55 Jahre Jugendaustausch Köln - Tel Aviv-Yafo

© Elmar Sander

Die deutsch-israelischen Beziehungen standen 2015 jenseits der Tagespolitik im Fokus des Jubiläums "50 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland-Israel". Ein besonderes Jubiläum, wenn man - nicht zuletzt 70 Jahre nach dem Ende der Shoa - auf die wechselvolle Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland zurückblickt.

Seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen am 12. Mai 1965 hat sich das Verhältnis beider Staaten sowohl auf offizieller Ebene als auch im zivilgesellschaftlichen Bereich stetig freundschaftlich entwickelt und vertieft. Anlass, diesen historisch bedeutsamen Jahrestag nicht nur bundesweit, sondern auch in Köln mit einer Vielzahl von Veranstaltungen zu würdigen und aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Denn seit jeher haben das Miteinander von Christen und Juden sowie der Austausch zwischen Deutschland und Israel unsere Stadtgeschichte mitgeprägt. Die Gründung der ersten Mission des Staates Israel in Köln 1953 sowie der 1960 aufgenommene und kontinuierlich fortgesetzte Jugendaustausch zwischen Köln und Tel Aviv-Yafo seien hier als nur zwei Meilensteine in der Versöhnung zwischen beiden Ländern genannt. 

 

Köln - Zentrum jüdischen Lebens und Wegbereiter in den deutsch-israelischen Beziehungen

Schon im Jahr 321 nach Christus wurde die jüdische Gemeinde Köln erstmals urkundlich erwähnt, als ihr durch Dekret Kaiser Konstantins das Recht auf Vertretung in der städtischen Bürgerversammlung verliehen wurde. Sie gilt damit als älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen und entfaltete sich rasch zu einem Zentrum des deutschen Judentums und der Gelehrsamkeit. Einer Welle von Pogromen folgend, wurden die Kölner Jüdinnen und Juden im Jahr 1424 durch Ratsbeschluss aus der Stadt vertrieben. Bis zur Eroberung durch französische Revolutionstruppen im Jahr 1794 blieben sie aus Köln verbannt.

An die Zeit vor 1424 anknüpfend, etablierte sich in der Domstadt abermals eine sehr lebendige jüdische Gemeinde, die sich vor allem zu einer Hochburg deutsch-jüdischer Kultur und Publizistik entwickelte. Am 15. Oktober 1842 übernahm Karl Marx die Redaktionsleitung der im Januar 1842 gegründeten Rheinischen Zeitung, zu deren herausragenden Mitarbeitern Friedrich Engels, Moses Hess, Julius Fröbel und Ferdinand Freiligrath gehörten. Auch als Konkurrenzblatt zur übermächtigen Kölnischen Zeitung gegründet, wurde die Rheinische Zeitung zu einem der wichtigsten Organe der demokratisch-republikanischen Bewegung in Deutschland. Nach ihrem Verbot im Jahr 1843 gab es 1848 eine neugegründete Auflage, die "Neue Rheinische Zeitung". Diese wurde ebenfalls von Karl Marx geleitet und 1849 endgültig verboten.

Köln war zudem Mittelpunkt der jüdischen Emanzipationsbewegung. 1893 riefen Max Bodenheimer und David Wolffsohn den Kölner Verein zur Förderung von Ackerbau und Handwerk in Palästina ins Leben und legten damit den finanziellen Grundstock zum Aufbau Tel Avivs. Das vom ersten Zionistischen Weltkongress 1897 verabschiedete Basler Programm, Gründungsdokument der Bewegung für jüdische nationale Selbstbestimmung, beruhte im Wesentlichen auf Bodenheimers Kölner Thesen. Wolffsohn hatte für den Kongress das Logo entworfen, das nach der Gründung des Staates Israel 1948 zur Nationalflagge werden sollte: der blaue Davidstern. 

