Das Inklusive Kölner Haus wurde mit dem Kölner Innovationspreis Behindertenpolitik ausgezeichnet.
Preisverleihung im VHS-Forum am 8. Dezember 2017
In diesem Jahr wurde der Kölner Innovationspreis Behindertenpolitik (KIB) zum achten Mal verliehen. Die Preisverleihung fand im FORUM Volkshochschule im Rautenstrauch-Joest-Museum statt. Die über 250 Gäste wurden in Vertretung der Oberbürgermeisterin Henriette Reker durch Dr. Harald Rau, Dezernent für Soziales, Integration und Umwelt, begrüßt.
Die 22 Bewerbungen für den KIB kamen aus den Bereichen:
- Mobilität und Freizeit
- Gesundheit
- Wohnen
- Umwelt
- Arbeit
- Sport
- Kinder- und Jugendhilfe
- Kunst und Kultur
Der mit 2.000 Euro dotierte erste Preis wurde an das Projekt "Inklusives Kölner Haus" vergeben. Die Lobrede hielt Michael Paetzold, Vorsitzender des Ausschusses Soziales und Senioren.
Den zweiten Preis sowie 1.500 Euro erhielt das Projekt "Mit Bus und Bahn unterwegs – Tipps in einfacher Sprache". Die Lobrede hielt Ute Palm, Mitglied der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik.
Die beiden dritten Preise sowie jeweils 750 Euro erhielten die Projekte "Barrierefreies Einkaufen in Ehrenfeld" und "RapWerkstatt". Die Lobreden hielten Dr. Harald Rau und die diesjährige Schirmherrin, die Kölner Schauspielerin Annette Frier.
Außerdem wurden die Projekte MAD Pride Parade Köln, Kölner Mehrgenerationen-Varieté und Inklusives Schwimmfest belobigt.
Im Interview mit Natalie Dedreux, einer jungen Journalistin mit Down-Syndrom, erzählte Annette Frier über ihre Rolle im Film "Nur eine Handvoll Leben", für den sie 2016 mit dem Medienpreis BOBBY der Bundesvereinigung Lebenshilfe ausgezeichnet wurde. Der Film handelt vom Umgang einer Frau mit der Mitteilung, dass sie ein schwerbehindertes Kind erwartet.
Als musikalischer Höhepunkt des Abends präsentierte die RapWerkstatt drei Songs ihres Repertoires.
Preisträger*innen 2017
1. Preis: Inklusives Kölner Haus
2013 schlossen sich Kölner Eltern und deren Kinder mit Behinderung zusammen. Sie gründeten den Verein inklusiv wohnen Köln e. V. und überlegten, wie inklusives Wohnen in Köln denkbar ist. So entstand die Idee des Inklusiven Kölner Hauses, das inzwischen als Modellprojekt des Landes NRW (Projektförderung experimenteller Wohnungsbau) anerkannt ist.
In den folgenden Jahren entstand in Kooperation mit der GAG Immobilien AG auf dem Sürther Feld in Köln-Rodenkirchen ein barrierefreies Zuhause für:
- Menschen mit und ohne Behinderung
- Alleinerziehende
- Senioren und Studierende
Menschen mit Behinderung waren von Anfang an maßgeblich am Projekt beteiligt. Ihre individuellen Wünsche und Vorstellungen flossen in die Planung mit ein. Das Haus wurde am 15. Oktober 2017 bezogen.
Herzstück des Hauses sind zwei inklusive Wohngemeinschaften, in denen Menschen mit Behinderung und Studierende nach dem Modell "Wohnen für Hilfe" in echter Hausgemeinschaft zusammenleben – und das auch bei einem erhöhten Pflegebedarf.
Inzwischen sind 30 Mieterinnen und Mieter in das Haus eingezogen und leben nun echte Inklusion. Dazu gehören neben den Menschen mit Behinderung und den Studierenden auch Familien und alleinstehende Personen. Die Zusammensetzung der Bewohnerinnen und Bewohner ist bislang einzigartig in Köln.
2. Preis: Mit Bus und Bahn unterwegs – Tipps in einfacher Sprache
Die Kölner Verkehrs-Betriebe AG und die Kölner Koordinierungs-, Kontakt- und Beratungsstellen bieten seit einigen Jahren gemeinsam spezielle Mobilitätstrainings für Menschen mit einer geistigen Behinderung/Lernschwierigkeiten an. Aufgrund der großen Nachfrage und der vielen positiven Rückmeldungen entwickelte sich die Idee, Tipps und Erfahrungen in einer Broschüre zusammen zu fassen.
Dazu wurden insgesamt 81 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer geistigen Behinderung/Lernschwierigkeiten und Mobilitätseinschränkung während und nach den Trainings befragt, welche Informationen für sie besonders wichtig waren, um Busse und Bahnen in Köln nutzen zu können. Die am häufigsten genannten Informationen wurden als Tipps für die Broschüre ausgewählt. Texte und Bilder wurden unter anderem von fünf Testpersonen mit einer geistigen Behinderung/Lernschwierigkeiten und/oder körperlichen Behinderung gelesen und auf Verständlichkeit geprüft.
Die Broschüre wurde zusammen mit den Testlesern in einer Presseveranstaltung von KVB und KoKoBe vorgestellt. Dazu gab es im WDR Fernsehen einen Kurzbeitrag in der Lokalzeit Köln.
