Anhand von drei Beispielen zeigen wir Ihnen, in welchem Zustand das geborgene Archivgut vorlag, und welche Arbeitsschritte zur Restaurierung erforderlich waren. Außerdem stellen wir Ihnen ein viertes, bislang nicht restauriertes Fundstück vor und verdeutlichen, wie komplex das Verfahren in einzelnen Fällen sein kann.
Verwaltungsakte aus dem Jahr 1982
Die Akte war stark deformiert und wies zahlreiche Knicke und Stauchungen auf. Daher mussten die einzelnen Blätter vor der Restaurierung kollationiert werden. Das bedeutet, die Akte auf Vollständigkeit und die richtige Seitenreihenfolge zu prüfen. Anschließend wurde die Akte auseinander genommen und alle Blätter wurden einzeln trocken gereinigt.
Um die geknickten Ränder zu glätten, mussten sie mit demineralisiertem Wasser besprüht, danach zwischen Polyestervliesen und Löschkarton eingepresst sowie getrocknet werden. Abschließend war es erforderlich, die Risse zu schließen und die Fehlstellen zu ergänzen. Dazu wurden verschiedene Japanpapiere (handgeschöpftes, durchscheinendes Papier) und Weizenstärkekleister verwendet.
Siegel des Kölner Verbundbriefes von 1396
Der Kölner Verbundbrief vom 14. September 1396 ist das grundlegende Verfassungsdokument der alten Reichsstadt Köln. Bürgermeister, Rat und Gemeinde in Form der 22 "Gaffeln" gaben sich eine neue Verfassung und beschlossen ein kompliziertes Verfahren zur Zusammensetzung des städtischen Rates. Der Rat sollte über alle Entscheidungen "mogich und mechtich" sein. Der Verbundbrief ist mit dem großen Stadtsiegel und den 22 Gaffelsiegeln besiegelt. Er wurde erst 1797 während der französischen Herrschaft in Köln förmlich außer Kraft gesetzt. Die eigentliche Urkunde des Kölner Verbundbriefes wurde durch den Einsturz kaum beschädigt, die empfindlichen Siegel sind hingegen zerdrückt und nahezu zerstört worden.
Vor der Restaurierung wurden die Fragmente anhand alter Fotografien so weit wie möglich dem jeweiligen Siegel zugeordnet. Die Bruchkanten wurden mit eingefärbtem, flüssigem Bienenwachs bestrichen, so dass die Teile angesetzt werden konnten. Leider standen von vielen Siegeln nur wenige Stücke zur Verfügung. Das machte es notwendig, die verbliebenen Zwischenräume ebenfalls mit Bienenwachs zu ergänzen.
Pergamenthandschrift von Albertus Magnus
Das nächste Beispiel zeigt eine Pergamenthandschrift von Albertus Magnus aus dem 13. Jahrhundert. Es handelt sich um einen Ganzlederband mit rotem Ziegenleder und Holzdeckeln, der mit zwei Schließen und Beschlägen aus Messing ausgestattet ist.
In diesem Fall wurden bei früheren Restaurierungen verschiedene Teile des Buches ergänzt beziehungsweise erneuert. So wurde zum Beispiel der ursprüngliche Rücken durch Pergament ersetzt. Gerade dieser Rücken war durch die Wucht des Einsturzes komplett durchgerissen und bildete den Hauptschaden des Buches. Des Weiteren hatte das Einbandleder Kratzer und Abschürfungen. Sie zeichneten sich als helle Stellen deutlich vom Untergrund des roten Leders ab.
Zur Restaurierung waren folgende Maßnahmen nötig:
- Trockenreinigung
- Abnahme der Eckbeschläge
- Ablösen des Pergamentrückens
- Anheben der Spiegel
- Abnahme des Vorderdeckels und Ergänzung von Heft und Kapitalbünden
- Ergänzung der Pergamentfälze
- Ansetzen des Vorderdeckels
- Rückenleder färben und ansetzen
- Anfertigen neuer Schließen und Riemen
- Festigen und Retuschieren der aufgeschürften Lederpartien
Angefangen von der Trockenreinigung bis zur Retusche des Lederrückens wurden insgesamt etwa 32 Arbeitsstunden benötigt. Dabei nicht eingerechnet ist das Anfertigen einer Dokumentation inklusive Vorher- und Nachher-Fotos, die immer Bestandteil einer Restaurierung sind. Zu bedenken ist auch, dass dieses Buch in einem verhältnismäßig guten Zustand geborgen werden konnte.
Archivalien, die stärkere Schäden aufweisen und weitere Maßnahmen erfordern, benötigen oftmals mehr als 100 Arbeitsstunden.
Miniatur aus einer mittelalterlichen Handschrift
Die mittelalterliche Handschrift "Picturae sacrae" aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts enthält zahlreiche mehrfarbige Miniaturen:
- Passion und Verherrlichung Jesu
- Maria mit Kind
- Gnadenstuhl
- Ablassbild (Arma Christi mit Schmerzensmann)
- Werke der Barmherzigkeit
Die dargestellte Buchmalerei zeigt eine Szene aus der Passion Christi. Da sich der Betonstaub auf nahezu allen Buchseiten abgelagert hat, ist auch diese Miniatur betroffen. Wie auf dem unteren Bild im Detail zu erkennen, sind in den grünen Bereichen bereits Teile der Malschicht abgeplatzt. Hierbei handelt es sich allerdings um alte Schäden. Neueste Untersuchungen an der Fachhochschule Köln, Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft, haben gezeigt, dass vor allem aus Pflanzen hergestellte Farbstoffe auf den Betonstaub reagieren.
Es kann zu Farbveränderungen oder Farbabweichungen kommen. Zudem wird die empfindliche Oberfläche der Miniatur durch den scharfkantigen Staub noch weiter geschädigt. Bei einer Reinigung kann deshalb nur mit sehr weichen Pinseln gearbeitet werden, wobei besonders darauf geachtet werden muss, keine weiteren der bereits losen Farbschollen zu entfernen. Auch kann unter Umständen eine Reinigung mit einem in Alkohol getränkten Wattebausch erfolgen. Hier sind jedoch vorher weitere Untersuchungen nötig, um zu testen inwieweit die Farben auf das entsprechende Lösungsmittel reagieren.
In jedem Fall muss die Miniatur nach der Reinigung konsolidiert werden. Das bedeutet, dass eine niedrigprozentige Klebstofflösung mit einem sehr feinen Pinsel oder tröpfchenweise über ein Dosiergerät auf die betroffenen Partien gegeben wird. Als Klebstoffe finden in der Regel Gelatine, Methylcellulose oder Hausenblase Verwendung. Hausenblase ist ein Fischleim.
Er wird in einem aufwändigen Verfahren aus der getrockneten Schwimmblase des Hausen, einer Störart, hergestellt. An diesem Beispiel wird deutlich, wie durch die Überlagerung von alten und einsturzbedingten Schäden komplexe neue Schadensbilder entstehen.