Die Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 mit dem systematischen Völkermord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden in Europa markiert den entsetzlichsten Einschnitt im Zusammenleben mit Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens. Dabei gilt nicht nur nach Ansicht des deutschen Historikers und Politikwissenschaftlers Karl Dietrich Bracher das Treffen von Adolf Hitler mit Franz von Papen im Haus des Kölner Bankiers Freiherr von Schröder am 4. Januar 1933 als die Geburtsstunde des Dritten Reiches. Allein 11.000 Jüdinnen und Juden aus Köln und der Region wurden während der NS-Diktatur in Konzentrationslager deportiert und ermordet. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Köln von 1953 bis 1965 Sitz der ersten Israel-Mission in Deutschland. Nach der Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen 1965 beherbergte Köln zunächst auch für wenige Monate die israelische Botschaft, bevor diese nach Bonn übersiedelte. Im Jahr 2013 wurde anlässlich des 60. Jahrestages mit einem Festakt der Gründung der Israel-Mission gedacht. 

Während Bundeskanzler Konrad Adenauer, langjähriger Kölner Oberbürgermeister, und Premierminister Ben Gurion die Wegbereiter der diplomatischen Beziehungen auf staatlicher Ebene waren, zählen Köln und Tel Aviv-Yafo mit dem 1960 begonnenen Jugendaustausch zu den herausragenden Pionieren bürgerschaftlicher Begegnungen zwischen Israelis und Deutschen nach der Shoa. Schon früh erkannten die beiden damaligen Ressortleiter für Jugend, Johannes Giesberts (Köln) und Dr. Shaul Lewin (Tel Aviv-Yafo) die Bedeutung des direkten Dialogs auf dem Weg, Vorurteile und Ressentiments ab- und neues Vertrauen aufzubauen. Mit Gründung der Städtepartnerschaft Köln - Tel Aviv-Yafo am 6. August 1979 festigten sich die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Kommunen und die Austauschaktivtäten wurden auf weitere Themenfelder wie Sport, Kultur und sozialpolitischer Dialog ausgedehnt. Zur Unterstützung der Städtepartnerschaftsarbeit auf Ebene der Bürgerschaft, gründete sich am 12. Dezember 1995 der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln – Tel Aviv-Yafo e.V., der in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiert.

60 Jahre erste Mission des Staates Israel in Deutschland - Ein Rückblick

Schwerpunkte und Ziele der Kölner Aktivitäten im Jubiläumsjahr

Mit den zahlreichen Jubiläumsveranstaltungen wollten wir unsere vielfältigen kommunalen und bürgerschaftlichen Beziehungen nach Israel, insbesondere zur Partnerstadt Tel Aviv-Yafo, beleuchten und damit ein differenziertes Bild der israelischen Gesellschaft auch im nahöstlichen Kontext zeichnen. Herausgestellt wurde dabei, welche Impulse zur Gründung des Staates Israel sowie zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel von Köln ausgingen und welche kommunalen sowie bürgerschaftlichen Beziehungen den offiziellen diplomatischen Beziehungen vorausgingen und diesen den Weg ebneten.  

Mit diesen Veranstaltungen bekräftigte die Stadt Köln zugleich ihr klares Bekenntnis zum Staat Israel, dessen Existenz von radikalen Kräften und feindlichen Regimen in der Region nach wie vor in Frage gestellt und bekämpft wird. Ziel war es deshalb auch, die Kölner Bürgerschaft für neue, in Besorgnis erregender Weise anwachsende Formen des Antisemitismus und Antizionismus in Deutschland und Europa zu sensibilisieren. Mehr denn je schien es erforderlich, den christlich-jüdischen Dialog um einen christlich-jüdisch-muslimischen Dialog zu ergänzen, was sich im thematisch breit angelegten Kanon der Veranstaltungen widerspiegelte. 