Besonderheit des Projektes ist, dass Erfahrungen von Menschen mit einer geistigen Behinderung/Lernschwierigkeiten und deren Beschreibungen in einfacher Sprache großen Nutzen für viele andere Personengruppen haben, wie zum Beispiel:
- Menschen mit wenig oder schlechten Deutschkenntnissen
- Fahrgäste mit Kinderwagen
- Seniorinnen und Senioren mit Unsicherheiten
Seit Januar 2016 wurden insgesamt 7.500 Broschüren in drei Auflagen gedruckt. Ziel ist, die Broschüren möglichst vielen interessierten Menschen mit und ohne Behinderung niederschwellig und kostenlos zugänglich zu machen. Aus diesem Grund liegen sie in allen KVB Kundenzentren, allen KoKoBe und an vielen anderen öffentlichen Orten, wie zum Beispiel in den Bürgerzentren, aus und können sowohl von Einzelpersonen als auch von Institutionen angefordert werden. Darüber hinaus steht die Broschüre auf den Internetseiten von KVB und KoKoBe Köln zum Herunterladen bereit.
3. Preis: Barrierefreies Einkaufen in Ehrenfeld - eine Erhebung
Das Projekt Inklusion in Ehrenfeld beschäftigt sich mit den Barrieren des Alltags im Stadtteil Ehrenfeld. Getragen wird das Projekt durch die Steuerungsgruppe, in der sich regelmäßig Menschen mit und ohne Behinderung sowie Vertreterinnen und Vertreter von Einrichtungen aus dem Stadtteil treffen. Die Treffen finden immer barrierefrei statt.
Neben den Barrieren bei Verkehr und Mobilität rückt besonders die Einkaufssituation in den Fokus. Hier geht es zum einen um die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfes, zum anderen aber auch um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, um Auswahlmöglichkeiten, Kontaktpflege, Begegnungen, Selbstbewusstsein und selbstbestimmtes Leben. Dazu wurde ein Fragebogen entwickelt, der Barrieren in Geschäften und Ladenlokalen abfragen und aufzeigen sollte.
Bei der Befragung auf der Ehrenfelder Haupteinkaufsstraße Venloer Straße wurde die Projektgruppe durch Studentinnen des Projektes Service Learning der Universität zu Köln unterstützt. Bei der Mehrheit der Geschäfte und Ladenlokale zeigte sich ein großer Veränderungs- und Verbesserungsbedarf beim Thema Barrierefreiheit.
Die Ergebnisse der Befragung wurden in einer Präsentation aufbereitet und in einer von der Projektgruppe angesetzten Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Ziel der Pressekonferenz war es, einen konstruktiven Prozess mit den Geschäftsleuten in Ehrenfeld anzuregen. Aus diesem Grund ging der Interessengemeinschaft Ehrenfelder Geschäftsleute eine gesonderte Einladung zu.
Neben einem breiten Presseecho bot die Interessengemeinschaft Ehrenfelder Geschäftsleute auf der Pressekonferenz ihre Zusammenarbeit an, um gemeinsam eine schrittweise Umsetzung der Ergebnisse zu mehr Barrierefreiheit zu erreichen.
3. Preis: Projekt RapWerkstatt für sogenannte Junge Wilde
Die GWK GmbH bietet maßgeschneiderte Bildungs-, Arbeits- und Wohnangebote für Menschen mit und ohne Behinderung in und um Köln. Das Projekt "RapWerkstatt" der GWK Werkstatt Bergisch Gladbach richtet sich an die Zielgruppe der sogenannten Jungen Wilden.
Die Jungen Wilden sind erwachsene Personen, oft mit großen Konzentrations- und Ausdauerproblemen im Lern- und Arbeitsverhalten. Sie benötigen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und sind sehr schwierig bis gar nicht in den Arbeitsprozess zu integrieren. Dies stellt das Personal der GWK Werkstatt Bergisch Gladbach vor immer neue Herausforderungen, da die Jungen Wilden mit herkömmlichen Betreuungsstrategien meist nicht zu erreichen sind. Es besteht die Gefahr, dass sie mangels passender Angebote durch das Netz der Werkstatt fallen und dann ausgegliedert werden.
Um ihnen ein adäquates Angebot zu bieten, wurde die RapWerkstatt ins Leben gerufen. Durch einen externen Dozenten der Offene Jazz Haus Schule Köln lernen die Teilnehmenden den Umgang mit Tönen, Mikrofon und Mischpult. Gleichzeitig werden Sozialkompetenzen geschult.
Bei den wöchentlichen Proben werden neue Ideen besprochen, Beats gemischt und Texte geprobt. Alle Texte und Beats kommen von den Teilnehmenden, die Unterstützung bei der Umsetzung erhalten. Auch die Organisation der Proben und Auftritte liegt größtenteils in ihren Händen. Die Themen für die Tracks reichen von Familie über Arbeit bis hin zu Freundschaften fürs Leben.
Das Projekt wird nach und nach immer professioneller und ist durch öffentliche Auftritte inzwischen weit über die Werkstattgrenzen hinaus bekannt. Mittlerweile existiert ein Repertoire von 12 Liedern, so dass damit ein 45-minütiger Auftritt absolviert werden kann.
Belobigungen
Folgende Projekte wurden belobigt:
- Bündnis der MAD Pride Parade Köln für die "MAD Pride Parade Köln"
- Zentrum für Bildung und Kultur e. V. / Bürgerzentrum Deutz für das "Kölner Mehrgenerationen-Varieté"
- DJK Sportverband Köln e. V. und Gemeinnützige Werkstätten Köln für das "Inklusive Schwimmfest"