Resolution des Integrationsrates Köln

Der Integrationsrat Köln bittet Frau Oberbürgermeisterin Reker: 

  • bei den Eigentümern auf eine schnelle Umsetzung einer Bebauung des Grundstückes an der Keupstraße / Schanzenstraße zu dringen und dabei auf die Beachtung der beim städtebaulichen Werkstattverfahren wiederholt gemachten Planungsziele bezüglich eines Denkmalstandortes hinzuweisen, beziehungsweise die Umsetzung der vom Vorsitzenden des Beratungs- und Begleitgremiums Herrn Professor Wachten benannten Maßgaben aus dem städtebaulichen Werkstattverfahren bezüglich eines Denkmalortes einzufordern,
  • die Mitglieder des Rates und der Bezirksvertretung Mülheim, ihrer stadtpolitischen Verantwortung im Sinne einer angemessenen Erinnerungskultur gerecht zu werden, und zum gegebenen Zeitpunkt mit entsprechenden Beschlüssen eine Platzierung des Denkmals zu den NSU-Anschlägen an der Ecke Keupstraße/ Schanzenstraße sicher zu stellen, 
  • die Eigentümergemeinschaft des Grundstückes, sich ihrer stadtgesellschaftlichen Verantwortung zu stellen und eine Realisierung des Denkmals an dem Ort zu ermöglichen, der im Rahmen des städtebaulichen Werkstattverfahrens von Beginn an dafür favorisiert wurde.

Begründung

Am 9. Juni 2019 jährt sich der Anschlag auf die Menschen in der Kölner Keupstraße. 15 Jahre nach dem Anschlag und circa 8 Jahre nach der Enttarnung des NSU gibt es einen sehr gut gelungenen Entwurf für ein Denkmal – allerdings ist die Standortfrage zur Errichtung weiterhin offen.

Es gibt sehr gute und nachvollziehbare Gründe, warum als Standort für ein Mahnmal die Ecke Keupstraße/Schanzenstraße favorisiert wird.

Der Siegerentwurf von Ulf Aminde für ein Mahnmal

Ausgehend von der Keupstraße 29, der Ort an dem die Bombe explodierte, soll der Grundriss dieses Hauses genommen und in Blickbeziehung zur Keupstraße als circa 30 Zentimeter hohe Betonbodenplatte gegossen werden. Hier soll ein Fundament als Grundlage für eine diverse und solidarische Gemeinschaft gelegt werden. Gemeint ist aber auch, dass für jedes Haus das angegriffen wird gleich ein Zweites neu gebaut wird. Die Bodenplatte soll ein Ort der Begegnung und des Zusammenseins werden und ein Platz sein, an dem migrantisches Wissen zu Wort kommen soll. Über Geodaten und einen WLAN Sender können mit einer App auf dem Handy virtuelle Wände gesehen werden, auf denen Bilder, Filme und Texte zum Thema abgerufen werden können.

Die Bedeutung eines Mahnmals für die Menschen der Keupstraße

Der Nagelbombenanschlag- die 1. Bombe – hatte die Menschen auf der Keupstraße zutiefst erschreckt. Die anschließenden Verdächtigungen durch Behörden und Öffentlichkeit wurde als die 2. Bombe empfunden. Die Betroffenen fragen sich seitdem: Was bringt jemanden dazu Menschen, die er gar nicht persönlich kennt, umbringen zu wollen. Woher kommt dieser Hass und was hätten sie vorher tun können, um diese Leute davon abzuhalten? Warum konnte anschließend die gesamte Keupstraße so schnell unter Generalverdacht gestellt werden, etwas mit dem Anschlag zu tun zu haben? Was war hier falsch gelaufen und wie können sie selber dagegen steuern, dass so etwas nicht noch einmal geschieht?

Die große Möglichkeit zu versuchen, so etwas für die Zukunft zu verhindern besteht darin frühzeitig miteinander zu sprechen und sich kennen zu lernen. Deshalb war für die Keupstraße "Birlikte 2014", "Birlikte 2015", "Birlikte 2016" und die Einladung zum gemeinsamen Fastenbrechen in 2017 und 2018 so wichtig.

