Die Untersuchung wurde vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück durchgeführt.

Untersucht wurden die folgenden Fragen:

  • Sind die Erkenntnisse der bereits durchgeführten Studien zu der Thematik "Menschen ohne Papiere" (München 2003 und Frankfurt 2006) auf Köln übertragbar?
  • Ergibt sich daraus ein kommunaler Handlungsbedarf für die Bereiche Gesundheitswesen und Erziehung von Kindern und Jugendlichen?

Warum wurde die Studie durchgeführt?

Seit Mai 2005 beschäftigte sich der "Runde Tisch für Flüchtlingsfragen" mit dem Schwerpunktthema "Menschen ohne Papiere in Köln".

Im Herbst 2005 fand im Rahmen einer Sondersitzung des "Runden Tisches für Flüchtlingsfragen" ein erstes Fachgespräch mit Experten der Münchner Verwaltung und des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland zum Thema statt.

Im Dezember 2006 folgte der Rat der Stadt Köln der Empfehlung des "Runden Tisches für Flüchtlingsfragen", "dass, um den sozialstaatlichen Anforderungen zu genügen und soziale Mindeststandards und menschenrechtliche Grundsätze einzuhalten, eine Diskussion über einen etwaigen kommunalen Handlungsbedarf nur auf der Basis einer auf die Kölner Verhältnisse abgestimmte Studie geführt werden kann", und beauftragt (unter finanzieller Beteiligung des Diözesan-Caritasverband, des Deutschen Caritasverbandes und der Stadt Köln) eine Untersuchung zum Thema "Menschen ohne Papiere in Köln".

Ergebnisse der Studie

Die Ergebnisse der Studie in zusammen gefasster Form:  

Warum kommen diese Menschen?
Leben ohne Papiere ist kein spezifisches Kölner, sondern ein zunehmendes, grenzüberschreitendes, europäisches und weltweites Problem. Großstädte und Ballungsräume üben hier generell eine große Anziehungskraft auf diesen Personenkreis aus.

Weltweite Ungleichheitsverhältnisse führen dazu, dass die reicheren Länder in der Welt und damit auch Deutschland und Europa zu Regionen der weltweiten Zuwanderung geworden sind. Dies ist kein aktuelles Phänomen, sondern eine seit Jahrhunderten und in jeweils unterschiedlichste Richtungen existierende "Wanderungsbewegung" von Menschen, die "ihr Glück versuchen".

Die moderne Gesellschaft ist hier durch den inneren strukturellen Widerspruch gekennzeichnet, dass sie einerseits Menschen in ärmeren Ländern permanent starke Motive zur Migration gibt (Massenmedien transportierten weltweit Bilder über die Situation in reichen Ländern; das Lohngefälle zwischen Heimat- und Zuwanderungsland ist exorbitant), die sie andererseits zugleich wieder versucht mit staatlichen Mitteln einzuschränken. Das heißt: In den Strukturen der Gesellschaft selbst liegt der Bedarf für "irreguläre Migranten" begründet, deren Anwesenheit der Gesellschaft andererseits wieder zum Problem wird. 

Menschen versuchen einer perspektivlosen Situation im Heimatland zu entkommen und bemühen sich ihre Teilnahmechancen an Bildungssystemen und Arbeitsmärkten in Zuwanderungsländern dort für sich zu realisieren, wo sie ihnen zugänglich sind. "Irreguläre Migranten" erfüllen im Kern den gesellschaftlichen Anspruch an Mobilität und gehen dorthin, wo Arbeit angeboten wird.

"Irreguläre Migranten" treffen - ansonsten könnten sie hier nicht "überleben"- augenscheinlich auf eine hohe Nachfrage bezüglich der ihrerseits angebotenen Arbeitskraft.

Die meisten irregulären Migranten begeben sich unmittelbar nach ihrer Ankunft auf die Suche nach Beschäftigung, um Geld zu verdienen und Teile davon ins Herkunftsland zwecks Unterstützung ihrer Angehörigen zu schicken. 

