Programm zum Gedenken an den Schriftsteller, Literaturnobelpreisträger und Ehrenbürger

Am 21. Dezember 2017 jährte sich der Geburtstag des 1985 verstorbenen Heinrich Böll zum 100. Mal. Zu Ehren des Kölners, der zu den bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellern der Nachkriegszeit gehört, 1972 den Literaturnobelpreis erhielt und dem 1983 die Kölner Ehrenbürgerwürde verliehen wurde, haben wir ein vielfältiges Programm zusammengestellt. Einige Höhepunkte stellen wir Ihnen nachfolgend vor.

Ehrenbürger Heinrich Böll

Kulturamt

Heinrich-Böll-Preis

Seit 1985 verleihen wir alle zwei Jahre den Heinrich-Böll-Preis (zuvor hieß er Literaturpreis der Stadt Köln). Er ist mit 30.000 Euro dotiert und ehrt jeweils ein literarisches Lebenswerk.

© Dörthe Boxberg

Der diesjährige Preisträger ist Ilija Trojanow, der

wie kaum ein anderer hiesiger Schriftsteller das politische Engagement von Heinrich Böll so konsequent und literarisch ambitioniert fortsetzt.

(Aus der Begründung der Jury)

Der Jury gehörten neben Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Rat und Verwaltung als Fachjuroren Professor Dr. Christof Hamann, Guy Helminger, Eva Menasse, Ulrich Peltzer und Andreas Platthaus an.

Die Verleihung fand am 24. November 2017 im Historischen Rathaus statt.

Lesung "im Geiste Heinrich Bölls"

Am 25. November 2017 machten eine Autorin und zwei Autoren unserer Gegenwart, Heinrich-Böll-Preisträgerin und -Preisträger früherer Jahre, Bölls Geburtstag zu einem Ereignis:

  • Jürgen Becker (1995)
  • Marcel Beyer (2001)
  • Eva Menasse (2013)

Sie setzten sich "im Geiste Heinrich Bölls" durch einen eigenen Text oder Beitrag mit ihm auseinander. Die Vorschläge der Autorinnen und Autoren ergaben ein vielfältiges Programm, das auch die Vielgestaltigkeit von Bölls Wirken widerspiegelte. Die Veranstaltung, die bei freiem Eintritt offen für alle Interessierten war, ermöglichte eine aktuelle Begegnung mit dem Werk Heinrich Bölls und vergegenwärtigte die Zeitlosigkeit seines Schaffens. Veranstaltungsort war das FORUM Volkshochschule.

Lesung "im Geiste Heinrich Bölls"

Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln-Cork e. V.

Irisches Tagebuch

Das "Irische Tagebuch" gehört sicher zu den liebenswürdigsten Büchern Bölls. Claudia Amm und Wilfried Schmickler präsentierten am 30. November 2017 sechs ausgewählte Kurzgeschichten, die dazu einluden, die irische Landschaft im Geiste entstehen zu lassen, deren Menschen kennenzulernen und vor allen Dingen auch herzhaft zu lachen. Heinrich Bölls Sohn Rene Böll ergänzte die Texte mit seinen eigenen Kindheitserinnerungen.

Den musikalischen Rahmen boten Musikerinnen und Musiker des Gürzenich-Orchesters.

Moderation: Schauspieler Gerd Buurmann

Stadtbibliothek Köln/Heinrich-Böll-Archiv

Der kluge Fischer

© Verlag C. Hanser

Die Stadtbibliothek führte in Kooperation mit dem Kölner Stadt-Anzeiger, dem Literaturhaus und dem Verlag C. Hanser zahlreiche Aktionen zum Kinder- und Jugendbuch "Der kluge Fischer" durch. Diesem liegt Heinrich Bölls Text "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral" zugrunde.

Erstmals gab es in Köln das "Junge Buch für die Stadt". Im Anschluss an die Matinee am 25. Juni 2017 im FORUM Volkshochschule, zu der auch eine Sonderausgabe des Buches erschienen war, folgten Aktionen in vielen Stadtbezirken.

Der kluge Fischer - Das junge Buch für die Stadt

EinSichtBöll

© Tripletrips/Fotoverleih Köln

Tripletrips zeigte im Rahmen der 17. Kölner Theaternacht am 2. Oktober 2017 eine Sicht auf den Schriftsteller, Autor, Politiker und Familienmenschen Heinrich Böll, die im Heinrich-Böll-Archiv nicht dokumentiert werden kann. Anhand eines Gespräches mit dem in Köln wohnhaften bildenden Künstler und Sohn René Böll wurden seine Beschreibungen zu einer erlebbaren Atmosphäre, vermittelten den Eindruck eines Menschen der Öffentlichkeit. Welche Melodie hatte seine Arbeit? Welcher Raum beschrieb den Charakter? Welches Märchen war sein Leben?