Die Stadt Köln, die seit 1996 als erste deutsche Stadt offiziell auch partnerschaftliche Beziehungen zu Bethlehem in Palästina pflegt, bekennt sich auch zum Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung und einen eigenen souveränen Staat. Sie unterstützt in Hinblick auf einen dauerhaften Frieden in Nahost die Zweistaatenlösung: Israel und Palästina, zwei demokratisch fundierte Staaten, die als Nachbarn in gegenseitig anerkannten und sicheren Grenzen leben. 

Für das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Nationalität, Religion und Kultur und gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit setzt sich seit 1958 sehr engagiert die "Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit" ein. Daneben unterhalten zahlreiche weitere Kölner Vereine und Institutionen enge Kontakte nach Israel und Palästina, um Versöhnung nachhaltig zu leben sowie gemeinsam eine friedvolle Zukunft zu gestalten. Sie haben sich im Februar 2012 im Kölner Arbeitskreis Israel/Palästina zusammengeschlossen.

Auf Grundlage der Gründungserklärung des Kölner Arbeitskreises Israel/Palästina beschäftigten sich die Kölner Jubiläumsveranstaltungen deshalb auch mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Kommunen und zivilgesellschaftliche Organisationen einen eigenen Beitrag zur Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern leisten können, um eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts herbeizuführen. Eine Lösung, die sowohl das Existenzrecht des Staates Israel garantiert, als auch das Recht des palästinensischen Volkes auf Eigenstaatlichkeit gewährleistet. 

Die Hauptveranstaltungen in Köln im Jubiläumsjahr

Die Kernveranstaltungen zum Jubiläum "50 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland-Israel" in Köln konzentrierten sich auf die Monate Mai bis Juli 2015. Eine Reihe von ergänzenden Aktivitäten mit einem erweiterten thematischen Bezug rundeten das Gesamtprogramm ab und sind unter "Zusätzliche Veranstaltungen" zu finden.

Veranstaltungen

26. und 27. Mai 2015: Tagung "Antisemitismus und Rassismus"

10. Juni 2015 - Israel-Tag

Auch im Jahr 2015 wird der Israel-Tag unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Jürgen Roters in Köln begangen. Gemeinsam werden die Synagogen-Gemeinde Köln, der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln - Tel Aviv-Yafo e. V., ILI - I like Israel e. V., die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e. V. und weitere Institutionen auf dem Heumarkt in der Kölner Innenstadt ein großes Fest feiern. Ein zentrales Thema wird das Jubiläum "50 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland-Israel" sein. 

 

21. Juni 2015: Benefiz-Dinner mit Sternekoch Erhard Schäfer und Tom Franz, "Masterchef 2013" in Israel

Am längsten Tag des Jahres treten Erhard Schäfer, Maitre im Landhaus Kuckuck und ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern, sowie der gebürtige Kölner Tom Franz, der seit 2004 in Israel lebt und dort 2013 die überaus populäre und beliebte TV-Kochshow "Masterchef" gewonnen hat, gemeinsam an den Herd. Mit ihrem kulinarischen Können werden sie die Gäste des Benefiz-Dinners zugunsten des Kölner Friedenskindergartens "Cologne Day Care Peace Center" in der Partnerstadt Tel Aviv-Yafo verwöhnen. Umrahmt wird das Event, zu dem auf Einladung von Oberbürgermeister Jürgen Roters seine Exzellenz Yakov Hadas-Handelsmann, Botschafter des Staates Israel in Deutschland, sowie Ron Huldai, Oberbürgermeister von Tel Aviv-Yafo, erwartet werden, vom Duo Lorenzen aus Tel Aviv.

Eine Teilnahme ist nur auf persönliche Einladung möglich!

Hintergrundinformationen zum Kölner Friedenskindergarten "Cologne Day Care Peace Center" sowie der Spendenkampagne finden Sie am Ende der Seite.