Um welche Personen handelt es sich?
Die Gruppe der "Menschen ohne Papiere" ist wenig homogen.

Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl zunächst legal als Tourist, Studierender, Au Pair, Saisonarbeiter oder Asylbewerber einreist und anschließend die zugebilligte Aufenthaltszeit überzieht. Wechsel zwischen aufenthaltsrechtlicher Legalität und Illegalität sind nicht selten.

Teilweise werden Migranten auch über mafiotisch organisierte Schlepperorganisationen eingeschleust und leben anschließend über Jahre in extremen Abhängigkeitsverhältnissen zu ihren Schleusern oder auch Zuhältern.

Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass sich dieser Personenkreis -aus naheliegenden Gründen- absolut überangepasst und unauffällig in der Stadt bewegt. Die Studie spricht von Fällen, in denen sich Menschen seit 15 Jahren in Köln illegal aufhalten. 

Aus welchen Ländern kommen diese Menschen?
Der Zuzug von irregulären Migranten orientiert sich auch an einer evtl. bereits vor Ort befindlichen entsprechenden community. In Köln halten sich Türken/Kurden und Personen aus westafrikanischen Staaten (Nigeria, Ghana), Südamerika/Peru und aus osteuropäischen Staaten (außerhalb der EU) illegal auf. 

Wie viele "Menschen ohne Papiere" gibt es?
Naturgemäß ist es schwierig die Zahl der in Köln lebenden Menschen ohne Papiere zu benennen.

Schätzungen und Hochrechnungen zum Beipiel auf der Grundlage der "Aufgriffe illegal eingereister Ausländer" beim Bundesgrenzschutz, freiwillige Meldungen der Betreffenden bei den Behörden zur freiwilligen Rückkehr oder Anzahl der bei Beratungsstellen vorsprechenden Personen, geben keine verlässlichen Zahlen über die tatsächliche Größe dieser Gruppe.

Im Sinne eines "intelligenten Ratens" wurde in 2005 seitens des Soziologen Herrn Alt vermutet, dass sich 1 bis 1,5 Millionen Menschen illegal in Deutschland aufhalten. Die Zahl von 20.000 irregulären Personen in Köln hielt Herr Alt seinerzeit als zu niedrig angesetzt. 

Wo arbeiten diese Menschen?
"Menschen ohne Papiere" arbeiten zusehends vermehrt im Bereich der Privathaushalte und verrichten dort Haus- und Pflegearbeiten (insbesondere auch häusliche Pflege von Angehörigen). Hier sind offensichtlich hohe Löhne zu erzielen und es können vor Kontrollen weitgehend geschützte Arbeitsverhältnisse eingegangen werden. Diese auf gegenseitigem Vertrauen bestehenden und am gemeinsamen Interesse an der Vermeidung einer Aufdeckung orientierten Arbeitsverhältnisse im hauswirtschaftlichen und privaten Pflegbereich (Tätigkeiten in der Privatsphäre, sensibler Bereich der Pflege von Angehörigen), werden offensichtlich in steigendem Masse vereinbart.

Zurück gegangen sind offensichtlich die Zahl der Beschäftigungen im Baugewerbe und im Gastronomiewesen, da hier das Kontrollrisiko in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist und diese Tätigkeiten vergleichsweise schlechter bezahlt werden.

Oftmals erhalten "irreguläre Migranten" nicht die mündlich vereinbarte Vergütung für ihre Tätigkeiten. Beschwerden werden seitens der Arbeitgeber mit Hinweis auf die "eingeschränkte Konfliktfähigkeit" des Arbeitnehmers abgewiesen und mit Meldung des fehlenden Aufenthaltsstatus bei den Ordnungsbehörden gedroht.

Wo wohnen diese Menschen?
Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Köln sind bereits hier lebende Kontaktpersonen aus dem Heimatland wichtige Anlaufstellen, bei denen eine anfängliche Unterbringung ("Unterschlupf") versucht wird.

