Kindheit in anderen Kulturen - ein Rückblick

© Dr. Herbert Mück
Babs Mück, Dr. Lale Akgün, Cesare Beyel und Tienchi Martin Liao (von links)

Am 6. Dezember 2011 sprachen Dr. Lale Akgün, Leiterin des Referates internationale Zusammenarbeit im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, Cesare Beyel, Vorsitzender der Deutsch-Kamerunischen Gesellschaft und Tienchi Martin Liao, Vorsitzende des Unabhängingen Chinesischen P.E.N.-Zentrums über Ihre Kindheit in unterschiedlichen Kulturen.

Der Gesprächskreis "Köln und die Welt", geleitet und moderiert von Babs Mück, und Plan Deutschland in Köln führten die Veranstaltung gemeinsam als Beitrag zum "Buch für die Stadt" von Jovan Nikolic "Weißer Rabe Schwarzes Lamm" durch. In der voll besetzten Bibliothek des Rautenstrauch-Joest-Museums wurden die Kindheitserinnerungen des Autors zum Anlass genommen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Kindheitserleben in verschiedenen Kulturen zu erörtern.

Die Buchautorin Lale Akgün wies gleich zu Beginn auf die zentrale Bedeutung hin, die Lesen- und Schreiben-Können für die Emanzipation der Menschen habe und betonte damit die Rolle der Primarschulbildung für die Millenniumsentwicklungsziele. Auch Tienchi Martin Liao, die mit Ihrer Mutter und ihren fünf Geschwistern von China nach Taiwan geflohen war, beschrieb, wie sie sich durch das Lesen von Märchen der Gebrüder Grimm oder von Hans Christin Andersen eine neue Welt erschließen konnte. Diese Märchen bildeten für sie einen Kontrapunkt zu der rigide am Kollektiv ausgerichteten Erziehung in Schule und Familie. Cesare Beyel, der seine Kindheit in einem kleinen Dorf in Kamerun verbrachte, berichtete, dass es für ihn ein Privileg gewesen sei, als Kind eines Lehrers aufgewachsen zu sein und dadurch lesen und schreiben gelernt zu haben.

1962 schien Geschlechtergleichberechtigung in Köln nicht ganz soweit wie in Istanbul,

so Lale Akgün, die sich als 9-jährige in einer Kölner Schule über die Geschlechtertrennung zu verschiedenen Gelegenheiten ebenso wunderte wie über das Gebet vor Unterrichtsbeginn. Cesare Beyel wunderte sich eher über das Verständnis von Gastfreundschaft eines französischen Freundes, der seine Spielkameraden nach Hause schickte, wenn es bei ihm zum Abendessen ging. Auch das persönliche Hilfesystem sei in seiner ersten Heimat sehr viel ausgeprägter gewesen als später in Deutschland.

Von Babs Mück über ihre Kindheitsängste und Rituale gefragt, beschrieben die Podiumsgäste neben Naturkatastrophen und Tieren die Rolle von Ahnenkult, Mythen und Aberglaube in ihrer Kindheit. Zum Teil gaben diese Rituale Geborgenheit, zum Teil führten sie aber auch dazu, dass Mitmenschen als Sündenböcke ausgegrenzt wurden. Cesare Beyel machte deutlich, wie wichtig für seine Entwicklung die Emanzipation von solchem Aberglaube gewesen sei.

Zum Gefühl von Fremdheit oder Geborgenheit gab es unterschiedliche Erfahrungen:

Ein gewisses Gefühl von Fremdheit werde ich immer haben, sowohl in Kamerun, als auch in Deutschland,

so Cesare Beyel.

Tienchi Martin Liao, die auch einige Zeit in den USA verbracht hatte, drückte es so aus:

Ich habe keine deutsche Identität angenommen. Aber manchmal bin ich sehr deutsch.

Sie hob die Vorteile einer multikulturellen Gesellschaft hervor indem sie beschrieb, wie Deutschland sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert habe, viel "lockerer" geworden sei. Lale Akgün plädierte dafür "spielerischer" mit den verschiedenen Kulturen umzugehen.

Wenn Sie bikulturell sind, haben Sie immer wieder auch Spaß,

so formulierte sie und erzählte Anekdoten, zu welch kuriosen Situationen es kommen kann, wenn man fälschlicherweise nur der einen oder anderen Kultur zugeordnet wird. Sie machte deutlich, es komme immer zuerst auf das Individuum an, und die Zukunft sei ohnehin multikulturell, keiner werde je mehr in einer geschlossenen lupenreinen Kultur aufwachsen.

Kindheitserinnerungen einer anderen Art zeigte der Film "Schutz der Kamalari-Mädchen" von Plan Nepal. Kalamari sind Mädchen, die bereits im Alter von vier Jahren von ihren Familien in die Sklaverei verkauft werden. Als Leibeigene müssen sie in fremden Haushalten oft von 4 bis 22 Uhr schuften ohne Rechte und ohne jede Freiheit. Plan Nepal befreit solche Kinder und ermöglicht ihnen eine Schul- und Ausbildung.

Bevor die Besucher mit Gedanken an ihre eigene Kindheit wieder nach Hause gingen, konnten sie sich an den Ständen von Plan und Eine-Welt Stadt Köln darüber informieren, was sie selbst zur Unterstützung der Millenniumsentwicklungsziele beitragen können.