Oberbürgermeister Torsten Burmester fordert von Politik und Verwaltung eine "Kultur der Entscheidungsfreude" und klare Prioritätensetzung
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Ratsmitglieder,
liebe Kölnerinnen und Kölner – hier auf der Tribüne, und im Live-Stream,
liebe Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung,
in die Freude über diesen Tag mischen sich Respekt und Ernsthaftigkeit. Denn die Verantwortung für diese Stadt – sie ist groß!
Herz, Haltung und vor allem Lust an der Gestaltung – dafür stehe ich als Mensch Torsten Burmester und dafür werde ich weiterhin stehen…
- als Oberbürgermeister aller Kölnerinnen und Kölner
- als Vorsitzender des Rates der Stadt Köln
- als Leiter der Stadtverwaltung
- und als hörbare Stimme in Köln, in NRW, Deutschland und Europa!
Zuallererst danke ich meiner Vorgängerin, Henriette Reker, dafür, dass sie zehn Jahre lang dieses anspruchsvolle Amt ausgeübt hat. Mit vielen Gesprächen hat sie mir den Einstieg erleichtert.
Henriette Reker hat einmal mehr gezeigt, wie sehr sie Demokratin ist! Sie hat Köln einen fairen und gut geordneten Amtswechsel ermöglicht.
Dafür bin ich dankbar!
Meine Damen und Herren, seit fast 40 Jahren lebe ich in dieser Stadt. Als Student hat mich Köln mit offenen Armen empfangen. Seither fühle ich mich als Mitglied der Stadtgesellschaft – einer Stadtgesellschaft, die Charakter hat, die selbstbewusst ist, die Lebensfreude ausstrahlt und den Zusammenhalt zur Kölner Kernkompetenz gemacht hat.
Mir liegt Köln zutiefst am Herzen!
Und gerade deshalb bekümmert es mich, wenn so viele Menschen in unserer Stadt darüber klagen, was alles nicht funktioniert.
Wenn öffentliche Räume abstoßen statt anziehen.
Wenn Sicherheit und Sauberkeit leiden.
Wenn auf die Stadtbahn kein Verlass ist.
Wenn Wohnen zur wichtigsten sozialen Frage wird und die Stadt ihrem Anspruch nicht mehr gerecht werden kann, Heimat für alle zu sein.
Was nicht funktioniert, nagt am Vertrauen in Politik und Verwaltung.
Ich nehme zudem eine schwere Verunsicherung angesichts eines rasenden technologischen und politischen Wandels wahr – ein Wandel, der neue Antworten erfordert – Antworten, die wir zum Teil noch entwickeln müssen. Die Corona-Pandemie und die Klimakrise stecken uns in den Knochen; Kriege und Konflikte beunruhigen. Die seit Monaten schwelenden internationalen Handelsstreitigkeiten sind Gift für unsere Wirtschaft – und drücken zusätzlich auf die allgemeine Stimmung.
Wir merken: Demokratie muss durch harte Arbeit gesichert werden.
Es braucht also konsequente – zum Teil auch kleinteiliges – Handeln und realistische Zusagen!
Probleme erkennen, benennen, durchdringen und lösen. Chancen ergreifen und umfassend nutzen. Machen statt verharren!
Das ist unsere gemeinsame Verantwortung, meine Damen und Herren!
Keine Frage: All das ist einfacher gesagt als getan.
Niemandem dürfte entgangen sein, dass die Mehrheitsverhältnisse im Rat eine echte Herausforderung sind.
Und genauso offensichtlich ist die schwierige finanzielle Lage, die unsere Möglichkeiten begrenzt!
Doch weder der Haushalt noch die Sitzverteilung dürfen schon im Voraus als Ausrede für halbherziges Handeln oder mutlose Entscheidungen gelten.
I. Neues Selbstverständnis
Die Kölnerinnen und Kölner haben zurecht die Erwartung, dass wir auch unter diesen Umständen das Bestmögliche für unsere Stadt erreichen.
Dass wir stärker Prioritäten setzen.
Dass wir schneller handeln.
Dass wir eine neue Kultur der Entscheidungsfreude etablieren.
Damit es in Köln wieder rund läuft und wir Vertrauen in unseren Staat zurückgewinnen!
Wenn ich "wir" sage, dann meine ich alle demokratischen Fraktionen sowie die Einzelmandatsträgerinnen und -träger im Rat.
Ich meine aber auch die Stadtverwaltung.
Ich meine Unternehmen, Verbände, Hochschulen, Träger, Zivilgesellschaft: Vereine im Karneval, im Sport, in der Kultur und alle, die sich für unsere Gesellschaft engagieren.
Und ich meine die Kölnerinnen und Kölner: die Menschen aller rund 180 Nationen und 130 Glaubensgemeinschaften, die Kölnerinnen und Kölner aller 86 Veedel! Das ist mir wichtig. Wir müssen Köln von außen nach innen denken – von den Menschen in Porz und Chorweiler ausgehend, von allen in Stammheim, Weiß und Widdersdorf!
Denn für mich gehören alle Demokratinnen und Demokraten zu einer starken Verantwortungsgemeinschaft für Köln fest dazu!
