Wie stellen sich die Unionsbürger*innen die Zukunft Europas vor? Hierzu fand mit der einjährigen Konferenz zur Zukunft Europas ein einzigartiges europäisches Demokratie-Experiment statt. In zahlreichen Veranstaltungen wurde zu grundlegenden Zukunftsfragen Europas getagt, beratschlagt und diskutiert.

Durch verschiedenste Beteiligungsformate sollten Bürger*innen die Möglichkeit eröffnet werden, aktiv an der Neugestaltung der Politik und der Institutionen der Europäischen Union (EU) mitzuwirken. So verpflichteten sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission in einer gemeinsamen Erklärung "den Europäer*innen zuzuhören und den Empfehlungen der Konferenz Folge zu leisten".

Was ist die Konferenz zur Zukunft Europas?

© Diesmal wählt Köln

Die Konferenz zur Zukunft Europas ermöglicht, neben den Europawahlen, eine direkte Form der Bürger*innenbeteiligung. Der im Januar 2022 verstorbene Parlaments-Präsident David Sassoli sah in der Konferenz "einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer Bürger*innenunion". Sie verschafft den Teilnehmenden unmittelbaren Einfluss auf relevante Themen der Europäischen Union, wie etwa:

  • Demokratie in Europa/Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit
  • Klimawandel und Umwelt/Gesundheit
  • Die EU in der Welt/Migration
  • Eine stärkere Wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung/ Bildung, Kultur, Jugend und Sport/Digitaler Wandel

Übergeordnetes Ziel war es, die Europäische Union für aktuelle und künftige Herausforderungen zu rüsten. Zu diesem Zweck initiierte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit diese politisch integrative Konferenz. Mit einem inklusiven, offenen und transparenten Ansatz werden Menschen jeglicher Herkunft, Vertreter der Zivilgesellschaft und Stakeholder auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene sowie über eine mehrsprachige digitale Plattform beteiligt.

Wie lief die Konferenz ab?

Von der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung im März 2021 bis hin zur Überreichung des Abschlussberichtes mit 49 Vorschlägen zur Reform der Europäischen Union am 9. Mai 2022, dem Europatag, ist viel geschehen. Durch die Pandemie verzögerte sich der Verlauf zwar, letztendlich konnten aber doch 6.661 Veranstaltungen, zumindest digital, stattfinden.

© Europäische Kommission

In nationalen und europäischen Bürgerforen fanden sich rund 200 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger*innen aller Altersgruppen, unterschiedlicher Herkunft und aus jedem Mitgliedstaat ein. Im Ergebnis konnten 178 Empfehlungen erarbeitet werden.

Auf der mehrsprachigen digitalen Plattform wurden zudem über 17.000 Ideen gesammelt. Aus diesen bildeten sich neun Arbeitsgruppen. Im Einklang mit den Vorgaben der Gemeinsamen Erklärung verfassten sie Beiträge zur Vorbereitung der Debatten und der Vorschläge des Plenums der Konferenz.

 

Im Rahmen des Europäischen Jugendevents (EYE2021) kamen 10.000 junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren zusammen. Sie entwickelte 20 eigene Ideen für die Zukunft Europas, wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze für junge Menschen, gleiche Rechte für Personen alle Geschlechter, Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen sowie die Stärkung einer gemeinsamen Außenpolitik. Die Ideen wurden in einem Bericht zusammengefasst und in allen europäischen Amtssprachen veröffentlicht.

Die Vorschläge wurden in die Plenarversammlungen der Konferenz weitergeleitet, die hierüber debattierten. Das Konferenzplenum ist ein Gremium, das sich aus Bürger*innen, der Zivilgesellschaft, den Sozialpartnern sowie europäischen und nationalen Politiker*innen zusammensetzt.

Die entwickelten 49 Schluss-Vorschläge wurden abschließend von einem Exekutivausschuss mit konkreten Maßnahmen in einem Abschlussbericht ausgearbeitet. Dieser Bericht wurde in der Abschlussveranstaltung am 9. Mai 2022 übergeben – der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, im Namen der Ratspräsidentschaft, Präsident Emmanuel Macron sowie der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen.

Die meisten Vorschläge betreffen das Alltagsleben, die Wirtschaft, Arbeitsplätze und den Klimawandel. Doch auch die Grundfesten des Entscheidungsprozesses der Union wurden nicht ausgelassen. So solle etwa das umstrittene Einstimmigkeitsprinzip bei Entscheidungen des Europäischen Rates abgeschafft werden, um das Funktionieren der Europäischen Union zu verbessern. Hierzu müssten jedoch die Verträge umgeschrieben werden, wogegen sich mehrere Mitgliedsstaaten sperren.

Der Ball liegt nun im Feld der drei europäischen Institutionen. Die Empfehlungen werden, entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit und im Einklang mit den europarechtlichen Bestimmungen, in den kommenden Monaten auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.

Hält die Konferenz, was sie versprochen hat?

Hat die Konferenz einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer Bürger*innenunion geleistet?

Fakt ist, die Konferenz hatte ihre Defizite. Für die Teilnehmenden waren die Ziele der Konferenz zunächst unklar. Sie bemängeln außerdem ein undurchsichtiges Verfahren aufgrund fehlender Transparenz. Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Verbindlichkeit der Empfehlungen.

Dennoch hat die Konferenz greifbare Vorschläge zur Reform der EU hervorgebracht und eine neue Dynamik in die europäische Demokratie geschaffen.

Zum Online-Portal der Konferenz zur Zukunft Europas Videos und Bilder im Multimediazentrum des Europäischen Parlaments Gemeinsamen Erklärung zur Konferenz über die Zukunft Europas vom 5. März 2021 Abschlussbericht über das Endergebnis der Konferenz vom 9. Mai 2022
Bewertung des Abschlussberichtes der Konferenz zur Zukunft Europas in den Städten
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