Buchpräsentationen

© Verlage Dietz, Kiepenheuer & Witsch und THEISS

Heinrich Böll und Willy Brandt sind Ikonen der bundesrepublikanischen Geschichte. Die Dokumentation "Mut und Melancholie" zeichnet erstmals ihr Verhältnis nach, das von tiefer Sympathie, gegenseitiger Unterstützung und politischer Selbstbehauptung geprägt war. Trotz eines Hangs zur Melancholie, den sie teilten, resignierten sie nie. Herausgeber Norbert Bicher, Jochen Schubert und Gabriele Ewenz haben sich am 28. September 2017 über das Buch ausgetauscht.

Am 18. Oktober 2017 wurde in Kooperation mit dem Verlag Kiepenheuer & Witsch ein bislang unbekanntes Kriegstagebuch von Heinrich Böll präsentiert: "Man möchte manchmal wimmern wie ein Kind". René Böll, dritter Sohn Annemarie und Heinrich Bölls, Jochen Schubert und Gabriele Ewenz gestalteten den Abend.

Zudem stellte am 7. November 2017 Jochen Schubert in einem Werkstattgespräch mit Gabriele Ewenz seine neue Böll-Biographie vor. Sie spürt Bölls Motiven, Themen und Leidenschaften nach und durchleuchtet seine komplexe Beziehung zwischen literarischer Arbeit und gesellschaftlichem Engagement.

Ilija Trojanow zu Gast

© Robert Bosch Stiftung/Yves Noir

Am 23. November 2017, dem Vorabend der offiziellen Preisverleihung im Historischen Rathaus, sprach Ilija Trojanow mit Christof Hamann in der Piazzetta des Historischen Rathauses.

Christof Hamann ist Professor für Literaturwissenschaft und Fachdidaktik an der Universität zu Köln und Mitglied der Jury des Heinrich-Böll-Preises.

Weihnachten mit Literamus und Böll

© Stadt Köln/Erika Roettgen

Volker Hein las am 8. Dezember 2017 szenisch aus der köstlichen Satire "Nicht nur zur Weihnachtszeit" von Heinrich Böll in der Stadtteilbibliothek Rodenkirchen.

Der bekannte Kölner Künstler, ehemaliger Leiter des Horizont-Theaters, Ensemblemitglied in der Kölner Kammeroper und gefragter Rezitator, erzählte von der schrulligen Tante Milla, die nur dann glücklich ist, wenn sie jeden Tag Weihnachten feiert. Ihre Familie inszeniert das täglich für sie - zwei lange Jahre lang!

Heinrich Böll und die bildende Kunst

© Stadtbibliothek Köln
Arbeitszimmer von Heinrich Böll

Einer der Höhepunkte des Böll-Jahres ist vom 13. Dezember 2017 bis 17. Februar 2018 eine Ausstellung über ein bislang wenig beachtetes Thema: Heinrich Böll und die bildende Kunst. Hier geht es vor allem um die Frage, inwieweit sich der Autor mit bildkünstlerischen Aspekten auseinandergesetzt hat und welche Spuren diese in seinem Werk hinterlassen haben. Auch der mitunter enge Austausch zwischen Böll und seinen Künstlerfreunden wird erhellend untersucht. Begleitend zur Ausstellung erschien der fünfte Band der Schriftenreihe "lik" des Heinrich-Böll- und des LiK-Archivs sowie im Kontext der diesjährigen Verleihung des Heinrich-Böll-Preises der zweite Preisreden-Band.

Volkshochschule Köln

Literarischer Spaziergang

In der Kölner Südstadt verlebte Heinrich Böll den größten Teil seiner Kindheit. Auf dem Spaziergang am 20. September 2017 konnten Sie die Häuser, in denen die Familie wohnte, Bölls bevorzugte Spielplätze und viele weitere Orte, die auch in seinen Romanen eine zuweilen ganz spezielle Rolle übernommen haben, kennenlernen.

Die Literaturwissenschaftlerin Isa Schikorsky verband die Biografie des Nobelpreisträgers mit Zitaten aus seinen Werken.

Ende der Privatheit. Brauchen wir eine neue Reformation?

Die Reformation von 1517 ist undenkbar ohne die Medienrevolution des Buchdrucks. Sie hat Gesellschaft und Kultur fundamental verändert und das Individuum aus den Dogmen der Kirche befreit.

