Preisträgerin des Friedrich-Vordemberge-Stipendiums 2021

© Daniel Poštrak
Heike Kropff, Laudatorin

Laudatio, vorgetragen von Heike Kropff,  Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

 

Liebe Magdalena Los, sehr geehrte Damen und Herren,

"wann bewerten wir Kunst nach ihrem Inhalt und wann nach ihrem Kontext?" (Magdalena Los 2020)

Mit dieser Frage sahen sich die Mitglieder der Jury bei der Durchsicht der Bewerbungsunterlagen konfrontiert. Gestellt hatte sie uns Magdalena Los, die diesjährige Preisträgerin des Friedrich-Vordemberge-Stipendiums für Bildende Kunst der Stadt Köln. Und auch die zunächst freundlich wirkende Ansprache "Dear Jury", die die Künstlerin in einem duplizierten Portfolio in ausgewiesen "analoger" und "digitaler" Form meinen Kolleg*innen und mir zu teil werden ließ, klang auf den zweiten Blick wie eine Warnung, an alle, die sich ihren Kunstwerken kritisch annähern wollen.

"I like giving people what they want, but not what they thought they wanted!" (Magdalena Los, 2020)

Dennoch/oder gerade deshalb fühle ich mich heute sehr geehrt stellvertretend für die Fachjury, namentlich Astrid Bardenheuer, Gail Kirkpatrick und Camillo Grewe, die Laudation für Magdalena Los halten zu dürfen.  

Magdalena Los wurde 1987 geboren. Sie studierte bis 2018 an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg bei den Künstler*innen Jutta Koether und Werner Büttner sowie bei der Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin Astrid Mania. Sie lebt in Köln.

Wenn sie Weiteres oder Entfernteres zu Magdalena Los erfahren wollen, so empfehle ich Ihnen den Besuch der Homepage der Künstlerin www.magdalenalos.com. Dort finden sie ausschließlich Texte, die aus wechselnden Perspektiven Magdalena und ihre Profession beschreiben. Einblicke in ihr Studio scheint eine Serie von digitalen Malereien zu bieten, die die Künstlerin 2020 im Kontext des Hamburger Arbeitsstipendiums der Sammlung Falckenberg entwickelte. Wahlweise auf der als analog oder digital titulierten Fassung entdecken sie zum Beispiel den Sammler Harald Falckenberg nebst Hund, Bücher von Thomas Piketty (Das Kapital) und Detlev Arens (Das Wasser von Köln – Streifzüge durch Natur, Kultur und Geschichte).

Neben Ansprache und Statement, Text und Betitelung zeichnen abbildhafte Bezugssysteme aus Kunst, Wissenschaft und Alltag Magdalena Los‘ Arbeiten aus. Auffällig sind ihre grafischen, in Duktus und Komposition nahezu malerisch anmutenden Arbeiten. Zentral und entscheidend für ihre künstlerische Produktion sind die zahlreichen Bilder, deren Ursprung sich digitalen Prozessen verdankt, wobei der Bildschirm als Arbeitsfläche dient. Die gleichermaßen glatte wie subversive digitale Malerei von Magdalena Los wirft Fragen auf: Warum nutzt die Künstlerin in einer fast verbissenen Verschränkung analoge und digitale Produktionsweisen/Ästhetiken? Wiederholt sie damit die oft gestellte Frage, ob eine echte und eine unechte Kunst zur Diskussion stehe? Überprüft sie gegenwärtige Produktions- und Rezeptionsgewohnheiten, die Authentizität sowohl im digitalen als analogen Raum bescheinigen? Spielt sie das Digitale gegen das Analoge aus? Und umgekehrt? Oder stellt sie in dieser Verwirrung der Bezugssysteme ein anderes Verhältnis von Inhalt und Kontext her? Bei meinen Recherchen zu Magdalena Los stieß ich auf einen Instagram-Post vom 23. November 2020. Es war zu Beginn des zweiten Shutdowns. Angekündigt wurde die Ausstellungsbeteiligung der Künstlerin im Ausstellungsraum PIK in Köln: "Business with Los coming up." Die Künstlerin thematisiert in ihrem Ausstellungsbeitrag die Produktionsbedingungen von Kunst, indem sie dem großformatigen Werk einer Kollegin eine kleinformatige Kontrahentin hinzufügt. Aus dem gleichen Material, in der gleichen Fertigungstechnik erstellt, frisst sich ein Mund wie eine Wunde in die Bodenarbeit der Künstlerkollegin hinein. Ein Kommentar zur ungleichen Verteilung von Produktionsbudgets: plakativ und radikal, unmittelbar, raumgreifend und erlebbar.

Ebenfalls im zweiten Shutdown entstand das "parasitäre Ausstellungsformat @".

"Es ist doch nicht zuviel verlangt, dass eine, der die Hände so gebunden sind, wenigstens die Zunge frei habe" (Magdalena Los, 2021)

kommentiert Los ihre eigene Arbeit. Sie inszeniert digitale Malereien in realen, für diesen Zweck digital gemalten Galerieräumen. Mit diesen digitalen Inszenierungen in realen Räumen setzt die Künstlerin die bisherige Ausstellungspraxis außer Kraft. Sie erobert sich dadurch Sichtbarkeit, befreit sich von Selektionsprozessen und thematisiert ein weiteres Mal die Kontextualisierung von Kunst und Kunstschaffen.

Überzeugt hat Magdalena Los die Jury durch eine intelligente Radikalität, die brisante Fragen zur Kunstbetrachtung und -bewertung im Zeitalter der Digitalisierung aufgreift und tiefgründig reflektiert. Mit einer künstlerischen Produktion von sowohl sehr sinnlicher als auch höchst anspruchsvoller konzeptueller Qualität konfrontiert Magdalena Los alle Kunstinteressent*innen mit unbequemen Fragen, die das Verständnis von Kunst aktuell und sicherlich in der Zukunft intensiv beschäftigen wird.