Zum dritten Mal wurde der Kölner Innovationspreis Behindertenpolitik (KIB) verliehen. Viele engagierte Gruppen, wie Selbsthilfegruppen, Elterninitiativen, Kölner Schulen, Sport - und andere Vereine sowie Einrichtungen der Behindertenverbände hatten Bewerbungen für den KIB eingereicht. Insgesamt wurden 27 Projekte vorgestellt.
Die Jury - bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Verwaltung, Rat, der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik sowie dem bekannten Musiker, Moderator und Diplom-Pädagogen Guildo Horn als Person des öffentlichen Lebens - hat aus diesen Projekten die Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt. Die Jury vergab in diesem Jahr zwei erste Preise und einen zweiten Preis.
Es wurden insgesamt wieder Preisgelder in Höhe von 5.000 Euro vergeben. Dabei gab es für die beiden ersten Plätze jeweils 2.000 Euro und für den zweiten Platz 1.000 Euro.
Außerdem erhielten vier weitere Projekte eine Belobigung.
Die feierliche Verleihung der Preise fand am 9. November im Rathaus statt.
Bei der Auswahl der Projekte war der Jury wichtig, dass die Kriterien des KIB eingehalten wurden:
- Menschen mit Behinderung sind als Expertinnen und Experten in eigener Sache am Projekt beteiligt.
- Das Projekt fördert und verbessert die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Köln.
- Der Erfolg der Arbeit ist bereits in der Praxis sichtbar.
- Die Auswirkungen des Projekts sind über einen längeren Zeitraum spürbar.
Alle Siegerprojekte haben darüber hinaus durch ihren inklusiven Ansatz überzeugt.
1. Preis: Mittendrin e. V.
Der im November 2006 gegründete Elternverein Mittendrin e. V. setzt sich für die vollständige Integration behinderter Kinder ein. Er hat im November 2007 und im März 2010 den Kongress "Eine Schule für Alle" in Köln organisiert.
Hier ging es um die Integration in die Regelschule. Der Kongress zeigte, dass Gemeinsames Lernen keine Utopie ist, sondern an einzelnen Schulen in Deutschland seit langen Jahren erprobte und erforschte Praxis ist. Die Veranstaltungen stießen auf große Resonanz.
In einem umfangreichen Programm konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer:
- die Arbeit von Integrationsschulen informieren,
- Lerntechniken für besondere Bedürfnisse kennenlernen
- die rechtlichen Auswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention diskutieren
- konkrete Pläne schmieden für das inklusive Bildungssystem
Inzwischen hat sich die Bundesrepublik Deutschland durch die Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu verwirklichen.
Beide Kongresse zeigten aber auch, dass bei den betroffenen Eltern ein großer Bedarf nach Information, konkreter Beratung und Hilfe vorhanden ist. Aus diesem Grund hat der Verein eine Beratungsstelle eingerichtet.
Schwerpunkte der Arbeit in der Beratungsstelle sind die
- konkrete und individuelle Beratung betroffener Eltern,
- Hilfestellung bei der Suche nach integrativen Schulplätzen,
- Begleitung und Hilfestellung gegenüber den Schulbehörden.
Hierzu gehört beispielsweise die unterstützende Begleitung bei Gesprächen mit den jeweils beteiligten behördlichen Vertreterinnen und Vertretern, wie Schulrätinnen und Schluräten, im Verlauf der Einschulung und eines möglichen Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs.
Studentinnen und Studenten der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln haben für Mittendrin e. V. drei Kinospots gedreht, die für die Idee "Eine Schule für Alle ist die bessere Schule für alle Kinder" werben. Weil Kinder in erster Linie von Kindern lernen und weil in einer inklusiven Schule Kinder unterschiedlich sein dürfen und dort am besten gefördert werden.
