Teil 2 der Serie zum 90-jährigen Jubiläum des Rheinischen Bildarchivs

Als der Kunsthistoriker Dr. Josef Boymann (1894 bis 1966) im Mai 1926 seine Tätigkeit als erster Direktor des Rheinischen Bildarchivs aufnahm, fand er die Objekt- und Raumaufnahmen aus der Jahrtausendausstellung als Grundstock der Sammlung vor. Schon 1927 übernahm das RBA das Fotoatelier des Kunstgewerbemuseums - heute Museum für Angewandte Kunst Köln - mit technischen Geräten und etwa 13.000 Negativplatten. Die fotografische Dokumentation architektonisch wichtiger Gebäude war zu diesem Zeitpunkt in Köln bereits 36 Jahre lang Praxis und wurde erst vom Historischen Museum und später vom Stadtkonservator durchgeführt.

Josef Boymann war vor seiner Übersiedlung nach Köln Leiter der Photographischen Abteilung im Bildarchiv Foto Marburg gewesen. Im Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft (1/1924, Seiten 273 ff.) veröffentlichte er einen Bericht, aus dem seine Auffassung zur Funktion der Fotografie im kunsthistorischen Kontext hervorgeht. Er hatte als Wissenschaftler den Anspruch, dass die Fotografie ein Ersatz für die Gegenstände selbst sein könne, um Vergleiche zwischen Objekten verschiedener Orte zu ermöglichen und dadurch kunsthistorische Beziehungen oder Verwandtschaften zwischen Kunstwerken erkennbar zu machen. Die technisch gute Ausführung, die Wahl des richtigen Standpunkts und das Wissen um Licht und Schatten waren für ihn Mittel zu diesem Zweck.

© Rheinisches Bildarchiv Köln, RBA 028032

Josef Boymann erweiterte die Sammlung durch gezielte Fotokampagnen. Das RBA führte sowohl in den Kölner Museen als auch außerhalb Kölns, beispielsweise im Xantener Dom oder Essener Münster, Fotokampagnen durch. In der Universitätsbibliothek Marburg ist die Korrespondenz zwischen Boymann und seinem ehemaligen Lehrer und früheren Vorgesetzten, dem Leiter des Bildarchiv Foto Marburg Richard Hamann, erhalten (Nachlass Richard Hamann, Ms. 1026 B Boymann). Die Briefe Hamanns an seinen Schüler zeigen, wie sehr er dessen Fotografien wertschätzte. Boymann wie auch Hamann standen nämlich persönlich hinter der Kamera. Bisher sind noch nicht alle seine Fotografien im Bestand des Rheinischen Bildarchivs identifiziert. Durch neue Recherchen für die Jubiläumsausstellung "90 Jahre Rheinisches Bildarchiv. Fotografien für Köln und die Welt" im November 2016 konnte eine weitere Fotokampagne Boymanns nachgewiesen werden.

Richard Hamann erwähnte in seinem Brief vom 11. Mai 1929 zwei Aufnahmen, die Josef Boymann angefertigt hatte. Es handelte sich um Aufnahmen der so genannten Mathildenkreuze im Essener Münsterschatz. Die eine zeigt den Mittelteil mit dem Gekreuzigten des um 973/982 im Rheinland entstandenen Vortragekreuzes von Herzog Otto und der Äbtissin Mathilde (RBA 028032).

Hamann verglich Boymanns Fotografien mit denen, die Albert Renger-Patzsch für das 1929 erschienene Buch "Das Münster in Essen" von Kurt Wilhelm Kästner (Abbildung 41 Mathildenkreuz) aufgenommen hatte, und äußerte sich über die hohe fotografische Qualität von Boymanns Arbeiten. Boymanns Aufnahme weist eine prägnante Beleuchtung von schräg rechts vorne bei gleichzeitig hohem Detailreichtum auf, so dass beispielsweise die antiken Gemmen als solche klar erkennbar sind. Die Fotografie erfüllt die von Boymann postulierte Stellvertreterfunktion der Fotografie - es ist die Aufnahme eines "Kunsthistoriker-Fotografen" mit dem Zweck, die Forschung zu unterstützen. Darüber hinaus ist es auch eine ästhetisch schöne Aufnahme.

Erst durch das Schreiben von Hamann konnten diese Glasnegativplatte und mit ihr die gesamte im Essener Münsterschatz entstandene Serie als eigenhändige Fotografien von Josef Boymann identifiziert werden. Das entsprechende Inventarbuch verrät - wie zu dieser Zeit üblich - keinerlei Angaben zum Fotografennamen. Durch Hamanns Brief kann zudem das Entstehungsdatum der Aufnahmen durch das Schreiben eingegrenzt werden auf einen Zeitraum zwischen 1926 und Frühjahr 1929.

Dr. Johanna Gummlich

Vortragskreuz der Äbtissin Mathilde in der Bilddatenbank "Kulturelles Erbe Köln"