Das Rheinische Bildarchiv trauert um den Kameramann und Fotografen

© Rheinisches Bildarchiv

Josef Kaufmann starb am 4. Dezember 2017 in Köln. Geboren am 14. November 1936 in Israel als Kind deutsch-französischer Eltern sprach er Deutsch, Französisch und Iwrit, aber ebenso Englisch, Spanisch und etwas Arabisch. Diese vielfältigen Sprachkompetenzen waren für ihn von großer Bedeutung, weil sie es ihm ermöglichten, mit den Menschen, über die er als Kameramann berichtete, in unterschiedlichsten Kulturkreisen persönlich in Kontakt zu kommen.

Nach einem Schlaganfall vor wenigen Jahren erkämpfte er sie mit der gleichen Disziplin und Genauigkeit zurück, die für ihn genauso wie sein Humor und sein feines Gespür für das Zwischenmenschliche typisch waren.

Für das bewegte Bild wurde er schon in seiner Kindheit und Jugend sensibilisiert. Seine Eltern besaßen einen Kinofilmverleih. Zum Kameramann wurde er bei der Arca-Filmproduktion GmbH in Berlin ausgebildet. Dort absolvierte er Volontariat und Lehre. Von 1959 bis zu seinem Ruhestand zum Jahreswechsel 2001/2002 arbeitete er als Kameramann des WDR, der ARD und des ZDF in Studios in Deutschland (Köln), Frankreich (Paris) und den USA (New York).

Seine Arbeits- und persönlichen Interessenschwerpunkte lagen beim Dokumentarfilm und der Reportage in den Bereichen Politik und Zeitgeschichte, insbesondere der Berichterstattung von den Krisenherden der Welt. Er bereiste mit unterschiedlichen Journalisten - so elf Jahre lang mit Peter Scholl-Latour - aber auch mit Georg Stefan Troller, Ralph Giordano, Helmut Grosse oder Ulrich Wickert und Klaus Richter zahlreiche Länder in Europa, Asien, Afrika, Amerika, Australien oder im Nahen Osten. Die Bedeutung seines Werks liegt vor allem auch darin, dass an ihm die bundesdeutsche Wahrnehmung der dargestellten Länder über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten ablesbar ist, beziehungsweise sein Blick diese Wahrnehmung maßgeblich mitprägte.

Kunst und Kultur spielten in seinem Schaffen ebenso eine Rolle, so beispielsweise in dem 1969 bis 1971 entstandenen Dokumentarfilm "Hundertwassers Regentag", in dem Peter Schamoni den Wiener Künstler Friedensreich Hundertwasser porträtierte. Er drehte auch vier Spielfilme für den Bayerischen Rundfunk. Kaufmann erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, darunter mehrfach den Grimme-Preis.

Das Fotografieren könnte man als seine geheime Leidenschaft bezeichnen, während er das bewegte Bild zu seinem Beruf gemacht hatte. Zahlreiche Making-Of-Fotografien zeigen ihn an der Filmkamera stehend mit umgehängtem Fotoapparat. Kaufmanns Fotografieren war zwar dem Drehen untergeordnet, profitierte jedoch maßgeblich von den dadurch gegebenen Rahmenbedingungen.

Insbesondere in den Ländern, in denen Fotografinnen und Fotografen politisch bedingten Restriktionen ausgesetzt waren, streng überwacht, sanktioniert und womöglich zensiert wurden, konnte Kaufmann am Rande der offiziell genehmigten Dreharbeiten verhältnismäßig ungestört fotografieren.

Die obligatorischen Begleiter wie Dolmetscherinnen und Dolmetscher oder Chauffeure konzentrierten sich auf die Filmarbeiten und nicht auf die "nebensächliche" Fotografie. So verließ das Fotomaterial letztendlich ungehindert das jeweilige Land und vermittelt nun schonungslos die Situation beispielsweise in Vietnam 1976 kurz nach dem Vietnamkrieg (1955 bis 1975).

Es entstanden viele politisch motivierte Fotografien mit gesellschaftskritischem Blick auf Ungerechtigkeit, Zerstörung und menschliches Leid, aber auch Landschafts- und Architekturaufnahmen.

