Veranstaltung zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung 2011

Aus Anlass des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung lud Oberbürgermeister Jürgen Roters gemeinsam mit der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik in das Historische Rathaus. Die diesjährige Veranstaltung beschäftigte sich mit dem direkten Wohn- und Lebensumfeld, dem "Veedel". Die Moderatorin und Journalistin Anke Bruns führte durch den Abend.

"Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft" - so lautet der Auftrag des Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention. Ob diese Ziele erreicht werden können, hängt sehr stark von der Gestaltung des direkten Wohn- und Lebensumfeldes ab. Was kann die Kölner Stadtentwicklung zu diesen Zielen beitragen? Was können die Kölnerinnen und Kölner selber tun? Wo gibt es gute Beispiele in Köln? Mit der Veranstaltung sollten Anregungen für zukünftige Entwicklungen gegeben und erfolgreiche Netzverbindungen angestoßen werden.

Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes begrüßte die Gäste. Sie machte deutlich, dass ein Stadtteil für alle nur dann seinen Namen verdient, wenn

  • dessen Bewohnerinnen und Bewohner alle Einrichtungen und Angebote eigenständig und gleichberechtigt nutzen können,
  • sie dort am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen können,
  • die Straßen, Wege und Verkehrsmittel so gestaltet sind, dass sie sich frei und ohne Barrieren bewegen können.

Ein solcher Stadtteil wäre, laut Elfi Scho-Antwerpes, dann wirklich ein inklusiver Stadtteil.

Menschen mit Behinderung sollen gleiche Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen haben und es soll ihnen die volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und die Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglicht werden.

Die Konvention verpflichtet daher die Vertragsstaaten dazu, wirksame und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Ziele erreicht werden.

Als Kommune haben wir eine große Verantwortung für die Gestaltung des Wohn- und Lebensumfelds der Menschen in dieser Stadt. Mit unserer Stadtentwicklungspolitik können und müssen wir Wichtiges dazu beitragen, um vorhandene Barrieren abzubauen und eine Infrastruktur zu fördern, die gleichberechtigte Teilhabe und damit wichtige Lebensqualität für alle Bewohnerinnen und Bewohner ermöglicht.

Diskussionsforen

© Stadt Köln
Diskussion im Forum

Im Laufe der Veranstaltung wurden drei Diskussionsforen angeboten, an denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beteiligen konnten. Es wurden folgende Themen angeboten:

Forum 1: "Eine Reise durch die Südstadt"

IncluCity Cologne berichtete und diskutierte in leichter Sprache. Die Mitglieder der Gruppe hatten in den letzten Monaten Geschäfte und Einrichtungen in der Kölner Südstadt besucht. Daraus ist ein Stadtplan mit Informationen zur Barrierefreiheit der Einrichtungen entstanden. Im Oktober 2011 hatte IncluCity mit diesem Projekt den 2. Preis beim Kölner Innovationspreis Behindertenpolitik - KIB gewonnen.

Forum 2: "Wir sind das Veedel! Bürgerschaftliches Engagement als Motor"

"Wege der Leichtigkeit" nennen die Bewohnerinnen und Bewohner des Ledo-Mehrgenerationenhauses ihr Projekt. Mit Kinderwagen, Rollator, Rollstuhl und Assistenzhund erkunden sie die Barrierefreiheit der Einrichtungen und Geschäfte in Köln-Niehl. Barrieren im öffentlichen Raum melden sie der Stadtverwaltung. Mit den gesammelten Erkenntnissen wollen sie sich an die Bezirksvertretung wenden. Sie erhielten für dieses Projekt den 3. Preis beim Kölner Innovationspreis Behindertenpolitik - KIB 2011.

Forum 3: "Inklusive Veedel als Aufgabe der Stadtentwicklung"

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses größten Forums erfuhren, mit welchen Aufgaben und Projekten sich die Stadtentwicklung beschäftigt. Frühzeitige Beteiligung und Einbeziehung von Menschen mit Behinderung und ihren Gremien war eines der wichtigsten Anliegen in der anschließenden Diskussion.

Die Beteiligung in allen Foren war sehr lebhaft und engagiert. Die jeweils zentralen Aspekte wurden in die abschließende Podiumsdiskussion eingebracht.

Vortrag des Bundesbehindertenbeauftragten Hubert Hüppe

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe, begrüßte es sehr, dass auch Vertreterinnen und Vertreter des Einzelhandels, wie die der Galeria Kaufhof, teilnahmen, die in Köln bereits zwei Auszeichnungen für generationenfreundliches Einkaufen erhalten haben.

Inklusion geht nur, wenn sich eben nicht nur die öffentlichen Stellen beteiligen, sondern auch Geschäftsleute, Gewerbetreibende, Verbände und Kirchen mitmachen.

Herr Hüppe informierte in seinem Vortrag "Deutschland wird inklusiv" über das Projekt "Inklusionslandkarte". Seit Dezember 2010 können sich beispielhafte Projekte eines Miteinanders von Menschen mit und ohne Behinderungen für die "Landkarte der inklusiven Beispiele" bewerben. Ausgewählt werden die Beispiele von einem Inklusionsbeirat, der fast ausschließlich mit Menschen mit Behinderung besetzt ist. Nur ungefähr ein Drittel der Bewerbungen schafft es auf die Landkarte, die man im Internet ansehen kann.

Dort sind zurzeit 122 Projekte eingetragen, von denen sich allein 12 in Köln befinden.

Köln beeindruckt hier nicht nur mit der Anzahl, sondern auch der Vielzahl an Themen wie Schule, Sport, Freizeit und Arbeit. Ich habe hier bei der Veranstaltung bereits viele Vertreter dieser Projekte gesehen. Wenn Sie oder andere noch weitere gute inklusive Beispiele haben, dann bewerben Sie sich bei www.inklusionslandkarte.de.