Der Standort des Denkmals ("Birlikte Platz") darf daher kein ferner, abgekoppelter Ort des stillen Gedenkens sein. Der Standort Ecke Keupstraße/Schanzenstraße wird den Menschen der Keupstraße die Möglichkeit geben mit den Mahnmalbesuchern ins Gespräch über Ausgrenzung und Rassismus zu kommen – von hier aus können diese dann die Keupstraße mit ihrer Gastfreundschaft und Herzlichkeit kennen lernen, um Vorbehalte abzubauen.

Das Mahnmal ist von überragender Bedeutung für die Opfer und ihre Familien, für alle Bewohner*innen der Keupstraße und des gesamten Stadtbezirks, für die Stadt und die Stadtgesellschaft. Das Mahnmal erinnert an die Verbrechen des NSU und das über Jahre hinweg klägliche Versagen der Ermittlungsbehörden und ist  Ausdruck der Selbstverpflichtung unseres Rechtsstaates, die Mord – und Anschlagserie des NSU vollständig aufzuklären. Das Mahnmal ist nationales wie übernationales Symbol des festen Willens zu einer demokratischen Gesellschaft der Vielfalt und Anerkennung.

Für die Investoren sollte es daher selbstverständlich sein stadtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und ihre Planungen auf dem Gelände entsprechend zu modifizieren. Dies ist – wie die Ergebnisse des städtebaulichen Werkstattverfahrens gezeigt haben – durchaus möglich.

Der Integrationsrat hatte seinerzeit angeregt ein Mahnmal aufstellen zu lassen.

Neben dem Integrationsrat und der IG-Keupstraße setzen sich die Initiative "Keupstraße ist überall" und die Initiative "Tribunal NSU-Komplex auflösen" mit unterschiedlichen Strategien für den Denkmalstandort Ecke Keupstraße/Schanzenstraße ein.

Ganz offensichtlich gibt es in der Öffentlichkeit Unklarheiten zum formalen Sachstand einer Umsetzung des Denkmals am Standort Ecke Keupstraße/Schanzenstraße, sowie der Einbeziehung der Eigentümergemeinschaft in den Diskussionsprozess.

Zur Sachlage

Das Gelände wurde von der Eigentümergemeinschaft vor circa 21 Jahren im Jahr 1998 erworben und sollte perspektivisch anderweitig genutzt werden.

  1. Der Stadtentwicklungsausschuss beschließt am 18. September 2015 die Verwaltung zu beauftragen, das Werkstattverfahren zur Entwicklung der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs in Mülheim aufzunehmen.
  2. Das Städtebauliche Werkstattverfahren ehemaliger Güterbahnhof Köln-Mülheim/ Schanzenstraße nennt im Oktober 2015 unter "4.2 Planungsziele" als einen von fünf Leitgedanken: "Städtebauliche Akzentuierung der Eingangssituation Schanzenstraße/Keupstraße, zum Beispiel durch einen großzügigen stadträumlichen Auftakt als öffentlicher Platz oder Grünfläche" beziehungsweise unter 4.5 Freiflächen.
    Im Quartier soll später ein "Erinnerungsort" gestaltet werden, der auf das Bombenattentat in der Keupstraße im Jahr 2004 verweist. Dieser könnte beispielsweise auf einem Platz- oder Freiraum an der Keupstraße eingerichtet werden, Standorte hierfür können vorgeschlagen werden. Für das Mahnmal selbst soll später ein eigener Wettbewerb durchgeführt werden.
  3. Im Ratsbeschluss im Dezember 2015 zum künstlerischen Wettbewerbsverfahren zur Findung eines geeigneten Denkmalentwurfs wurde zum Standort eines Denkmals ausgeführt: "Der Rat … beschließt, dass das Denkmal in der Keupstraße beziehungsweise in ihrer unmittelbaren Nähe aufgestellt werden soll. Einen sehr guten Standort für das Denkmal stellt der infolge der Neugestaltung des alten Güterbahnhofs Ecke Keupstraße/Schanzenstraße entstehende neue Eingangsbereich dar. Über den endgültigen Standort wird der Rat zusammen mit dem Beschluss über den künstlerischen Entwurf des Denkmals gesondert beschließen."
  4. Die Dokumentation zum städtebaulichen Werkstattverfahren im April 2016 stellt Entwürfe der Zwischenpräsentation und Entwürfe der Abschlusspräsentation vor. Zwei der vier Planungsbüros hatten Planungskonzepte mit Freiräumen am Standort Keupstraße/Schanzenstraße, auch im Hinblick auf einen möglichen Birlikte-Platz beziehungsweise die Platzierung eines Denkmals, vorgeschlagen. Das später prämierte Planungsteam RKW hatte im Mai, Juni und August 2015 bei mehreren seiner ersten Entwürfen ebenfalls einen Freiraum an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße vorgeschlagen! 
  5. Prämiert wurde allerdings im April 2016 ein Entwurf des Planungsteams RKW Architektur, der an dieser Stelle eine Eckbebauung vorgeschlagen und keinen Platz für ein mögliches Denkmal vorgesehen hatte. Der Vorsitzende des Beratungs- und Begleitgremiums, Herr Professor Wachten sieht unter anderem die Notwendigkeit folgender Überarbeitung des Entwurfes: Am Übergang zur Keupstraße, im Kreuzungsbereich mit der Schanzenstraße soll der Entwurf räumlich mehr Luft lassen. Ein Zurückrücken der Gebäudefront soll einen leichten Versatz in der Bauflucht erzeugen. Hier kann dann auch ein geeigneter Ort für das Mahnmal entstehen.
  6. Die Eigentümer des in Rede stehenden Grundstücks waren entgegen eines anderslautenden Berichtes im Express während des gesamten städtebaulichen Werkstattverfahrens stimmberechtigtes Mitglied im Beratungs- und Begleitgremium und hatten damit Kenntnis über die alle diskutierten Planungsziele, Vorschläge der Planungsteams zum Mahnmalstandort et cetera.
  7. Es gibt keine abschließende politische Entscheidung des Stadtentwicklungsausschusses beziehungsweise Rates über einen Bebauungsplan zu dem in Rede stehenden Gelände an der Keupstraße/Schanzenstraße.
  8. Zwar gibt es einen Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses vom 23. Juni 2016 "Städtebauliches Planungskonzept Ehemaliger Güterbahnhof, in Köln-Mülheim - Vorgaben zur Ausarbeitung des Bebauungsplan-Entwurfes" - allerdings wurde hierbei das Gelände Keupstraße/Schanzenstraße ausgenommen.

