Ein persönlicher Erfahrungsbericht des Stadtinspektoranwärters Christian Fritz

In den letzten Wochen meiner dreijährigen Anwärterzeit bekam ich die Gelegenheit, ein von der Stadt Bonn vermitteltes Auslandspraktikum zu absolvieren. Ich hatte schon 2017 eine Studienfahrt der Städte Bonn und Köln nach Skopje in Mazedonien mitgemacht, eine Gruppenreise von Azubis, Anwärterinnen und Anwärtern. Dieses Mal war ich jedoch alleine unterwegs und hatte als Ziel ein ganz bestimmtes Amt in Gibraltar, das dortige Personalamt (Human Resources Department).

Mein Arbeitsalltag: Digitalisierung des Personalamts

Der Personalbereich in der Verwaltung in Gibraltar befindet sich derzeit im Umbruch: Vorher war alles stark dezentralisiert, jede Dienststelle hatte separate Prozesse, Richtlinien, Aktenvorgaben und oft auch eigene Word-/Excel-Vorlagen dafür. Jetzt wird zentralisiert und gleichzeitig eine neue Software eingeführt, welche dies alles abbilden kann und einfach und komfortabel per Weboberfläche bedienbar machen soll.

Während meines Aufenthalts kam ich in ein Projektteam, das genau diese Neueinführung plant und durchführt. Aufgabe des Teams ist es, die Konfigurationsmöglichkeiten der Software mit den echten Gegebenheiten vor Ort in Einklang zu bringen. Beispiel: in der Software kann man fünf verschiedene Hierarchieebenen (wie Ämter, Abteilungen, Sachgebiete und so weiter) definieren. Dummerweise gibt es in Gibraltar aber nicht exakt fünf, und die, welche es gibt, sind auch nicht stadtweit einheitlich. Oft möchten die Personalsachbearbeitenden bisher vorhandene Vorschriften und Vorgänge auch in der neuen Software gerne genauso abwickeln, wie bisher auch. Manchmal geht das, manchmal nicht. Dann muss diskutiert und abgestimmt werden, bis ein Kompromiss steht.

Grundsätzlich habe ich in meinen drei Wochen die Projektmanagerin begleitet und ihr assistiert. Daneben konnte ich auch zwei Kolleginnen helfen, interne Informations- und Schulungsmaterialien oder Blogeinträge für die künftigen Nutzer der Software zu erstellen. Denn die sollen sich nicht übergangen fühlen.

In der ersten und nochmal in der dritten Woche standen stadtweite Treffen der beteiligten Ämter an, von denen ich am Notebook jeweils Zusammenfassungen der aktuellen Situation und Aufgabenlisten für das Projektteam angefertigt habe. Das war gar nicht so einfach, da die Gibraltarians öfter unbewusst zwischen Spanisch und Englisch hin- und herwechseln, sogar mitten im Satz! Außerdem wurde in einer Runde aus zwölf Personen diskutiert und dabei immer wieder schnell hin- und her gewechselt.

Weiterhin konnte ich auch allerlei Konfigurations- und Auswertungsarbeiten mit MS Excel/Access und in der Weboberfläche der neuen Personalsoftware erledigen. Da ich schon in den Praxisabschnitten in Köln mit Digitalisierungsthemen zu tun hatte, kam ich schon mit passendem Vorwissen nach Gibraltar.

Alle Kollegen waren sehr nett und offen. Zwar sind viele Spezialisten dabei, die jeweils für sich am PC arbeiten, aber bei Fragen hatten alle ein offenes Ohr, haben erklärt, wie etwas zu tun ist und Neulinge wie mich direkt mit eingebunden. Zur Begrüßung hatte mein Ansprechpartner/Mentor sogar eine "Mappe für neue Mitarbeiter" vorbereitet, mit den wichtigsten Informationen zum Civil Service in Gibraltar und allen Tipps, die man so braucht, um sich vor Ort zurechtzufinden. Interessanterweise ist der Dresscode in Gibraltar etwas formeller als in der Kölner und Bonner Verwaltung. Auch die "normalen" Mitarbeiter unterhalb der Leitungsebene haben immer Lederschuhe, Anzughose und Businesshemd an (Männer) oder Kostüm beziehungsweise Kleid (Frauen). Zur Begrüßung hatte ich natürlich ein paar Gastgeschenke aus dem KölnShop dabei, so etwas kam auch damals auf der Studienfahrt nach Skopje immer sehr gut an.

Ja wo sind denn die Azubis in Gibraltar?

Wenn ich schon mit dem Personalbereich zu tun hatte, wollte ich natürlich auch etwas über die Nachwuchsgewinnung vor Ort erfahren: Eine duale Berufsausbildung im deutschen Sinne (Berufsschule plus Praxis im Betrieb) gibt es nicht, auch kein duales Studium.