In dieser Gemeinschaft verbindet uns ein zweifacher Auftrag: Erstens, Probleme anzugehen und, zweitens, unsere Stadt gerecht und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Das ist unsere gemeinsame Pflicht – besonders hier im Rat. Bei jeder einzelnen Entscheidung wird es hier um nicht weniger gehen als um unsere kommunalpolitische Verantwortung! Und die muss weit schwerer wiegen als Parteiinteressen.
Verwenden wir unsere Kraft auf die Suche nach dem großen gemeinsamen Nenner in Sachfragen – statt uns im politischen Kleinklein auseinanderzudividieren!
Für dieses neue Selbstverständnis hier in diesem Stadtrat werbe ich mit Nachdruck – wohlwissend, dass mein Anspruch an Sie als ehrenamtlich tätige Ratsmitglieder hoch ist.
Doch ein neues Verständnis ist auch eine Chance. Es geht um eine Kultur des Gelingens. Innerhalb des Rates und bei der Zusammenarbeit zwischen Politik und unserer Stadtverwaltung. Größtmögliche Kooperationsbereitschaft ist meine klare Erwartung als Chef der Verwaltung gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen – und das ist mein Angebot auch an Sie alle!
II. Drängende Köln-Themen
Meine Damen und Herren,
ich habe eingangs erwähnt, was in Köln nicht funktioniert. Gemeinsam müssen wir den Beweis antreten, dass unsere Demokratie gute Lösungen hervorbringen kann! Die aus meiner Sicht drängendsten Themen sind:
Erstens, Sicherheit und Sauberkeit: Die Kölnerinnen und Kölner sind unzufrieden mit dem Zustand in ihrer Stadt. Ob am Neumarkt oder zentralen Plätze in den Veedeln: Das Thema bewegt und wir müssen es lösen! Mit zum Teil einfachen Mittel – und ohne Mehrkosten – lässt sich hier viel erreichen!
Sehr konkrete Maßnahmen für mehr Sauberkeit sind bei der AWB bereits beauftragt – und in Umsetzung.
Kurzfristig optimieren wir den Einsatz des kommunalen Ordnungsdienstes. Beide Verbesserungen kommen auch den Veedeln zugute. Insgesamt braucht es mehr Präsenz im öffentlichen Raum – und es muss klar sein: Wir Kölnerinnen und Kölner, wir alle tragen Verantwortung für unsere Stadt, für unsere Straßen und Plätze!
Wichtig ist mir zudem ein noch intensiverer Austausch zwischen Polizei, sozialen Trägern und der Stadt. Ich mache mich stark für ein umfassendes Konzept, das Suchtkranken und Anliegern gerecht wird: Helfen und Handeln ist die Maxime! Da möchte ich jetzt sehr schnell eine Lösung erreichen [– möglicherweise erst einmal nur vorübergehend!]
Zweitens, bezahlbares Wohnen: Hierfür braucht es zwei Ansätze: Mieterschutz stärken einerseits, Wohnungsbau beschleunigen andererseits.
Das werden wir im Rat schon in den nächsten Sitzungen intensiv besprechen!
Zugleich kommen die von uns als Stadt vorgegebenen Standards auf den Prüfstand, um die Baukosten in den Griff zu bekommen.
Genossenschaften, Investoren, Verbände und die Stadt stehen beim Thema Wohnen gemeinsam in der Verantwortung.
Und mir ist wichtig, hier im engen Austausch Lösungen zu erarbeiten, die den Kölner Wohnungsmarkt insgesamt entspannen.
Drittens, wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen: Sie braucht es! Und zwar nicht nur für das Gewerbesteueraufkommen als wichtigste Finanzierungsquelle der Kommunen. Wir brauchen eine starke und zukunftsfest aufgestellte Wirtschaft für gute Arbeitsplätze!
Ich möchte mit verlässlichen Rahmenbedingungen und pragmatischen Entscheidungen, den Kölner Unternehmen den Rücken freihalten. Denn sie brauchen alle Kraft, um auf einem turbulenten Weltmarkt zu bestehen.
Konkret geht es mir darum…
- mehr Gewerbeflächen auszuweisen,
- schneller zu genehmigen,
- und die Ansiedlungspolitik zu intensivieren.
Liebe Ratsmitglieder, in den kommenden Sitzungen werden wir uns mit diesen Themen intensiv beschäftigen.
III. Haushalt
Meine Damen und Herren,
wir müssen kraftvoll gestalten, aber wir müssen auch die bestehenden Grenzen sehen.
Die finanzielle Lage unserer Stadt ist dramatisch – so wie das leider für so viele Kommunen in Deutschland der Fall ist.
Aktuell und mittelfristig besteht in den städtischen Finanzen ein massives Ungleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben. Das Defizit für das Haushaltsjahr 2025 fällt deutlich höher aus als geplant. Das hat ein Kassensturz in den vergangenen Tagen ergeben.
Stadtkämmerin Professorin Diemert und ich haben daher gemeinsam entschieden, bis Ende des Jahres eine Haushaltssperre zu verhängen – das wissen Sie bereits.
