Der diesjährige Preisträger ist Nicolas Kuhn.
Nicolas Kuhn, 1989 in Stuttgart geboren, ist Komponist und Dirigent und lebt in Düsseldorf. Er studierte zunächst Komposition an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden. An der Robert Schumann Hochschule für Musik in Düsseldorf folgte ein Masterstudiengang in Orchesterleitung und Kompostion.
Seine Kompositionen befassen sich mit dramaturgischen und formalen Strategien angesichts des Zwiespalts zwischen Sehnsucht nach und Unmöglichkeit von affirmativ funktionierender Musik. Interpret*innen seiner Musik waren unter anderem das "Ensemble Recherche", "Kammerensemble Neue Musik Berlin", das Symphonieorchester des Südwestrundfunks und das "Internationale Ensemble Modern Akademie". 2018 wurde sein abendfüllendes Musiktheaterstück "Königliche Membranwerke – Nomictic Solutions" bei der Münchener Biennale uraufgeführt. Weitere Kompositionsaufträge erhielt er von der Kunststiftung Nordrhein-Westfalen, dem Kolumba-Museum Köln oder der Chorakademie Dortmund.
Nicolas Kuhn arbeitet einerseits gerne in zurückgezogener Arbeit an abstrakten Stückkonzepten, lässt sich andererseits aber auch immer wieder auf diverse Kollaborationen und künstlerische Zusammenarbeit ein, um gemeinsam Neues zu entwickeln und das eigene Schaffen in andere Richtungen zu lenken.
Als Dirigent interessiert sich Nicolas Kuhn besonders für die spannungsvolle Gegenüberstellung von symphonischem Repertoire und experimenteller Musik sowie für selten gespielte Werke von der Frühklassik bis zur Gegenwart. Im Herbst 2024 wird das erste Konzert seines neu gegründeten Ensembles "Antiphon Chamber Orchestra" stattfinden.
Seit 2016 unterrichtet Nicolas Kuhn an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und leitet das dortige Hochschulensemble für Neue Musik.
Impressionen vom Preisträgerkonzert am 13. September in der Kunst-Station Sankt Peter.
Begründung der Fachjury
Nicolas Kuhns kompositorische Arbeit besticht durch ihre hochgradige Konzentration auf die wesentlichen Fragen der Musik und des Komponierens. Die Werke Kuhns erscheinen oft in spröder, zurückhaltender Gestalt. Reduktion ist Programm. Er besinnt sich in jedem Stück Musik auf sein Wesentliches. Aus dieser Konzentration entsteht allerdings eine weitreichende Blüte. Beispielsweise das Kammermusikwerk mit dem Titel "Ruh aus in deinem Plural" aus dem Jahr 2023. Auf einen Text des Dichters Marcel Beyer dekliniert Nicolas Kuhn in beinahe obsessiver Ruhe die fortschreitende Zerlegung des Textes mit kompositorischen Mitteln. Doch genau diese Ruhe und Insistenz entfaltet sich nach und nach in einen "dritten Raum", der die freigelegten Mittel transzendiert. Diese Beharrlichkeit des kompositorischen Denkens von Nicolas Kuhn zieht sich durch sein gesamtes Werk. Ihm ist es nie um große, virtuos scheinende Gesten zu tun, sondern eher um ein Freilegen des musikalischen Gedankens respektive der jeweiligen Fragestellung, die ihn fordert. Also ist es wohl die ursprüngliche Bedeutung von Virtuosität, die hier greift. Denn "virtuus" im Lateinischen bedeutet ja "tugendhaft". Kompositorische Tugendhaftigkeit kann gerade heute nur in einer Art uneitler Bestandsaufnahme und Bestimmung des musikalischen Raumes statthaben. Brauchen wir noch mehr Beschallung? Oder benötigen wir ein klares und forschendes Maß an Reflexion der Mittel und des "Sinns" von Musik? Nicht nur als Komponist dient Nicolas Kuhn solch forschenden Suchbewegungen in der Musik. Er ist als hochkarätiger Dirigent, Ensemble-Leiter und Kurator von Konzertreihen aktiv, pflegt regen Austausch zu allen künstlerischen Disziplinen und arbeitet vielfältig mit anderen Kunstschaffenden zusammen. So entsteht ein beinahe schon paradoxer, doch sehr fruchtbarer Gegensatz zu der oben skizzierten Sprödigkeit, Konzentration und Strenge seines Werks. Mit Nicolas Kuhn wird ein unbestechlich konsequenter Komponist und Künstler ausgezeichnet.
Der Sachverständigen-Jury gehörten an:
- Nicolas Berge, Musiker und Vorjahresstipendiat
- Professorin Carola Bauckholt, Komponistin
- Professorin Barbara Maurer, Musikerin, Dozentin
- Professor Manos Tsangaris, Komponist, Musiker, Dozent