Heute ist es die Digitalisierung, die auf Gesellschaft und Kultur, auf unsere Haltung zur Welt einwirkt. Wird sie das Ende der Privatheit bringen, hat das Individuum ausgedient? Heinrich Böll forderte 1982 eine neue Reformation. Wie stellt sich die Situation heute angesichts der Medienrevolution und großen Konzernen wie Amazon, Apple und Facebook dar?

Der Verband deutscher Schriftsteller lud anlässlich des Lutherjahres 2017 und des 100. Geburtstages von Heinrich Böll zur Diskussionsveranstaltung am 15. Dezember 2017 ein.

Ende der Privatheit. Brauchen wir eine neue Reformation?

Literatur und Kunst am Vormittag

Im Mittelpunkt der sechs Termine stand das Werk von Heinrich Böll.

  • 14. November 2017
    Kreuz ohne Liebe (1946/1947), Haus ohne Hüter (1954)
  • 23. November 2017
    Billard um halb zehn (1959)
  • 28. November 2017
    Ansichten eines Clowns (1963)
  • 7. Dezember 2017
    Gruppenbild mit Dame (1971)
  • 12. Dezember 2017
    Fürsorgliche Belagerung (1979)
  • 21. Dezember 2017
    Frauen vor Flusslandschaft (1985)
Literatur und Kunst am Vormittag

Leseabend

Heinrich Böll hat das Bild des Schriftstellers als kritischen Zeitgenossen wie kein anderer geprägt. Seine politischen Einlassungen zu den Zuständen und Entwicklungen der Bundesrepublik Deutschland sind untrennbar mit seinen großen Romanen verbunden. Auf die Ereignisse der Gegenwart reagierte Böll mit veränderten Schreibweisen. Bölls Satiren stehen dabei den sozialkritischen Romanen in nichts nach. Der Leseabend am 21. Dezember 2017 präsentierte das Beste von Heinrich Böll.

Sowohl die Veranstaltungsreihe "Literatur und Kunst am Vormittag" als auch der Leseabend wurden gestaltet von Michael Schikowski, Lehrbeauftragter der Universität Düsseldorf und seit vielen Jahren als leidenschaftlicher Vorleser unterwegs.

Historisches Archiv

Wo warst Du, Nachlass? Der Bestand 1326 (Heinrich Böll)

© Jürgen Schütze

In dem Vortrag am 21. November 2017 ging es um die Bestandsgeschichte des Nachlasses von Heinrich Böll. Es wurden einerseits die Entstehung und der Erwerb des Bestandes behandelt, andererseits ging es auch um die Geschichte im Archiv mit zwei zentralen Fragen:

  1. Wie wurde der Bestand im Archiv bearbeitet?
  2. Was lässt sich über den Verbleib der Unterlagen seit dem Einsturz berichten?

Oper Köln

Kunst muss (zu weit gehen) oder Der Engel schwieg

Zum 100. Geburtstag von Heinrich Böll entwickelten der Komponist und Regisseur Helmut Oehring und die Librettistin und Coregisseurin Stefanie Wördemann im Auftrag der Oper Köln und des Ensemble Musikfabrik ein instrumentalvokales Theater. Dieses war inspiriert von einer Rede, die Heinrich Böll 1966 anlässlich der Eröffnung des Wuppertaler Schauspielhauses gehalten hatte. Unter dem Postulat "Die Kunst muss zu weit gehen" äußerte er sich darin zum Verhältnis von Kunst, Politik und Gesellschaft. Dabei sprach er sich dezidiert gegen die Idee einer Kunst aus, die der Gesellschaft und den Mächtigen gefällig zu sein hat. Heinrich Bölls Prosa und Lyrik sowie seine Äußerungen zu gesellschaftspolitischen Fragen besitzen bis heute die Kraft zu polarisieren.

Der 1961 in Ostberlin geborene, international renommierte und weltweit bekannte Komponist Helmut Oehring wurde mit diesem Werk erstmals an der Oper Köln aufgeführt.

Er steht für die Idee eines instrumentalen Theaters, das innerhalb der Neukomposition Einflüsse alter und älterer Musik, von Literatur, Bildender Kunst und Philosophie aufgreift, wobei Gebärdensprache, Tanz, Schauspiel sowie elektronischen Medien einbezogen werden.

Die Uraufführung fand am 9. Dezember 2017 statt.

Weitere Vorstellungen waren am 11., 13. und 21. Dezember 2017.