Die Verwaltung bestätigt dies in ihrer Antwort an den Integrationsrat im Mai 2018:

Der Siegerentwurf mit seinen Überarbeitungsempfehlungen des Beratungs- und Begleitgremium wurde vom Stadtentwicklungsausschuss mit einem sogenannten Vorgabenbeschluss am 23. Juni 2016 bestätigt. Der Siegerentwurf ist damit Vorgabe beziehungsweise Grundlage für den Bebauungsplan, der das gewünschte städtebauliche Konzept in planungsrechtliche Verbindlichkeiten übersetzt. Da aber wie bereits erwähnt, der Bebauungsplan die Flächen direkt an der Keupstraße nicht einbezieht, bezieht sich dieser Beschluss nur auf die rückwärtigen Flächen an der Schanzenstraße. Dies könnte mit der Aufstellung eines eigenen Bebauungsplans durch die Politik nachgeholt werden. Formal rechtlich ist somit das Wettbewerbsergebnis für die bauliche Entwicklung der Teilfläche an der Keupstraße bislang weder für den Rat noch die Eigentümergemeinschaft bindend.

Zusammenfassend hat die Verwaltung zum Stellenwert des städtebaulichen Werkstattverfahrens und des weiteren Verfahrens zum Gelände Keupstraße/Schanzenstraße in der Beantwortung an den Integrationsrat im Mai 2018 dargestellt,

  • dass das Wettbewerbsergebnis für die bauliche Entwicklung der Teilfläche an der Keupstraße bislang weder für den Rat noch die Eigentümergemeinschaft bindend ist, 
  • dass vor der Bebauung der Fläche seitens der Eigentümer ein Bebauungsplanverfahren angestoßen und in diesem Rahmen gemäß Baugesetzbuch die Öffentlichkeit beteiligt werden muss (die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung abgegebenen Stellungnahmen sind Gegenstand einer Abwägung bei der Entscheidung über den Bebauungsplan)
  • dass der Rat abschließend über den Bebauungsplan entscheidet.
Ratssitzung 15. Dezember 2015 Beschlussvorlage Planungskonzept ehemaliger Güterbahnhof – siehe Anlage 1 Vorlage 1147/2018 – siehe Antworten zu den Fragen 3 und 5