Nicht trotz sondern durch diese Maßnahme bleibt die Stadt Köln handlungsfähig! Denn die Haushaltssperre ist ein Steuerungsinstrument! Sie ist ein Beitrag zur Konsolidierung!
Ein weiterer Baustein wird eine stärkere Priorisierung der Verwaltungsaufgaben sein. Wir in der Verwaltung müssen noch besser dabei werden, Fördermittel abzurufen und Zuständigkeiten zu bündeln.
Aber: Die weit schwierigeren Fragen kommen erst noch. Sie sind bei der Aufstellung des nächsten Haushalts zu beantworten – und dabei wird soziale Gerechtigkeit das entscheidende Richtmaß sein, wenn es um die Bewertung freiwilliger Ausgaben geht.
Meine Damen und Herren, als Oberbürgermeister werde ich die finanziellen Interessen von NRWs einziger Millionenstadt bei Bund und Land selbstbewusst und beharrlich vertreten.
Die vom Land zugesagte Summe von jährlich rund 43,5 Millionen Euro aus dem Investitionspaket des Bundes bedeutet für die kommenden zwölf Jahre zwar eine gewisse Entlastung. Aber ich hätte einen größeren kommunalen Anteil erwartet, da bin ich einer Meinung mit vielen Stadtoberhäuptern in NRW. Der Kölner Investitionsbedarf liegt bei mehr als sieben Milliarden Euro. Das zeigt, dass der Zuschuss aus dem Investitionspaket für Köln nicht ausreicht.
Was es wirklich braucht, ist eine strukturelle Neuaufstellung der kommunalen Finanzen!
Dazu gehört eine verbindliche Lösung der Altschuldenfrage mit Bund und Land. Dazu gehört, die chronische Unterfinanzierung der Kommunen zu beenden.
Und dazu gehört, dass die Kosten der Bundesgesetzgebung nicht mehr auf die Kommunen abgewälzt werden dürfen!
Dafür werde ich mich in Bund und Land stark machen – und ich werden unseren Anspruch als viertgrößte Stadt Deutschlands einfordern – darauf können sich die Kölnerinnen und Kölner verlassen!
IV. Kölns Perspektive
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt viel über aktuelle Herausforderungen gesprochen, aber natürlich geht mein Blick weiter – in Richtung gute Zukunft für Köln.
Ich bin Vater zweier Töchter, die noch die Schule besuchen – und ich fühle mich verpflichtet, kommenden Generationen eine lebenswerte Stadt zu hinterlassen!
Klar ist: Köln steht – wie andere Großstädte – unter erheblichem Transformationsdruck. Mein Ziel ist, finanzielle Handlungsspielräume für Köln zurückzugewinnen – und sie dann gezielt und effizient einzusetzen: um uns auf die Klimaveränderungen, auf den demographischen und technologischen Wandel einzustellen.
Liebe Ratsmitglieder, liebe Kölnerinnen und Kölner,
viel wurde in den Medien von meinen Sportschuhen berichtet, die mich ins Amt getragen hätten. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.
Denn wirklich ins Amt getragen haben mich die Kölnerinnen und Kölner, die mir in ungezählten Gesprächen gezeigt haben, welch große Kraft in Köln steckt! Diese Kraft ist jetzt gefragt!
Die Kraft der Verantwortungsgemeinschaft: mit Rat und Verwaltung, mit Wirtschaft und Wissenschaft, mit Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft, mit Akteurinnen und Akteuren des sozialen Köln, aus der Kultur, aus dem Sport und aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft, aus allen Veedeln!
Zusammen wird es gelingen, dass Köln wieder gut funktioniert.
Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt!
- Für ein Köln, das neue Chancen wahrnimmt.
- Für ein Köln, das seine Kernkompetenz – den Zusammenhalt – bewahrt.
- Für ein Köln, das wirtschaftlich stark ist.
- Für ein Köln, das beim Meistern von Herausforderungen Vorbild ist.
- Für ein Köln, das nicht nur in der fünften Jahreszeit, sondern zu jeder Zeit Wohlfühlstadt ist.
Liebe Kölnerinnen und Kölner,
dort vorne sehen Sie die Friedensglocke. Sie ist ein Symbol für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben in unserer vielfältigen Stadt, für Frieden und Respekt in allen Veedeln, unter den Menschen aller Glaubensrichtungen, aller Nationen und jedweder Herkunft.
Unser aller Zusammenhalt ist die Basis für alles Weitere, was Köln erreichen kann!
Am kommenden Sonntag werden wir in Köln den Opfern der Novemberpogrome gedenken – und das in einer Zeit, in der antisemitische Vorfälle zunehmen. Mit Blick auf das Symbol Friedensglocke war mir umso wichtiger, dass sich auch die jüdischen Kölnerinnen und Kölner einbezogen fühlen.
An dieser Stelle begrüße ich auf der Zuschauertribüne vom Vorstand der Synagogengemeinde Köln sehr herzlich Bettina Levy!
Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich die Glocke zum Klingen bringen und bitte Sie alle hier im Saal und auf der Tribüne, sich dafür von Ihren Plätzen zu erheben.
Vielen Dank!