Ensemble Musikfabrik Helmut Oehring

Schauspiel Köln

Ansichten eines Clowns

Das Schauspiel Köln präsentierte die Uraufführung von Heinrich Bölls "Ansichten eines Clowns" in einer Theaterfassung und Inszenierung von Thomas Jonigk. Das Stück lief etwa vier bis fünf Mal im Monat im DEPOT 2. Auch in der nächsten Spielzeit wird das Stück, das von der Kritik wie vom Publikum hochgelobt wird, zu sehen sein.

Die Handlung: Die Beziehung Hans Schniers zu seiner Freundin Marie ist Vergangenheit. Doch er kann sie nicht loslassen. Immer und immer wieder wird er von albtraumhaften Bildern und Figuren seines früheren Lebens heimgesucht.

Aus der inneren Emigration heraus verteidigt er seine Wertmaßstäbe gegen die bundesdeutsche Restaurationsgesellschaft. Das Psychogramm eines Abfälligen in einem Deutschland, in dem die Demokratie noch jung, die Wirtschaft ein Wunder und die Kirche einflussreich war.

Jörg Ratjen spielt ihn salopp, schnoddrig, auch charmant: ein rhetorischer Rebell, ein Poseur des Protests.

Andreas Rossmann, FAZ

Ratjens trauriger, sich auskotzender Clown ist ein Meister im unzuverlässigen Erzählen.

Christian Bos, KSTA

Der letzte Termin dieser Spielzeit war am 14. Juli 2017.

Hänneschen-Theater

Heinrich Böll und Günter Grass

Das Hänneschen-Theater und die Günter und Ute Grass-Stiftung präsentierten am 30. April 2017 im Hänneschen-Theater den "Freipass, Band 2": Lesung und Gespräch über Beiträge des Heinrich Böll gewidmeten Bandes, der seinem Anspruch, ein diskussionsanregendes Forum für Literatur, Bildende Kunst und Politik zu sein, erneut alle Ehre macht.

Mitwirkende waren: Fridolin Schley (Autor, Lektor, Redakteur), Volker Neuhaus (Mitherausgeber des "Freipass" und Grass-Forscher), Dorothee Römhild (Germanistin, Böll- und Grass-Forscherin) und Frauke Kemmerling (Intendantin des Hänneschen-Theaters). Moderation: Kai Schlüter (Kulturchef Radio Bremen und Herausgeber mehrerer Dokumentationen zu Günter Grass).

Im Zentrum des aktuellen Freipass-Bandes steht das Lebenswerk des Schriftstellers und engagierten Zeitgenossen Heinrich Böll. Darüber hinaus setzen sich namhafte Autoren wie Terézia Mora, Thomas Weiss und Sherko Fatah auf ihre ganz persönliche Art mit dem anhaltend aktuellen Thema "Flucht und Vertreibung" auseinander. Ergänzt wird das vielstimmige Buch durch Beiträge zur gegenwärtigen Grass-Forschung, Archivexpeditionen und unveröffentlichte Arbeiten aus Grass' Düsseldorfer Studienzeit.

© Günter Grass

Das Titelbild zeigt "Bölls Schreibmaschine", eine Lithographie von Grass aus dem Jahre 1983. Heinrich Böll stellte Grass für diese Zeichnung seine Schreibmaschine als Modell zur Verfügung und schickte ihm eine Liste der Bücher, die er auf der Maschine getippt hatte.

Als Bonusmaterial liegen dem Buch zwei CDs bei, auf denen die Original-Nobelpreisreden von Heinrich Böll und Günter Grass zu hören sind.

Hänneschen-Theater

Museum Ludwig

Die humane Kamera - Heinrich Böll und die Fotografie

Ein Jahr nach Heinrich Bölls Tod, im Jahr 1986, eröffnete das Museum Ludwig im neu errichteten Gebäude. Die Adresse lautet Heinrich-Böll-Platz. In der Sammlung Fotografie des Museum Ludwig liegen zahlreiche Werke, die entweder Heinrich Böll zeigen oder die ihm vertraut waren. Bildbände wie Chargesheimers "Unter Krahnenbäumen", "Im Ruhrgebiet" (beide 1958) oder "Menschen am Rhein" (1960) wurden von seinen Texten begleitet. 1964 verfasste Böll den Text "Die humane Kamera" für das Buch zur "Weltausstellung der Photographie", in dem er eine Moral der Fotografie formuliert.

Anlässlich des 100. Geburtstags von Heinrich-Böll beleuchtet das Museum Ludwig vom 1. September 2017 bis 7. Januar 2018 in seinen neu eröffneten fotografischen Räumen der ständigen Sammlung Bölls Verhältnis zur Fotografie und zum Fotografieren.

