© Paulo dos Santos; Kranhäuser: BRT Architekten Bothe Richter Teherani sowie Dipl. Ing. Architekt Alfons LINSTER, LINSTER-Architekten + Generalplaner

Die Veranstaltungsreihe Kölner Perspektiven haben wir im Jahr 2016 gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer zu Köln, dem Kölner KAP Forum - Architektur, Technologie, Design sowie dem Kölner Stadtanzeiger mit dem Schwerpunkt "Strategische Stadtentwicklung" fortgesetzt. Die vierteilige Reihe widmete sich den Fragestellungen der zukünftigen, strategischen Gestaltung wachsender Städte. 

Dabei stellten wir herausragende Ansätze strategischer Stadtentwicklung europäischer und deutscher Städte vor und luden international anerkannte Expert*innen zum Gespräch nach Köln.

Es ging um die Frage, wie die unterschiedlichen, aus dem Wachstum entstehenden Herausforderungen und Ansprüche an die Stadtentwicklung miteinander in Einklang gebracht werden können und welche Steuerungs- und Gestaltungsmöglichkeiten dafür zur Verfügung stehen.

Vorträge der internationalen Expert*innen

Vortrag Koos van Zanen, Amsterdam

Im Forum der Volkshochschule im Rauchenstrauch-Joest-Museum eröffnete Franz-Josef Höing, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr am 13. Juni die "Kölner Perspektiven 2016". Der Auftakt startete mit einem Vortrag des niederländischen Stadtplaners Koos van Zanen zum Thema "Structural Vision Amsterdam 2040 - Economically strong and Sustainable" (Räumliches Leitbild Amsterdam 2040 – Wirtschaftlich stark und nachhaltig). Das räumliche Leitbild wurde 2011 von der International Society of City and Regional Planners mit einem Award for Excellence ausgezeichnet und unterstreicht somit die Vorreiterrolle der Stadt Amsterdam bei Fragen zur Strategischen Stadtentwicklung.

© Stadt Köln
Referent Koos van Zanen

Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung in Amsterdam

Koos van Zanen blickte zunächst kurz in die Geschichte zurück:

Amsterdam hat sich aus der Handelsstadt im neunzehnten Jahrhundert zunächst in eine Industriestadt verwandelt. Nach dem zweiten Weltkrieg wird daraus die "moderne", auf den Autoverkehr ausgerichtete Stadt, die sich ins Umland ausdehnt. Seit 1985 entwickelt sich Amsterdam zur wissensbasierten Stadt, mit einer starken Bedeutung der Kreativwirtschaft. Die Stadt Amsterdam erlebt - zeitlich früher und in noch höherem Umfang als Köln - einen starken Zuzug und eine starke Nachfrage nach urbanem Leben.

Anhand von Satellitenbildaufnahmen zeigte van Zanen eindrucksvoll die Ähnlichkeit von Amsterdam und Köln. Beide Städte kennzeichnen sich durch eine etwa halbkreisförmigen Innenstadt und die Lage am Fluss aus: Köln am Rhein und Amsterdam am Ij. Beim Vergleich beider Städte ist jedoch eine Besonderheit Amsterdams zu berücksichtigen: 80 Prozent der Fläche Amsterdams befindet sich in städtischen Eigentum. Das macht die Stadtentwicklung einfacher als anderswo, zum Beispiel die Errichtung von Sozialwohnungen, von denen es in Amsterdam 215.000 gibt, in Köln hingegen nur etwa 40.000.

Das räumliche Leitbild der Stadt Amsterdam: Structural Vision Amsterdam 2040 – Economically strong and sustainable

Zunächst erklärte van Zanen die Aufgabe des räumlichen Leitbildes:

Es stellt ein Szenario für die zukünftige räumliche Entwicklung der Stadt dar und umfasst eine Vision der Stadtentwicklung bis zum Jahr 2040, Umsetzungsphasen und Instrumente. Klar herausgestellt wird, dass es kein Plan, keine Blaupause und kein Flächennutzungsplan ist. Anders als in Deutschland, ist die Erstellung eines räumlichen Leitbildes für die Stadtentwicklung in den Niederlanden verpflichtend und wird durch die Regierung vorgegeben (National Act on Spatial Planning, Wet ruimtelijke ordening). Die Stadt Amsterdam blickt somit auf eine lange Tradition zurück und hat seit 1934 kontinuierlich alle acht bis neun Jahre ihr Leitbild fortgeschrieben. Die Arbeit an dem derzeitigen räumlichen Leitbild wurden 2008 begonnen und 2011 abgeschlossen.

Koos van Zanen betont, dass die Frage des "Warums" zunächst im Vordergrund stand. Die Notwendigkeit eines räumliches Leitbildes begründet er so: Es hilft bei der Frage, wie die Stadt zukünftig ökonomisch und physisch bestehen und sich weiterentwickeln kann. Erst nach der Klärung des Warums, hat man sich in Amsterdam mit dem Was, Wo, Wie und Wann befasst. Mehrfach betont der Stadtplaner die Bedeutung der Bewohnerinnen und Bewohner für die Stadtentwicklung:

Die Stadt braucht die Menschen, die Menschen brauchen die Stadt.

