Ein persönlicher Erlebnisbericht der Stadtinspektoranwärterin Corinna Thomas

Zu Beginn des letzten Jahres meiner dreijährigen Anwärterzeit bei der Stadt Köln bot sich mir die Möglichkeit, in der letzten Praxisphase meiner Ausbildung innerhalb eines EU-Praktikums drei Wochen in Straßburg zu verbringen.

Ich hatte bereits im März 2018 an einer Bildungsreise nach New York teilgenommen und wusste daher sehr schnell, dass mich auch die Möglichkeit eines EU-Praktikums sofort anspricht. Direkt war mir klar, dass ich mich auch nochmal alleine auf den Weg machen möchte. Meine Ziele hatte ich dabei klar vor Augen: ich wollte herausfinden, welche Gemeinsamkeiten Frankreich und Deutschland, bezogen auf die beiden Verwaltungen, vereinen und worin die Unterschiede liegen.

Straßburg: Grenzstadt und Sitz europäischer Einrichtungen

Mit der Wahl der Stadt Straßburg für das EU-Praktikum konnte ich mich sehr schnell anfreunden, denn die Stadt im Osten Frankreichs hat einiges zu bieten. Mit 680.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Ballungszentrum kommt Straßburg zwar nicht an die Größe von Köln heran, darf sich aber dennoch die größte Gemeinde im Elsass nennen. Auch für die Europäische Union spielt Straßburg, das direkt an der Grenze zu Deutschland liegt, eine wichtige Rolle. Neben dem Europarat und dem Europaparlament finden weitere europäische Einrichtungen wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der Europäische Bürgerbeauftragte und das Eurokorps ihre Heimat in Straßburg. Nicht selten bezeichnen sich die Straßburgerinnen und Straßburger daher oft selbst als "Hauptstadt Europas". Doch auch abseits der diversen Einrichtungen hat die Stadt einiges zu bieten und offenbart dabei auch eine große Gemeinsamkeit zu Köln. Denn was den Kölnern der Kölner Dom ist, bedeutet den Straßburgern der Straßburger Münster. Die Kirche gehört zu den bedeutendsten Kathedralen der europäischen Architekturgeschichte. Wie auch in ganz Straßburg finden sich im Straßburger Münster deutsche und französische Einflüsse wieder.

Erste Unterschiede zu Deutschland offenbaren sich gleich zu Beginn

Kaum in Straßburg angekommen, zeigten sich mir auch gleich die ersten Unterschiede. So zum Beispiel, dass die Ämter nicht nur für die Kommune, sondern gleichzeitig für den Kreis zuständig sind. Hintergrund hierfür sind Personaleinsparungen. Straßburg ist jedoch die einzige Kommune in Frankreich, die in dieser Art organisiert ist. Insgesamt sind circa 8.000 Mitarbeitende bei der Stadtverwaltung in Straßburg beschäftigt, die meisten von ihnen sind verbeamtet. Um jedoch den Beamtenstatus zu erhalten, muss man eine Prüfung bestehen, die jedes oder jedes zweite Jahr stattfindet.

Während meiner Zeit bei der Stadt Straßburg konnte ich diverse Ämter durchlaufen und für mich einiges an Ideen und interessanten Aspekten mitnehmen. Im Gegensatz zu meiner momentanen Praxis-Dienststelle in Deutschland, der Friedhofsverwaltung, musste ich in Straßburg feststellen, dass Bestattungen und Kremierungen seit 1998 nicht mehr in der Hand der Verwaltung liegen. Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Nutzungsrechte für Grabstätten in Straßburg weniger als die Hälfte kosten. Man benötigt, wie auch in Köln, eine Erlaubnis für die Aufstellung eines Grabsteines, jedoch werden dafür keine Gebühren erhoben. Auffallend ist auch, dass viele Ausstellungen in den Trauerhallen organisiert werden. Danach hatte ich die Gelegenheit, mit einem Vertreter der Stiftung des Straßburger Münsters zu sprechen. Er hat erklärt, dass das Äußere des Münsters nicht mehr in den Händen der Kirche liegt, sondern dem Staat gehört. Allerdings gestaltet sich die Verwaltung durch die geteilte Entscheidungskompetenz gelegentlich schwierig.