Als Autor war Böll auch selbst begehrtes Sujet der Fotografinnen und Fotografen. Zu Lebzeiten erschienen zwei Bildbände seiner Porträts, fotografiert unter anderen von Heinz Held.

© Rheinisches Bildarchiv Köln
Heinz Held: Heinrich Böll

Zu ihm unterhielt er auch eine Freundschaft. Fragt man nun nach Bölls privatem Umgang mit der Fotografie, fällt auf, wie viele Bilder in seinem Arbeitszimmer und in der Küche hingen. Da sind die Fotos der Kinder am Bücherregal befestigt. Da ist aber auch der Schnappschuss Rosa Luxemburgs über dem Küchentisch.

Welche Bedeutung hatte die Fotografie für Böll? Das Sehen war für ihn der zentrale Sinn, um sich die Welt zu erschließen. In seinem "Bekenntnis zur Trümmerliteratur" (1952) insistiert er auf der Notwendigkeit für den Schriftsteller zu sehen:

Ein gutes Auge gehört zum Handwerkszeug des Schriftstellers.

Für seinen Roman "Frauen vor Flusslandschaft" (1985) bat Böll seinen Sohn René um Fotografien ausgesuchter Orte in Bonn, die dann im Roman beschrieben wurden. Die Fotografie war ihm hier visuelles Hilfsmittel, gleichzeitig weiß er aber auch um ihre Fähigkeit,

im einzelnen Schicksal das Allgemeine zum Bild werden zu lassen.

Chargesheimer bei Kulturelles Erbe Köln Heinz Held bei Kulturelles Erbe Köln

Über Heinrich Böll. Ein Gespräch mit Volker Schlöndorff

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Ein Jahr nach Erscheinen von Heinrich Bölls "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1974), verfilmten Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta die Geschichte der braven Blum, die, von der Boulevardpresse verfolgt, schließlich zur Mörderin wird. Heinrich Böll arbeitete am Drehbuch mit. Von den Zeitgenossen wurde Bölls Kritik am Boulevardjournalismus und dessen unabsehbare Folgen als klare Kritik an den Praktiken der BILD-Zeitung verstanden. Die Rechtsabteilung des Axel Springer Verlags sah sich veranlasst, die Produktionsfirma des Films aufzufordern, im Film keinen expliziten Zusammenhang zwischen der

von Böll erfundenen Geschichte

und BILD herzustellen. Einzelne Einstellungen und Requisiten weisen dennoch unverkennbar auf das aktuelle Zeitgeschehen. Buch und Film griffen ein Thema auf, das - in Zeiten der "fake news" - brisant bleibt: die Auswirkungen von um Aufmerksamkeit heischende Medien.

Über die Zusammenarbeit mit Heinrich Böll bei diesen und anderen Filmprojekten berichtete Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff am 24. Oktober 2017 im Gespräch mit der Kuratorin der Ausstellung "Die humane Kamera. Heinrich Böll und die Fotografie", Miriam Halwani.

Heinrich Böll zum 100. Geburtstag

© Interfoto/Brigitte Friedrich und Florianfilm GmbH

Dokumentarfilm
Deutschland 2017
45 Minuten
Buch und Regie: Tina Srowig

Zu seinen Lebzeiten war Heinrich Böll ungeheuer präsent und bekannt, er stand mit seinem Engagement und seinen Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen in der Öffentlichkeit.

Nach dem Ende der Bonner Republik, der er in seinen Texten so genau und vielfältig den Spiegel vorgehalten hatte, geriet er als Schriftsteller und als öffentliche Person ein wenig in den Hintergrund. Wer ihn zu seinem großen Geburtstag neu kennenlernen will, entdeckt eine Persönlichkeit mit verblüffend modernen, zeitlos aktuellen Seiten, mit Themen und Anliegen, die heute, weit mehr als 30 Jahre nach seinem Tod, wieder ganz neue Bedeutung haben: Antifaschismus, Pazifismus, Kampf gegen Medienhetze, persönliche Freiheit, Solidarität und umfassende Menschlichkeit.

Die Dokumentation von Tina Srowig wurde am 14. Dezember 2017 im Filmforum im Museum Ludwig präsentiert. Danach fand eine Gesprächsrunde mit der Autorin und einigen Interviewpartnern, die auch im Film auftreten, statt. Zum Abschluss wurde noch ein ganz besonderer Filmschatz aufgeführt:

"Irland und seine Kinder", eine WDR-Dokumentation aus dem Jahr 1961, konzipiert und geschrieben von Heinrich Böll.