Anschließend leben sie in Wohngemeinschaften, Einzimmerappartements oder Wohnungen (wenn sich ein Arbeitsverhältnis etabliert hat) oft sehr beengt, mit fehlender Privatsphäre und schwierigen Wohnbedingungen, zu teilweise extrem hohen Mieten. Insbesondere Frauen berichten von sexuellen Übergriffen und Willkür, der sie sich manchmal nur durch Flucht aus der Wohnung und anschließender akuter Notlage entziehen können. 

Warum beschäftigen sich der Rat und die Verwaltung mit diesem Thema?
"Die Würde des Menschen ist unantastbar und unteilbar".

"Menschen ohne Papiere" halten sich in Köln faktisch auf, arbeiten, wohnen und leben hier; einige gründen Familien. Die Anwesenheit und Beschäftigung irregulärer Migranten ist ein Stück bundesrepublikanische Normalität.

Es soll niemand eingeladen werden sich hier in Köln illegal aufzuhalten und die bestehenden Gesetze zu übertreten. Es muss aber ein pragmatischer Umgang -eine "mittlere Spur"- zwischen Verteufelung und Verharmlosung dieses komplexen Sachverhaltes gefunden werden. 

Die Stadtgesellschaft muss sich mit diesem offensichtlich nicht verhinderbaren Phänomen des illegalen Aufenthalts dieser Menschen in Köln beschäftigen und in angemessener und pragmatischer Art versuchen, allgemeine sozialstaatliche Anforderungen zu erfüllen und soziale Mindeststandards einzuhalten, um auf evtl. Notlagen dieser Menschen angemessen zu reagieren.

Angemessene Reaktionen sind insbesondere dann erforderlich, wenn in Köln bei Menschen dramatische gesundheitliche Notlagen (auch Gefährdung durch Seuchen und so weiter) entstehen, Menschen bedroht und ausgebeutet werden und Kinder aufgrund der seitens der Eltern gewählten Lebensweise keine Minimalchance auf eine kindgerechte Entwicklung haben.

Handlungsempfehlungen

Aus der Situation der "Menschen ohne Papiere“ heraus ergeben sich verschiedene Problemstellungen, die sowohl unter dem Leitbild einer solidarischen Stadtgesellschaft, als auch unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr (für die Betroffenen und die Allgemeinheit) bewusst zur Kenntnis genommen und geeignete Handlungsmöglichkeiten entwickelt werden müssen.

"Die…Handlungsempfehlungen…orientieren sich daran, wie in den…Bereichen…die für die alltägliche Lebensführung…von irregulären Migranten entscheidend sind,…Arrangements gefunden werden können, durch die hohe menschliche und soziale Kosten vermieden werden können, wie sie im Leben von irregulären Migranten ersichtlich anfallen. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass das Ziel ist, sich einem Sachverhalt politisch zu stellen, den niemand wünschen, aber gegenwärtig und absehbar in der nächsten Zeit niemand wirklich grundlegend verändern oder aufheben kann. Es geht daher darum…einen pragmatischen Ausgleich zu finden zwischen dem Interesse irreguläre Migration nicht zu forcieren und auf der anderen Seite Notlagen zu lindern oder zu verhindern“(Zitat aus der Studie).

• Das Thema "Menschen ohne Papiere“ muss in Köln weiterhin inhaltlich begleitet und diskutiert werden.
Der vom Rat eingesetzte "Runde Tisch für Flüchtlingsfragen“ wird das Thema in sein Aufgabenspektrum aufnehmen und weiterhin inhaltlich begleiten.

• Strikte Beachtung der rechtsstaatlichen Vorschriften und Gesetze
Generell sind im Umgang mit diesem Personenkreis die bestehenden strafrechtlichen Aspekte angemessen zu beachten.
Die verschiedenen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der
- § 95 AufenthG und § 27 StGB "Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“, sowie
- § 87 "öffentliche Stellen haben unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie Kenntnis von dem Aufenthalt eines Ausländers ohne erforderlichen Aufenthaltstitel erhält“
sind seitens der Arbeitsgruppe in jedem Fall ausführlich diskutiert und bezüglich der vorhandenen Handlungsspielräume bewertet worden.