Üblich ist, dass Interessierte eine normale Universität besuchen (oft in Großbritannien), um sich danach in Gibraltar für Einstiegspositionen (Junior Level) als Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter zu bewerben und mit der Zeit aufzusteigen. So fängt man zum Beispiel als Executive Officer an und kann dann zum Higher Executive Officer und später zum Senior Executive Officer befördert werden. Für spezialisierte Positionen werden jedoch auch berufserfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Privatwirtschaft eingestellt.

Davon abgesehen ist die Atmosphäre im Civil Service ähnlich wie auch im öffentlichen Dienst bei uns in Deutschland, man bleibt in der Regel sein Berufsleben lang dabei, wenn man einmal "drin" ist. Neben der Kernverwaltung gibt es auch eine ganze Menge an ausgegliederten Agencies und Authorities, in etwa vergleichbar mit Tochtergesellschaften deutscher Kommunen; für Abfallentsorgung, Krankenhäuser, Gas/Wasser/Strom und so weiter.

© Stadt Köln/Christian Fritz

Leisure activities: das Kultur- und Freizeitangebot

Absolute sehenswert ist The Rock, ein Felsbrocken, der 40 % des sowieso schon kleinen Stadtgebietes vereinnahmt. Auf dem Felsen ist alles als Naturschutzgebiet ausgewiesen (Upper Rock Natural Reserve). Zu bestaunen gibt es freilaufende Berberaffen, die sehr zutraulich sind und sich gerne auf die Schultern von Touristinnen und Touristen setzen. Herauf kommt man entweder mit einer Seilbahn oder mit Mini-Vans von privaten Tourveranstaltern, welche die lange Warteschlange vor der Seilbahn abklappern. Ich habe mich tatsächlich überzeugen lassen, denn das schlagende Argument für mich war: Die Mini-Vans fahren einen oben in der Nachmittagshitze bequem herum, während man nach der Seilbahn zu Fuß herumlaufen und schwitzen darf.

Überall in der Stadt sind typisch britische Infrastruktur und Alltagsgegenstände zu sehen (Briefkästen, Mülleimer, Telefonzellen und Straßenschilder, britische Flaggen und Steckdosen, die Supermarktkette Morrisons), während aber gleichzeitig auch überall Spanisch zu hören ist.

Die Geschäfte in der Main Street, der zentralen Fußgängerzone, schließen allerdings bereits um 19 Uhr, ab 22 Uhr tun dies auf einmal auch (fast) alle Restaurants und Cafés. Dann werden "die Bürgersteige hochgeklappt" – eine sehr merkwürdige Erfahrung im Mittelmeerraum. Es gibt aber dennoch auch "spät" noch ein paar Ecken, an denen etwas los ist. Zum Beispiel das recht neue Stadtviertel Ocean Village, welches auf aus dem Meer gewonnenem Land entstanden ist und ein fast schon karibisches Flair bietet, mit Bambusrohr-Geländern, Palmen und Cocktailbars. Nicht zu vergessen: das schwimmende Casino an Bord des Kreuzfahrtschiffes Sunborn, das permanent in Gibraltar ankert.

Natürlich gibt es auch ein paar Sportanlagen, die vor allem eins auszeichnet: eine Klimaanlage, die alles auf 20°C herunterkühlt! Denn sonst macht Sport bei der hohen Luftfeuchtigkeit nicht so viel Spaß in Gibraltar, jedenfalls nicht tagsüber. Abends spielen dagegen häufiger Fußballmannschaften im Victoria Stadium, das direkt an der Grenze und unmittelbar an der dortigen Flughafen-Landebahn liegt. Und natürlich gibt es noch die Strände an der Ostseite Gibraltars: klein, aber schön und nur circa einen Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.

Fazit: see you - jederzeit wieder!

Insgesamt ist Gibraltar eine spannende Mischung aus sehenswerter Kleinstadt im Süden Spaniens und gleichzeitig belebtem internationalem Geschäftszentrum. Alle Kolleginnen und Kollegen in der dortigen Verwaltung waren sehr nett und haben sich viel Mühe gegeben, mich trotz des kurzen Aufenthaltes einzuarbeiten und einzubinden.

Ich habe viele tolle Eindrücke und Erfahrungen sammeln können. Oft sind es die ganzen Kleinigkeiten im (Büro-)Alltag, bei denen einem plötzlich auffällt, dass sie eben doch nicht europaweit gleich und selbstverständlich sind. Und das erst einmal zu bemerkten, zu akzeptieren und daraus zu lernen, nicht zuletzt dafür ist so ein Auslandspraktikum ja da!