Herr Hüppe führte weiter aus, dass er bis 2013 inklusive Projekte besuchen werde, die auf die Landkarte der inklusiven Beispiele aufgenommen wurden. Es sei sein Ziel, sich Beispiele in allen 16 Bundesländern anzusehen. Auf jeden Fall werde ihn seine Reise auch ins Rheinland und sicher auch nach Köln führen.

Ziel seiner Kampagne sei es, die UN-Behindertenrechts-Konvention und den ihr zu Grunde liegenden Gedanken der Inklusion stärker in die Öffentlichkeit zu tragen. So können Besuche vor Ort zeigen, wie Inklusion praktisch umgesetzt wird und funktionieren kann.

Großes Lob sprach er den vielen engagierten Menschen aus. Es würde heute noch viel zu häufig nach Begründungen gesucht, warum für Menschen mit Behinderung Sonderwelten nötig seien. Stattdessen müsse geschaut werden, wie behinderte Menschen mitten in der Gesellschaft leben können. Abgrenzende Einrichtungen wie Förderkindergärten, Förderschulen, Werkstätten und ähnliche Einrichtungen müssten weniger werden. An ihre Stelle sollten gemeinsame Kindergärten, gemeinsamer Unterricht sowie passende Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt rücken. Die finanziellen Förderungen, die heute noch in die Spezialeinrichtungen fließen, sollten dann hierfür zur Verfügung gestellt werden.

Da Menschen mit Behinderung und Nichtbehinderte zurzeit in der Regel noch nicht gemeinsam aufwachsen, lernen Nichtbehinderte nicht den Umgang mit Menschen mit Handicap. Das sind die "Schwerstmehrfachnormalen". Die Ursache liegt darin, dass wir uns jahrzehntelang aus dem Weg gegangen sind. Das darf nicht so bleiben. Wir sind noch am Anfang der Inklusion. Bei allen Diskussionen auf allen Ebenen muss deutlich werden, dass das Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. Es geht nicht um die Gewährung einer Gnade, sondern um die Wahrnehmung von Menschenrechten.

Podiumsdiskussion

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der abschließenden Podiumsdiskussion waren:

  • Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen
  • Karl Klipper, Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung
  • Henriette Reker, Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt
  • Sonja Bruder, IncluCity Cologne, für das Forum 1
  • Frank Keils, Ledo e. V., für das Forum 2
  • Maria Kröger, Leiterin des Amtes für Stadtentwicklung, für das Forum 3

Unter der Moderation von Anke Bruns stellten die Vertreterinnen und Vertreter der Foren ihre Ergebnisse vor und diskutierten anschließend, wie künftig diese Standards besser umgesetzt werden können. Die folgenden Kernpunkte fanden dabei die Zustimmung von allen Anwesenden.

  • Barrierefreiheit muss für alle Menschen gegeben sein, nicht nur für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer, sondern auch für Blinde und Sehgeschädigte, Hörgeschädigte und Gehörlose und für Menschen mit Lernschwierigkeiten.
  • Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein Rechtsanspruch und darf nicht von finanziellen Mitteln abhängig gemacht werden. Die Berücksichtigung von Barrierefreiheit von Anfang an ist die auch finanziell günstigste Lösung.
  • Bei Konzepten und Planungen der Stadtentwicklung sollten Menschen mit Behinderung als "Experten in eigener Sache" frühzeitig mit eingebunden werden.
  • Die Fachkenntnisse zum Thema Barrierefreiheit müssen mehr in die Planungen einfließen, sowohl bei der Stadt Köln als auch bei den nichtstädtischen Architektinnen und Architekten. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei Bauvorhaben muss konsequenter kontrolliert werden.
  • Bezahlbarer, barrierefreier Wohnraum muss dringend geschaffen werden. Menschen mit Behinderung müssen selbst entscheiden können, wie und wo sie leben wollen.
  • Um effizient Barrieren abzubauen, müssen Geschäftsinhaberinnen, Geschäftsinhaber und Einrichtungen im Veedel für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert werden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels (es gibt in Zukunft immer mehr ältere Menschen) wird Barrierefreiheit zu einem zentralen Thema werden. Dafür müssen die Netzwerke vor Ort in den Veedeln genutzt werden: Bürgerzentren und -ämter, Bezirksvertretungen, Geschäftsleute, Bürgervereine und viele andere.
  • Der wichtigste Schritt, um die Barrieren in den Köpfen zu beseitigen, ist und bleibt die Schaffung gemeinsamer Kindertagesstätten und Schulen. Wer zusammen aufwächst, hat keine Berührungsängste mehr und weiß um die Notwendigkeit der Barrierefreiheit.
© Stadt Köln
Gefüllte Sitzreihen in der Piazzetta

Vertreterinnen und Vertreter aus Verwaltung und Politik konnten viele Anregungen mitnehmen und versprachen, die "Expertinnen und Experten in eigener Sache" viel früher an künftigen Planungen zu beteiligen.

Zum Abschluss konnten sich die Gäste bei einem Umtrunk an den Informationsständen von Initiativen in Kölner Veedeln informieren. 17 Institutionen und Organisationen stellten dort ihre Projekte vor und regten so zur Nachahmung an.

Weiterführende Links

Informationen zum Projekt "Wege der Leichtigkeit" von Ledo e.V.
Informationen zur Stadtentwicklung - Stadt Köln
Informationen zur UN-Konvention
Informationen zur Inklusionskarte des Bundesbehindertenbeauftragten
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