Im Hochsommer zieht es die Kölner in die zahlreichen öffentlichen Schwimmbäder und umliegenden Baggerseen hinaus. Nur wenige von ihnen wissen, dass bereits seit der Antike eine lebendige Badekultur in Köln bezeugt ist. Während des 1. bis 3. Jahrhunderts gingen die Bürgerinnen und Bürger in die öffentlichen Thermen an der Cäcilienstraße, nahe dem späteren Cäcilienkloster oder in die Richmodisstraße. Im Mittelalter suchten sie eine der zwölf Badestuben in der Innenstadt auf.

Allerdings kam dann zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert der öffentliche Badebetrieb fast gänzlich zum erliegen, da die Badehäuser in den Ruf gelangten, die Keime der neu aufgetauchten Krankheit Syphilis zu übertragen.

 

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte der öffentliche Badebetrieb zögerlich wieder ein, zunächst in einigen Rheinbadeanstalten und Rheinbadeschiffen, ab 1885 im neu erbauten Hohenstaufenbad.

31 Jahre darauf wurde im Kölner Arbeiterviertel Ehrenfeld das Neptunbad an der Venloer Straße unter Planung des Stadtbau-Inspektors Johann Kleefisch errichtet. Auf unserem Foto RBA 073522 aus den Anfangsjahren der im Jugendstil erbauten Badeanstalt ist im Anschnitt die große zweigeschossige Schwimmhalle zu sehen. Das 21,5 mal 9,5 Meter messende Schwimmbecken ist zweigeschossig von Umkleidekabinen umgeben, deren Wände mit handsignierten Kacheln der Firma Villeroy und Boch verkleidet sind. Große rundbogige Oberlichtfenster sorgen für ausreichendes Tageslicht, das auch unsere Aufnahme ermöglichte. Einige Männer und Jungen in Badehosen stehen zusammen mit Angestellten in Arbeitskleidung und einigen offiziell bekleideten Herren in Anzug und Zylinder am Beckenrand. Zwei Männer sind ins Wasser eingetaucht, weitere sitzen und stehen in luftiger Höhe auf zwei Sprungbrettern oder schauen oberhalb der Brüstung auf das Geschehen herab. Die durchtrainierten Körper der Badegäste und deren athletische Gesten lassen vermuten, dass es sich um Mitglieder des 1911 gegründeten "Ehrenfelder Schwimm-Vereins" handelt. Die Aufnahme ist gestellt, möglicherweise aus Anlass der Eröffnung oder Wiedereröffnung der Schwimmhalle. 1912 war die Decke oberhalb des Schwimmbeckens eingestürzt. Es hatte zwei Tode und mehrere Verletzte gegeben.

Das Foto suggeriert, dass der Badebetrieb nur den Männern vorbehalten war. Dieser Eindruck täuscht. In damaliger Zeit verboten Sitte und Anstand das gemeinsame Badevergnügen in den öffentlichen Anstalten. Demzufolge mussten sich im Neptunbad Männer und Frauen bis 1934 durch geregelte Zeiten in das eine Schwimmbecken teilen.

Über viele Jahrzehnte hinweg verlor das Neptunbad nicht an Anziehungskraft. Erst 1994 wurde der Badebetrieb aus bautechnischen Gründen eingestellt. Nach umfangreichen Sanierungen durch die neue Eigentümerin "Claudius Therme & Co." kam es 2002 zu einer Wideröffnung als "Premium Sport & Spa". Die große Badehalle wurde in einen Fitnessbereich umgewandelt, erhalten blieben die historischen Schwitzräume. Diese und weitere Innen- und Außenansichten des Neptunbads aus den Gründerjahren können Sie in unserer Bilddatenbank "Kulturelles Erbe Köln" ansehen.

Evelyn Bertram-Neunzig

Mehr zum Neptunbad in der Datenbank "Kulturelles Erbe Köln"