Gemeinsam mit dem Rautenstrauch-Joest-Museum beschäftigen wir uns seit einigen Jahren intensiv mit der Aufarbeitung von kolonialen Unrechtskontexten sowie mit Rückgaben menschlicher Überreste und geraubter Kulturgüter. Als eines der ersten deutschen Museen hatte das Rautenstrauch-Joest-Museum 2004 in der Ausstellung "Namibia Deutschland: eine geteilte Geschichte" von Deutschen begangenes Unrecht in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (seit 1884) im heutigen Namibia thematisiert. Dabei stand der Völkermord an den Herero und Nama im Vordergrund. 

Namibia – Deutschland: eine geteilte Geschichte

Bei Ausstellungen, in Forschungsprojekten und auch bei konkreten Anfragen von Nachfahren der Kolonisierten, von ehemaligen Besitzer*innen und Hersteller*innen der Objekte hat sich das Museum seit einigen Jahren mit Fragen des unrechtmäßigen Erwerbs im Zuge kolonialer Unrechtskontexte befasst.

Mit dem internationalen Paradigmenwechsel im Umgang mit kolonialen Kontexten sucht und entwickelt das Rautenstrauch-Joest-Museum mittlerweile Konzepte und Strategien zur systematischen und proaktiven Überprüfung der Herkunft der rund 69.000 Objekte in seinen Sammlungen. 2018 erfolgte mit dem tätowierten Māori-Schädel aus Neuseeland eine erste proaktive Rückführung durch uns.

Māori-Schädel kehrt zurück nach Neuseeland

Eigentumsübertragung und Rückgabe der Benin-Hofkunstwerke an die Bundesrepublik Nigeria

Am 15. Dezember 2022 unterzeichnete Oberbürgermeisterin Henriette Reker gemeinsam mit Professor Abba Isa Tijani, Generaldirektor der "National Commission for Museums and Monuments" Nigerias, eine Vereinbarung zur Eigentumsübertragung der Benin-Hofkunstwerke aus dem Rautenstrauch-Joest-Museum. Wir übertrugen damit das Eigentum an 92 historischen Benin-Hofkunstwerken, die aus einer britischen Invasion 1897 stammen und sich heute in der Sammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums (RJM) befinden, an die Bundesrepublik Nigeria. Dies hatte der Rat in seiner Sitzung am 8. Dezember 2022 beschlossen.  

Drei Werke aus Köln wurden zusammen mit 17 Werken aus deutschen Museen am 20. Dezember 2022 im Rahmen einer Delegationsreise bei einer feierlichen Zeremonie in Abuja an Nigeria übergeben. Die Delegation wurde angeführt von Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Weitere 52 Werke sollen sukzessive ab 2023 an Nigeria zurückgeführt werden. 37 der Kunstwerke verbleiben zunächst für zehn Jahre als Leihgaben im Kölner Museum.

Es handelt sich um 92 Benin-Hofkunstwerke, die 1897 von der britischen Armee aus dem Königspalast des Königreichs Benin, das im heutigen Nigeria liegt, geraubt wurden. Die britische Armee nahm den Palast ein, plünderte ihn und brannte ihn schließlich nieder. Bereits ab Sommer 1897 wurden die geraubten Hofkunstwerke schrittweise in europäischen Auktionshäusern versteigert oder blieben im Privatbesitz der Teilnehmer der Invasion, die sie später auch auf dem Kunstmarkt verkauften. Die 92 Hofkunstwerke des Rautenstrauch-Joest-Museums gelangten über Ankäufe und Schenkungen zwischen 1899 und 1967 in die Kölner Museumssammlung.

Die Eigentumsrückübertragung ist das Ergebnis von intensiven Verhandlungen mit nigerianischen Vertreter*innen, die seit 2021 unter Federführung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland sowie der Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien geführt worden sind. Das Rautenstrauch-Joest-Museum als Museum mit der viertgrößten Sammlung von Benin-Hofkunstwerken in Deutschland hat diesen Prozess ebenso intensiv begleitet wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das Museum am Rothenbaum Hamburg und das Lindenmuseum in Stuttgart.

Stadt Köln gibt Benin-Hofkunstwerke an Nigeria zurück
Digital Benin – Online Datenbank
Provenienzforschung im Rautenstrauch-Joest-Museum

Kamerun: Skulptur eines Würdenträgers aus der Region Bangwa

Seit 2021 erforscht das Rautenstrauch-Joest-Museum die Herkunftsgeschichte der Skulptur eines Würdenträgers (lefem) mit einer Tabakpfeife als Statussymbol.

Die Skulptur als eine der spirituellen (Prestige-)Objekte des Königspalastes stammt aus Bangwa in der heutigen Region Südwestkamerun. Sie wurde nach heutigem Kenntnisstand bei einer "Strafexpedition" von Leutnant Kurt Strümpell im Jahr 1900 entwendet, gelangte wenig später als Schenkung in das Städtische Museum Braunschweig, 1955 an einen Düsseldorfer Sammler und schließlich 1966 in das Rautenstrauch-Joest-Museum.

Am 9. Juli 2022 begrüßten wir im Rautenstrauch-Joest-Museum den König von Fontem/Bangwa (Kamerun) S. M. Asabaton Fontem Njifua mit seiner Delegation, um die Bangwa-Skulptur gemeinsam in Augenschein zu nehmen und über Fragen des zur deutschen Kolonialzeit entwendeten Kulturgutes zu diskutieren.

Rautenstrauch-Joest-Museum – Aktuelles

Im Prozess der Dekolonisierung

Insgesamt sind die Rückführungen eingebettet in den bedeutenden Prozess der Dekolonisierung. Dazu ist 2021 in Köln ein breit angelegtes Projekt zur Aufarbeitung des (post)kolonialen Erbes der Stadt ins Leben gerufen worden. Die Rückgaben und die damit verbundene kritische Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit sind dabei elementar für den Aufbau neuer Beziehungen zwischen den Gesellschaften der Nord- und der Südhalbkugel, weil die Kolonialgeschichte als Kern der Ideologie der Ungleichwertigkeit, der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sowie der Diskriminierung und des Rassismus in vielfacher Weise bis heute nachwirkt.

Auftaktveranstaltung (post)koloniales Erbe der Stadt Köln