• Zentraler Ansatzpunkt ist es immer eine Klärung der aufenthaltsrechtlichen Situation herbeizuführen.
In Köln gibt es für Menschen ohne Papiere, seitens verschiedener Wohlfahrtsverbände und Träger der Flüchtlingsarbeit, ein Beratungsangebot hinsichtlich bestehender Legalisierungs- und Rückkehrmöglichkeiten ins Heimatland.
Bei freiwilliger Rückkehr ins Heimatland können finanzielle Hilfen aus dem IOM Programm des Bundes gegeben werden.
Die Verwaltung wurde beauftragt zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine finanzielle Unterstützung zur Ausweitung der Beratungstätigkeit erforderlich ist.

• Es dürfen keine dramatischen gesundheitlichen Notlagen entstehen.
In Köln besteht ein zurzeit ausreichendes medizinisches Hilfeangebot für "nicht kran-kenversicherte Menschen“ in Notlagen.
Zur Finanzierung insbesondere stationärer Behandlungskosten werden die Evangeli-sche und die Katholische Kirche auf der Basis eines bereits bestehenden Hilfefonds des Diakonischen Werkes, einen Verein zur Finanzierung eines "Fonds Armenbetten für Menschen ohne Krankenversicherung“ gründen und eine Mittelakquise über Spenden betreiben.
Die Verwaltung wurde auch hier beauftragt zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine finanzielle Unterstützung dieses "Fonds Armenbetten für Menschen ohne Krankenversicherung“ erforderlich ist.

• Kinder müssen geschützt und in ihrer Entwicklung unterstützt werden.
Geburtsurkunden:
In Köln ist eine Erteilung von Geburtsurkunden ohne unmittelbare Aufdeckung des irregulären Status möglich. Der Besitz einer Geburtsurkunde ist für Kinder irregulärer Personen von ganz erheblicher Bedeutung.
Kindergartenbesuch:
Kindergärten in freier Trägerschaft können Kinder von "Menschen ohne Papieren“ zum Beispiel als Besucherkinder aufnehmen.
Inwieweit die Stadt freie Träger in diesen Fällen mit Globalmitteln unterstützt wird zurzeit noch diskutiert.
Schulbesuch:
Alle Kölner Schulleiter (als Mitarbeiter öffentlicher Stellen) wurden über die aktuelle Rechtslage, welche ihnen die Aufnahme von Schülern ohne Prüfung einer eventuellen Irregularität (siehe § 87 AufenthG) erlaubt, informiert.

• Ausbeutung finanzieller Art muss verhindert werden
Bei einer Beschäftigung von Schwarzarbeitern können Firmen bei der Vergabe von städtischen Aufträgen ausgeschlossen werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund Köln hat sich bereit erklärt, in Einzelfällen irregulären Menschen, die zum Beispiel um ihren Arbeitslohn betrogen wurden, entsprechende Hilfestellungen zu geben.

• Ausnutzung von Notlagen muss verhindert werden
Die Kirchen erarbeiten zurzeit Möglichkeiten der kurzzeitigen Bereitstellung von "Armenbetten“, um Menschen in akuten Notlagen eine vorübergehende Unterbringung zu ermöglichen.


Die Stadtverwaltung hat für alle relevanten Bereiche den Beratungsstellen kompetente Ansprechpartner der Behörden für diesen Personenkreis benannt.

Die bundesweite Fachöffentlichkeit verfolgt die in Köln erarbeiteten Handlungsempfehlungen zum pragmatischen Umgang mit dieser Personengruppe mit großem Interesse.

Die ganze Studie stellen wir Ihnen als PDF-Datei zur Verfügung.

Studie zu Menschen ohne Papiere in Köln
PDF, 671 kb