Ein persönlicher Erlebnisbericht der Auszubildenden Ellen Wiesenhöfer
Als ich im Herbst 2017 davon erfuhr, dass es bei der Stadt Köln die Möglichkeit gibt, einen Auslandsaufenthalt in Form eines Auslandspraktikums zu absolvieren, war ich sofort von der Idee angetan. Für mich war direkt klar, dass ich diese Gelegenheit nutzen möchte. Meine persönlichen Ziele waren, Selbstbewusstsein aufzubauen, meine sozialen Kompetenzen zu stärken, meinen Horizont zu erweitern, mich selbst herauszufordern und meine Grenzen zu testen.
Aus fachlicher Sicht interessierten mich die kulturellen Unterschiede, die es zwischen Deutschland und anderen Ländern gibt. Ich wollte ein anderes Land und eine andere Kultur kennenlernen und dabei nicht auf lediglich ein oder zwei Wochen Urlaub begrenzt werden. Außerdem reizte mich die Herausforderung, so eine Unternehmung zu planen und zu organisieren. Es hätte zwar auch die Möglichkeit gegeben, das Auslandspraktikum über eine Organisation planen zu lassen, aber dies ist sehr teuer und ich wollte flexibel sein.
Praktikum in der Bundeshauptstadt Wien
Da es mir wichtig war, das Praktikum in einem deutschsprachigen Land zu absolvieren, war die Auswahl von vornherein relativ begrenzt. Meine Wahl ist dann schlussendlich aus verschiedenen Gründen auf Wien gefallen. Neben der Sprache spielte auch die Entfernung eine gewisse Rolle. Wien ist noch relativ gut und schnell zu erreichen, sodass mich meine Freunde und meine Familie besuchen kommen können. Neben Wien und generell Österreich stand auch die Schweiz auf meinem Zettel. Da die Kosten in der Schweiz aber um ein vielfaches höher liegen, konnte ich mich recht schnell mit Wien identifizieren.
Auch der Zeitraum des Praktikums war sehr schnell geklärt: es kamen nur die Praxisabschnitte drei und vier infrage. Im dritten Praxisabschnitt waren allerdings noch vier Tage TSK (Training sozialer Kompetenzen) geplant, also wurde es letztendlich der vierte Praxisabschnitt vom 24. September 2018 bis zum 21. Dezember 2018.
Nachdem also Ort und Zeit des Praktikums feststanden, ging es ums Bewerben. Laut der Ausbildungsleitung kommen alle öffentlich-rechtlichen Einrichtungen für ein Praktikum in Frage. Ich habe mich mehr als ein Jahr im Voraus in Wien bei der Verwaltung der Spanischen Hofreitschule, bei der Polizei und bei der Stadtverwaltung beworben. Letztendlich hat mich die Stadtverwaltung für diesen Zeitraum genommen. Ich konnte wählen, in welchen Bereich ich gerne schauen möchte und habe mich für die Ordnungsverwaltung entschieden.
Ankommen in Wien - Unterschiede zu Köln
Am Samstag, den 22. September 2018, ging es dann endlich los nach Wien. Ich habe das Wochenende genutzt, um anzukommen und schon mal mein neues Zimmer im Wohnheim einzurichten und die Stadt näher kennenzulernen.
Wien ist als Bundeshauptstadt und Bundesland des Landes Österreich in insgesamt 23 Gemeindebezirke unterteilt, wobei fast jeder Bezirk von dem dazugehörigen Magistratischen Bezirksamt (MBA) geleitet wird (vergleichbar mit den Bezirksrathäusern in Köln). Neben den MBA's gibt es die Magistratsabteilungen (MA's), die sich um das Finanzwesen, das Personal, die Stadtentwicklung, das Gesundheits- und Sozialwesen, um Schulen und vieles mehr kümmern. Die MA's unterstehen politischen Weisungen, die MBA's nicht.
Besonders in Wien im Vergleich zu Köln ist, dass es eine Bau- und Feuerpolizei gibt, aber keinen Ordnungsdienst. Die Aufgaben des Kölner Ordnungsdienstes sind auf die verschiedenen MA's aufgeteilt und werden größtenteils von der Polizei übernommen. Nachts und am Wochenende ist ein juristischer und ein technischer Notdienst eingerichtet, das heißt, dass jeweils eine Juristin oder ein Jurist und eine Technikerin oder ein Techniker bei Notfällen immer erreichbar sein muss, um entweder eine Verfügung schreiben zu können oder technische Probleme zu lösen.