22. Juni 2015: Workshop Freiwilligenaustausch Deutschland - Israel / Köln - Tel Aviv-Yafo

Der Workshop soll Erfahrungen aus dem Freiwilligenaustausch bilanzieren sowie Perspektiven für dessen Weiterentwicklung und Ausweitung aufzeigen. Als Fachveranstaltung der Stadt Köln in Kooperation mit der Kölner Freiwilligen Agentur, dem Deutschen Verein vom Heiligen Lande, dem Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln - Tel Aviv-Yafo sowie der Katholische Hochschule NRW richtet er sich an die Handelnden der verschiedenen Träger von Austauschmaßnahmen. 

 

Zusätzliche Veranstaltungen

Der Kölner Friedenskindergarten "Cologne Day Care Peace Center"

Anlässlich des Jubiläums 50 Jahre diplomatische Beziehungen Deutschland-Israel und seines 20-jährigen Bestehens hat der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Köln – Tel Aviv-Yafo e. V. eine Spendenkampagne zugunsten des Kölner Friedenskindergartens "Cologne Day Care Peace Center" gestartet. Ziel war, bis zum Jahresende 50.000 Euro zu sammeln. Eine Summe, die von der Tel Aviv Foundation verdoppelt wurde. Bei einer Reihe von Veranstaltungen im Jahresprogramm zum Jubiläum sowie bei den Ausstellungen hatten die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, die wichtige Arbeit des Kölner Friedenskindergartens mit Ihrer Spende zu unterstützen. Insbesondere die Erlöse aus dem Benefizdinner am 21. Juni 2015 kamen dieser Einrichtung zu Gute. 

Der Kölner Friedenskindergarten ist ein Geschenk der Stadt Köln an die israelische Partnerstadt und liegt im traditionell arabisch-palästinensischen Stadtteil Yafo (hebräisch) / Jaffa (arabisch). Er wurde auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters Norbert Burger 1988 mit Mitteln der Stadt Köln gebaut. Trägerin des Kindergartens ist die israelische Frauengewerkschaft Na’amat. 

Das besondere pädagogische Konzept, das so für ganz Israel beispielhaft und einmalig ist, besteht in der gemeinsamen Erziehung von arabisch-palästinensischen (je zur Hälfte Christen und Moslems) sowie jüdischen Kindern durch Erzieherinnen, die ebenfalls verschiedenen Religionen angehören. Unter Einbeziehung der Eltern werden den Kindern vor allem die Traditionen und Gebräuche dieser drei großen Weltreligionen vermittelt und die sie verbindenden Elemente und gemeinsamen Wurzeln herausgearbeitet.

Die wechselvolle Siedlungs- und Stadtgeschichte Jaffas geht bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zurück. Noch im Jahr 1945 hatte Jaffa rund 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, von denen über 50.000 muslimisch, über 30.000 jüdisch und gut 16.000 christlich waren. Während im UN-Teilungsplan das benachbarte Tel Aviv mit jüdischer Bevölkerungsmehrheit dem jüdischen Staat zugesprochen wurde, sollte Jaffa ursprünglich eine Enklave des arabischen Staates bilden. Nachdem Jaffa im Mai 1948 von israelischen Milizen eingenommen wurde, reduzierte sich in kurzer Zeit die arabisch-muslimische Bevölkerung infolge von Flucht und Vertreibung auf nur noch knapp 5.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Im Jahr 1950 wurden beide Städte zum heutigen Tel Aviv-Yafo vereinigt.

Heute ist Yafo ein multikulturell und multireligiös geprägter Stadtteil mit zirka 46.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, darunter rund 30.000 Jüdinnen und Juden sowie 16.000 Palästinenserinnen und Palästinenser muslimischen oder christlichen Glaubens. Vielen westlichen Metropolen gleich vollzieht sich in Yafo derzeit ein sozioökonomischer Strukturwandel hin zu einer Abwanderung ärmerer Bevölkerungsschichten und Zuzug von wohlhabenderen Bevölkerungsgruppen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die integrative interkulturelle und interreligiöse Erziehungs- und Bildungsarbeit des Friedenskindergartens für die soziale Balance und das nachbarschaftliche Zusammenleben eine besondere Bedeutung.