Besonderer Besuch im historischen Archiv der Stadt Straßburg

© Corinna Thomas

Ein ganz besonderes Erlebnis war der Besuch im Archiv der Stadt. Ich konnte nicht nur den für alle kostenfrei zugänglichen Lesesaal ansehen, sondern auch hinter die Kulissen blicken. Am Morgen meines Termins mit einem Archivar war auch die Direktorin des Historischen Museums vor Ort, um einen Text zu vertonen, der in der Ausstellung "Strasbourg 1918-1924 Le retour à la France" zu hören sein wird, die in der letzten Woche meines Praktikums eröffnet wurde. Zu dieser Ausstellung wird es auch Präsentationen für die Mitarbeitenden in der Mittagspause geben.

Für den Archivar ist jedoch besonders die Arbeit mit Schulen von Bedeutung. Er sagt:

Ich weiß, welche Schätze in unserem Archiv versteckt sind, die anderen jedoch nicht.

Dies ist einer der Gründe, warum kaum noch Studierende das Archiv für ihre wissenschaftlichen Arbeiten nutzen. Ein anderer Grund ist, dass Vieles bereits digitalisiert und über das Internet zugänglich ist. Er weist darauf hin, dass momentan das Wichtigste ist, dass nicht vergessen wird, digitale Daten, wie zum Beispiel Mails, zu archivieren. Eine Besonderheit in Straßburg sind die unzähligen deutschen Dokumente. Im Gegenteil zu 30 Restauratorinnen und Restauratoren in Köln arbeiten nur zwei im Archiv in Straßburg.

Außer den Archivaren werden auch Bibliothekare und Verwaltungspersonal beschäftigt, die Schulen und Universitäten über Themen und Dokumente informieren, die interessant sein könnten, um dadurch wieder mehr Publikum ins Archiv zu locken. Das älteste Dokument stammt zwar nicht wie in Köln aus dem zweiten Jahrhundert, ist jedoch schon über 1.010 Jahre alt. Eine weitere Besonderheit ist die große Sammlung an Fotos, Plakaten und Plänen. Es ist noch unbekannt, was sich in den zahlreichen Kisten von Negativen auf Glas verbirgt. Adressaten des Archivs sind Bürgerinnen und Bürger der Stadt, aber auch viele Deutsche, die nach ihrer Familiengeschichte forschen.

Positives Fazit und Empfehlung an alle Interessenten

© Corinna Thomas

In meiner Freizeit war es mir wunderbar möglich, die Stadt und ihre Umgebung zu erkunden. Straßburg selbst bietet eine Großzahl von interessanten Sehenswürdigkeiten, die teilweise unter das UNESCO-Weltkulturerbe fallen.

Meine Vorstellungen haben sich mit der Realität nahezu komplett gedeckt. Meine Erwartungen an das Praktikum waren sehr hoch, wurden jedoch auch mehr als erfüllt: Ich habe sehr viel über die Verwaltung in Frankreich erfahren und konnte diese mit der deutschen Stadtverwaltung in Köln vergleichen.

Meine Kolleginnen und Kollegen waren sehr hilfsbereit, interessiert und offen. Meine Ansprechpartnerin vor Ort hat sich große Mühe gegeben, mir die Möglichkeit zu geben in so viele Bereiche wie nur möglich reinzuschauen. Es war spannend, Unterschiede zu finden, aber auch festzustellen, dass es viele Gemeinsamkeiten gibt. Besonders in der "Hauptstadt Europas" wird deutlich, dass viele Dinge nur funktionieren, wenn man zusammenarbeitet und diese Zusammenarbeit gefördert wird.

Ich denke sehr positiv zurück an die Zeit in Straßburg und kann nur allen Interessierten empfehlen, diese Erfahrung selbst auch einmal zu machen.