"Eine Schule für Alle" zwingt das System Schule zur Abkehr vom Frontalunterricht, vom Lernen im Gleichschritt, vom bloßen Abhaken von Lehrplänen. Kein Kind wird beschämt, kein Kind zurückgelassen. In der Schule für Alle sind Kinder mit Behinderung selbstverständlich dabei, anstatt wie heute üblich, mit der Einschulung aus der Mitte der Gesellschaft in Sonderschulen zu verschwinden - ob sie wollen oder nicht.
"Eine Schule für Alle" ist für Menschen, die in deutschen Schulen aufgewachsen sind, nicht leicht vorstellbar. Deshalb sollen diese Kinospots möglichst vielen Menschen die Idee der Schule für Alle nahebringen.
Zurzeit wird ein Spot auch in vielen Kinos in NRW im Vorprogramm gezeigt. So erreichen diese Spots viele Menschen und bringen diese zum Nachdenken über Integration und Inklusion.
1. Preis: Zentrum für Bildung, Kultur und Integration gGmbH und Zentrum für Bildung und Kultur e. V.
Die Jury hat beschlossen, die beiden Projekte "Entwicklungsinsel" und "Integrativer Deutzer Circussommer" gemeinsam zu bewerten und für beide Projekte den 1. Preis auszusprechen.
Das Zentrum für Bildung und Kultur e. V. veranstaltet seit einigen Jahren mit großem Erfolg in enger Zusammenarbeit mit dem Bürgerzentrum Deutz den Deutzer Circussommer. Durch Zuschüsse der Kämpgen-Stiftung konnte im Jahr 2009 der Deutzer Circussommer erstmals integrativ durchgeführt werden.
Der Deutzer Circus-Sommer ist ein einwöchiges Ferienprojekt im Zirkuszelt. Die teilnehmenden Kinder erleben eine Woche Zirkus: beim Schnuppertag lernen sie die ganze Bandbreite des Zirkus kennen: Akrobatik, Clowns, Balancekunst, Zauberei, Jonglage, ... für jeden ist etwas dabei.
Dann entscheiden sie sich, was sie machen wollen. In den folgenden Tagen trainieren sie dann in zweistündigen Workshops. Jeder findet mit seinen individuellen Stärken und Schwächen seinen Platz. Das Knüpfen neuer Freundschaften geschieht dabei fast nebenbei. Eine gemeinsame Vorstellung und die gemeinsame Verabschiedung bilden den roten Faden der Show. An einem Samstag präsentieren die Kinder ihre erarbeitete Show in zwei öffentlichen Vorstellungen im Zirkuszelt.
Die Zentrum für Bildung, Kultur und Integration gGmbH beschäftigt als anerkannter Integrationsbetrieb derzeit 15 Menschen ohne und mit verschiedenen Behinderungen in den Arbeitsbereichen Küche, Service, Hausmeisterei und in der Verwaltung. Neben der Bewirtschaftung des Bistros im Bürgerzentrum Deutz und dem Durchführen von Caterings zu unterschiedlichen Veranstaltungen, versorgt der Betrieb zurzeit 13 Kindergärten und zwei Schulen mit gesundem Mittagessen.
Acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung arbeiten inzwischen in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Eine Vielzahl von jungen Personen mit Schwerbehinderung wurden und werden in verschiedenen Qualifizierungsmaßnahmen gezielt auf die verantwortliche Übernahme spezifischer Aufgabenbereiche vorbereitet.
Das Projekt "Entwicklungsinsel", das durch die RheinEnergie Stiftung gefördert wird, ermöglicht jungen Menschen mit Behinderung durch eine intensive, individuelle Förderung die Chance, einen optimalen Platz im Arbeitsleben und in der Gesellschaft zu erhalten. Durch die gute Vernetzung im Veedel bietet das Bürgerzentrum hierzu intensiv begleitete Praktikastellen für junge Menschen mit Behinderung oder mit psychischen Einschränkungen an.
