir am nächsten Tag begannen, bestand daraus, eine Webseite für die Schule zu erstellen, die die Projekte der Schule darstellt und dokumentiert. Dazu gehört beispielsweise das Projekt eines automatisierten Gartens mit Bewässerungssystem unter Zuhilfenahme eines Raspberry Pis, eines Minicomputers. Ein interessantes Projekt, das technisches Know-How mit Programmierkenntnissen verbindet. Unsere Arbeit beinhaltete zudem, eine Lösung zu entwickeln, Word-Dokumente automatisiert als eigenständige Web-Seiten einzubinden. Nach der Arbeit trafen wir uns meist am Strand oder kochten gemeinsam und aßen auf der Dachterrasse. Die Terrasse war ein weiteres Highlight des Hostels, denn obwohl sie nicht besonders groß und von hohen Wänden umgeben war, konnte man sich hier zu einer beliebigen Zeit hinsetzen und lernte immer wieder neue Menschen aus verschiedensten Ländern der Welt kennen. Das ergab dann immer sehr interessante Unterhaltungen. Da war zum Beispiel ein Englischlehrer aus Oxford, der mit uns über die Bedeutung von Liedtexten diskutierte, ein Marokkaner, dem wir einige deutsche Sätze beibrachten, Amerikanerinnen, die uns erzählten, wie eine von ihnen in einen Müllwagen gefallen war, ein Ire, der uns Kartentricks zeigte und noch einige mehr, darunter aus Norwegen, Dänemark, Schweden, Frankreich, Kanada, Portugal, Korea, Russland, Argentinien und Uruguay.

So verging schnell die erste Woche in Málaga. Am Wochenende wagten wir uns dann in das Nachtleben von Málaga, das hier bis morgens die Stadt mit Menschen füllt. An diesem Wochenende starteten wir auch unseren ersten Versuch, eine sogenannte Free Walking Tour mitzumachen. Das ist eine geführte Tour, an der man kostenlos teilnehmen kann und wenn die Tour gefällt, bezahlt man am Ende einen beliebigen Betrag. Es blieb aber vorerst bei einem Versuch, da der Tourguide nicht aufzufinden war. Beim zweiten Versuch wurde die Englische Tour nicht angeboten, aber zwei Wochen später, im dritten Anlauf, hatte es dann doch geklappt. Wir lernten dabei einiges über die Geschichte Málagas, wie den Einfluss der Araber oder wie man einen Kaffee bestellt. Denn das ist etwas anders als man es kennt; in Málaga gibt es für verschiedenste Kaffeestärken eigene Begriffe, wie Mitad oder Largo. Das System habe ich aber bis jetzt noch nicht ganz durchschaut.

Die zweite Hälfte des Austauschs

In der zweiten Hälfte des Austauschs wurde ich einem neuen Betrieb zugeteilt: der IES Rectora de la Calle, einer Grundschule. Dort arbeiteten wir als Support für die Schule. Unser Hauptprojekt bestand darin, einen Computerraum aus etwa 20 Jahre alten Rechnern einzurichten. Da viele der PCs defekt waren, mussten wir einige Rechner aus anderen Hardwareteilen reparieren. Als Anwendungsentwickler habe ich da viel hinzugelernt, wie das Testen von Computer-Netzteilen mit Büroklammern und das Lösen von mir bis dahin unbekannten Fehlern in der Hard- und Software der Rechner. Wir reparierten aber auch andere Rechner, Drucker und Smartboards. Manche dieser Geräte waren bereits seit mehreren Jahren defekt und daher nicht in Benutzung, weshalb die Freude groß war, als wir ebendiese Geräte reparierten.

Zum Ende unseres Austauschs besichtigten wir als Gruppe Gibraltar. Gibraltar ist eine Halbinsel im Süden Spaniens. Bereits bei der Überschreitung der Grenze merkt man, dass es sich um britisches Territorium handelt. Überall sieht man rote Telefonzellen, Briefkästen und Doppeldeckerbusse. Von der Spitze des Felsens von Gibraltar hat man nicht nur einen Ausblick auf die Stadt, sondern kann auch am Horizont Marokko erkennen. Dabei muss man sich nur vor den Affen in Acht nehmen, denn der Felsen ist der einzige Ort Europas, an dem es freilebende Affen gibt, die einem gerne mal etwas aus der Tasche klauen. Einer unserer Gruppe wurde auch direkt von einem Affen überfallen. Zum Glück kam aber niemand zu Schaden. Auf Gibraltar existiert außerdem der einzige Flughafen der Welt, der von einer beschrankten Straße gekreuzt wird.

© Timo Bechtel

Zum Schluss unserer Reise präsentierten wir den spanischen Schülerinnen, Schülern, Lehrerinnen und Lehrern im Rahmen einer Abschlusspräsentation unsere Erlebnisse und Erfahrungen unseres Aufenthalts in Spanien. Um ehrlich zu sein, war ich mir anfangs nicht ganz sicher, ohne Spanischkenntnisse mit 10 mir fremden Menschen vier Wochen lang in Spanien zu arbeiten. Aber rückblickend kann ich sagen, zum Glück habe ich das gemacht! Ich habe Spanisch gelernt, einige neue Englischkenntnisse erworben, neue Menschen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Ich habe im spanischen Umfeld gearbeitet und die spanische Kultur kennengelernt. Ich bin offener geworden und weiß nun, dass ich mich neuen, unbekannten Situationen und Aufgaben gut stellen kann. Alles in allem, definitiv eine einmalige Erfahrung. Ich kann allen, denen sich eine solche Chance bietet, nur ans Herz legen, die Gelegenheit zu nutzen. Denn wie kann man sich herausnehmen, sich ein Bild einer anderen Kultur zu machen, wenn man sie nicht selbst einmal erlebt hat?