Mitarbeit im Rechtsreferat – Volksbegehren sorgt für Ausnahmezustand
Montags startete dann auch die Arbeit auf der Praktikumsstelle. Sie liegt im 23. Bezirk von Wien. Ich wurde allen Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern vorgestellt, mit dem Versprechen, dass ich bei jedem einmal hospitieren dürfe, um einen möglichst großen Überblick zu erhalten. Im Magistratischen Bezirksamt (MBA 23) sind die Pass- und Meldestelle, das Rechtsreferat, das Gewerbeamt und die politische Verantwortlichen untergebracht.
Die vielfältigen Aufgabenbereiche umfassen hier die An- und Abmeldung von Wohnsitzen, das Ausstellen von Pässen, Verlustmeldungen, Lebensbestätigungen, Religionsaustritte (in Deutschland findet das bei den Amtsgerichten statt), Staatsbürgerschaftsnachweise, An- und Ummeldungen von Gewerben, Behebungen von sanitären Übelständen und die Einleitung und Durchführung von Strafverfahren unter anderem in den Bereichen Lebensmittel, Gesundheitswesen, Arbeits- und Ausländerrecht und Baumschutz (Wien hat sogar ein Baumschutzgesetz).
Ich war hauptsächlich im Rechtsreferat eingesetzt, welches mit meiner Ausbilderin, einer Juristin, und ihrem Mitarbeiter aus insgesamt drei Personen besteht. Unsere Aufgabe war es, Strafverfahren gegen Menschen einzuleiten, die gegen bestimmte Gesetze verstoßen haben. Dazu haben wir die Beschuldigten zu Anhörungen eingeladen und danach entschieden, ob sie eine Strafverfügung bekommen oder nur ermahnt werden.
In der zweiten Woche meines Praktikums fanden gleich drei bundesweite Volksbegehren in Österreich statt. Volksbegehren sind ein Instrument der direkten Demokratie und haben zum Ziel, dass das Volk die Behandlung eines Gesetzesvorschlags im Nationalrat verlangen kann. Da die Bürgerinnen und Bürger Österreichs acht Tage lang (auch am Wochenende) ihre Unterschriften im MBA leisten konnten, herrschte in dieser Zeit ein Ausnahmezustand im MBA. Es wurden hier zwei miteinander verbundene Räume zur Verfügung gestellt, in denen von 8 bis 18 Uhr beziehungsweise von 8 bis 20 Uhr mehrere freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Magistrats Wien die Unterschriften entgegen genommen haben.
Freizeitgestaltung in Wien - Insgesamt positives Fazit
Meine Freizeit habe ich damit verbracht, mir entweder die Stadt anzugucken, Ausflüge in die nähere oder weitere Umgebung zu machen und im Wohnheim die anderen Studierenden kennen zu lernen. Wien ist eine unheimlich tolle Stadt, die allen, die geschichtlich oder architektonisch interessiert sind, viel zu bieten hat. Es gibt massenweise Museen (über 100 Stück) und andere Freizeitbeschäftigungen. Zu empfehlen ist auch ein Tagesausflug in die nur eine Stunde entfernte Hauptstadt der Slowakei, Bratislava, oder zum Schloss Laxenburg im an Wien angrenzenden Bundesland Niederösterreich.
Und da ich zur Vorweihnachtszeit in Wien war, durften natürlich auch die Weihnachtsmärkte nicht fehlen. Vor fast jeder Sehenswürdigkeit werden Anfang November schon Märkte aufgebaut, welche ab Mitte November feierlich eingeweiht werden. Die gesamte Innenstadt ist weihnachtlich geschmückt und im Weihnachtsfieber.
Alles in allem muss ich sagen, dass Wien für mich eine sehr schöne und eine sehr wertvolle Zeit gewesen ist. Ich habe hier sehr viel gelernt, sehr viele schöne Orte und viele interessante Menschen kennengelernt. Ich habe meine Entscheidung, hierher zu kommen, keinen Tag bereut und würde jedem empfehlen, die Chance, die die Stadt Köln als Ausbildungsbehörde bietet, zu nutzen und ein Auslandspraktikum zu machen.