Einen dominanten Anteil seines fotografischen Werkes nehmen Porträts ein. Die meisten sind sehr ästhetische Nah- oder Halbnahaufnahmen, die ebenfalls aus der speziellen Drehsituation heraus in dieser Unmittelbarkeit möglich wurden und gerade dadurch eine starke Ausstrahlung und Natürlichkeit erhalten konnten. Sie wirken nie inszeniert oder gestellt.

Kaufmann fotografierte genauso wie er filmte. Seine Bildausschnittswahl war durch die gestalterische Kadrierung beim bewegten Film beeinflusst. Er wählte grundsätzlich bereits bei der Fotoaufnahme den endgültig angestrebten Bildausschnitt – hat also auch beim Stehbild die Aufnahme selbst immer im vollen Format gestaltet. Nachträgliches Beschneiden war ihm fremd. Wurden Fotografien, die er den Sendeanstalten, Zeitschriften oder auch Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stelte, in Print-Publikationen verwendet, passierte es unabhängig von ihm, dass die Grafikerinnen und Grafiker Ausschnitte verwendeten – in der Regel, weil er schon wieder auf Reisen war und der Nutzung seiner Fotografien eigentlich wenig Aufmerksamkeit schenkte.

Seine Fotografien fanden dennoch in zahlreichen Fotoreportagen in Zeitschriften und Büchern Verwendung und wurden in Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. 1975 berief die Deutschen Gesellschaft für Fotografie Kaufmann wegen seiner Verdienste um die Fotografie zum ordentlichen Mitglied. 1981 und 1990 veröffentlichte er gemeinsam mit Peter Scholl-Latour die Fotobücher "7 Gesichter Chinas" und "Asien: Ein verlorenes Paradies".

Jossi Kaufmann lebte über 40 Jahre mit seiner Frau Ute in Köln und fühlte sich der Stadt persönlich sehr eng verbunden. Aus dieser Verbundenheit heraus war ihm der Verbleib seines sehr qualitätvollen und umfangreichen fotografischen Werks in Köln enorm wichtig. Erst Anfang 2016 befasste er sich mit der Frage der dauerhaften Aufbewahrung der rund 50.000 Kleinbild-Diapositive und einigen hundert Kleinbild-Colornegativ-Aufnahmen.

Ende 2016 konnte das Rheinische Bildarchiv den Bestand schließlich mit der Unterstützung des Dezernats für Kunst und Kultur der Stadt Köln erwerben. Kaufmann genügte es aber keineswegs, für seine Fotografien einen sicheren Ort gefunden zu haben. Im Verlauf des Jahres 2017 investierte er über 30 Nachmittage in das gemeinsame Sortieren und Beschreiben der gut 48.000 Fotografien, die schließlich an das Rheinische Bildarchiv gegangen sind. Der letzte gemeinsame Termin fand Anfang Dezember 2017 statt. Sein persönliches Ziel, sie geordnet zu übergeben, hat er bis auf einige wenige Aufnahmen erreicht. Trotz der tiefen Trauer um den Verlust des Menschen, Kameramannes und Fotografen Jossi Kaufmann bleibt die große Dankbarkeit für diese gemeinsame intensive Zeit, sein Engagement und sein Bewusstsein für die Bedeutung der Fotografie als gesellschaftspolitisches Instrument und ästhetisches Ausdrucksmittel.

Dem Rheinischen Bildarchiv bleibt es nun, Josef Kaufmanns Vermächtnis zu erfüllen und sein fotografisches Lebenswerk nach Reisen und Ländern geordnet gemeinsam mit zahlreichen Reportagemanuskripten und den Erschließungsinformationen aus den wöchentlichen Interviews verfügbar zu machen. Zunächst werden sie als eigener Fotografenbestand klimatisch so eingelagert, dass die Gefahr farblicher Veränderungen der dafür so anfälligen analogen Farbfilme möglichst weit reduziert wird. Anschließend wird die langfristige öffentliche Verfügbarkeit durch Digitalisierung, wissenschaftliche Dokumentation und Bereitstellung in der Bilddatenbank des Rheinischen Bildarchives "Kulturelles Erbe Köln" gewährleistet.

Text von Dr. Johanna Gummlich