Arbeit ist ein wichtiger Schritt zur Teilhabe am Leben, denn sie dient nicht nur dazu, den Lebensunterhalt sicherzustellen, sondern ist auch Basis für die eigene Selbstverwirklichung. Menschen mit Behinderung haben es doppelt schwer, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Daher ist dieses Projekt sehr wichtig.
2. Preis: KIMBIZA Musik Projekt "FEEL SOUNDS"
Das Projekt KIMBIZA Musik Projekt "FEEL SOUNDS" verfolgt mit ihrem Projekt "FEEL SOUNDS" MUSIK, RHYTHMUS, KLANG und BEWEGUNG mit GEHÖRLOSEN, SCHWERHÖRIGEN und HÖRENDEN mehrere Ziele:
- die Integration junger Menschen verschiedener Kulturen in die Gesellschaft,
- die Integration Gehörloser und Schwerhöriger in die die Gesellschaft der Hörenden und
- die Förderung der sozialen Strukturen zwischen Nichthörenden, Schwerhörigen und Hörenden. So werden auch Fragen behandelt wie "Wie ist Musik für Hörende?" oder "Wie ist Musik für Gehörlose und Schwerhörige?"
In einem regelmäßig wöchentlich stattfindenden Kurs erfahren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Klänge und Rhythmik. Gemeinsam wird darauf hingearbeitet, in einer öffentlichen Präsentation das Erlernte vorzuführen. Musikstücke können auch zusammen mit einem Chor durch Gebärdensprache und Bewegung dargestellt werden. Wichtig ist, dass es hier nicht um Musiktherapie geht. Am Ende des Kursus sollen die Teilnehmer gemeinsam musizieren, egal ob sie gut, schlecht oder gar nicht hören können.
Herz und Seele des Kimbiza Musik Projekt "FEEL SOUNDS" ist Yma América, die bereits 1977 im Rahmen der Recherche zu ihrer Projektarbeit erlebte, dass ein gehörloses Kind auf einer Party Musik machte und tanzte. Und zwar so perfekt, dass sie es nie bemerkt hätte, wenn es ihr nicht jemand erzählt hätte. Seit diesem Tag reifte die Idee in ihr, eines Tages ein solches Projekt anzustoßen.
Der Veranstaltungsort des Projekts ist das Kultur- und Bildungszentrum der Gehörlosen in Köln. Das Kulturzentrum verfügt über ein breites Angebot an verschiedene Aktivitäten für Gehörlose, Schwerhörige und Hörende aus allen Teilen der Bevölkerung. In diesem Rahmen bietet das Projekt "FEEL SOUNDS" den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, gemeinsam rhythmisch-musikalische Erfahrungen zu sammeln und sich dadurch weiter zu entwickeln. In dem Projekt hören die Teilnehmer nicht Musik, sondern sie "fühlen" sie gemeinsam.
Mit Hilfe professioneller Musikerinnen und Musikern erfolgt eine Aufführung in einem Kleinkunsttheater jeweils am Ende einer Kurseinheit. Sie ist wichtig, um den Gehörlosen und Schwerhörigen mehr Stellenwert im öffentlichen Bewusstsein zu geben. Vorurteile und Berührungsängste werden abgebaut, indem ihre rhythmischen Fähigkeiten sichtbar und hörbar werden.
Belobigungen
Folgende Projekte wurden belobigt:
- Projekt: "Zwölf Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung am Joseph-DuMont-Berufskolleg" des Joseph-DuMont-Berufskolleg in Kooperation mit der Gemeinnützigen Werkstätten Köln GmbH
- Projekt: Freizeitgruppen für Menschen mit Autismus des Verein autismus Köln/Bonn e. V./Projektgruppe Autismus
- Projekt: "Ökologische Nische - Lachemer Weg" der Sozial-Betriebe-Köln gemeinnützige GmbH
- Projekt: "Einmal Prinz zu sein - auch gehörlose Kinder brauchen Märchen" des Vereins pur pur Kultur e. V./Gehörlosen-Theatergruppe deaf5