Der Erstellungsprozess des räumlichen Leitbildes erfolgte daher unter Einbeziehung der Stadtgesellschaft: Nach einem ersten Entwurf bestand zwölf Wochen lang die Möglichkeit Rückmeldungen, Hinweise und Anregungen einzubringen. 420 schriftliche Reaktionen aus der Bürgerschaft, der Politik, von Fachleuten und Handelskammer gingen bei der Stadtverwaltung ein und veränderten das Konzept in 49 Punkten substantiell. Im Ergebnis entstand ein Konzept, das zu drei Vierteln aus einer Vision für die zukünftige Stadtentwicklung und zu einem Viertel aus Regulierungen besteht. Zur Erstellung des Konzeptes wurden sowohl die weltweiten Trends der Stadtentwicklung, wie zum Beispiel Klimawandel, Strukturwandel der Wirtschaft oder die Verknappung fossiler Brennstoffe, als auch lokale Besonderheiten im Rahmen einer umfassenden Bestandsanalyse, zum Beispiel zur Nutzungsstruktur der Innenstadt, zu Kosten für Wohneigentum, berücksichtigt. Erst nach dieser Bestandsaufnahme fand sich das Motto für die Vision 2040: "ökonomisch stark und nachhaltig", wobei die ökonomische Stärke auf der Kreativwirtschaft und wissensbasierter Industrien aufbaut, jedoch auch die Nachhaltigkeit mitberücksichtigt. Zentrales Ziel der räumlichen Zukunftsvision ist es, Amsterdam als Kernstadt einer international wettbewerbsfähigen, nachhaltigen europäischen Metropole zu entwickeln.  

Sieben räumlichen Herausforderungen sahen sich die Autoren der Vision 2040 gegenüber:

  • Nachverdichtung, dass heißt neuer Wohn-und Arbeitsraum soll innerhalb der Stadt geschaffen werden
  • Transformation von Räumen für neue Nutzungen, etwa von brachgefallenen Industrieanlagen
  • Investitionen in den öffentlichen Raum, zum Beispiel in Rad- und Fußwege oder öffentliche Plätze
  • Investitionen in Grünanlagen und
  • Investitionen in die Verbesserung der Wasserqualität
  • Orte für nachhaltige Energiegewinnung, wie Windenergie, schaffen
  • Platz finden für die Olympischen Spiele 2028.
    Dieser Plan wird aber von der Stadt Amsterdam vorerst aufgrund einer nationalen Entscheidung gegen die Olympischen Spiele nicht weiter verfolgt.

Zur Lösung dieser Herausforderungen wurden vier zentrale räumliche Perspektiven entwickelt:

  • Die Erweiterung des Stadtzentrums: die Innenstadt dehnt sich über den Grachten-Ring aus und überspringt den Ij
  • Die engere Verflechtung von Stadt und Umland
  • Die Entwicklung am Wasser, besonders am Ufer des Ij
  • Ansiedlung von internationalen Firmen im südlichen Amsterdam (Zuidas)

Anhand einiger Beispiele zeigte van Zanen wie die Ziele des räumlichen Leitbildes konkret umgesetzt werden. Schon seit den 1990er Jahren werden die Flussufer für die Stadt zurückgewonnen, zum Beispiel durch eine Gruppe künstlicher Inseln, die zum Teil schon fertig und bewohnt sind (Ijburg). Pläne gibt es zudem für die Umwandlung von Industrieanlagen am Wasser oder für die Erschließung des alten Holzhafens. Die Verwirklichung der Vision 2040 soll sich in Zehn-Jahres-Phasen vollziehen. 

Dabei muss klar sein, wie zukünftig Flächen genutzt werden:

  • Wo sollen sich zukünftig Bürogebäude befinden?
  • Wie sollen sich Industriebrachen entwickeln?
  • Wo können und sollen Standorte für Hochhäuser entwickelt werden?
  • Ein Grün-Plan muss erstellt sowie Flächen für Infrastruktur reserviert werden.  

In diesem Jahr wurde im Rahmen einer Evaluation kritisch geprüft, ob die 2011 erstellte Vision unter den sich wandelnden Rahmenbedingungen, zum Beispiel deutliches stärkeres Einwohnerwachstum als in 2011 erwartet, starke Zunahme des Fahrradverkehrs, starke Zunahme des Tourismus, zum Beispiel Bereitstellung von Wohnungen für Touristinnen und Touristen über die Internetplattform AirBnB oder selbstfahrende Autos, noch funktioniert. Diese kritische Betrachtung zeigte, dass das räumliche Leitbild flexibel genug ist, sich diesen Veränderungen anzupassen und somit weiterhin bestehen bleiben kann.

Tipps für ein räumliches Leitbild in Köln

Zum Schluss gab Koos van Zanen Köln noch ein paar Tipps mit für die Entwicklung ihrer eigenen Zukunftsvision: Visionen entwickeln, keine Blaupausen festschreiben. Zu Beginn nach dem "Warum" fragen. Die geografische, städtebauliche Wirklichkeit Kölns nicht verkennen oder manipulieren. Einen "Kölner Weg" finden, sich weniger mit anderen Städten vergleichen, Unterstützer gewinnen in der Stadtgesellschaft, bei Fachleuten und in der Politik. Die Politiker sollten die Zukunftsvision der Stadt zu ihrer eigenen machen. Der Erstellungsprozess sollte weder nur "top-down"- oder nur "bottom-up"-Ansätze umfassen. Beide Denk-und Arbeits-Richtungen müssen ineinander greifen. Erstellung einer Agenda zur Umsetzung der gesetzten Ziele. Nicht alle Aspekte der Stadtentwicklung können aufgenommen werden, eine Priorisierung auf die für Köln zentralen Themen ist notwendig.

Nach dem Vortrag von Koos van Zanen wurden Peter Berner vom Kölner Büro "ASTOC Architects and Planners" und Dr. Reimar Molitor vom "Region Köln/Bonn e. V." gebeten, den Vortrag aus ihrer Sicht zu kommentieren. Peter Berner, der eine Zeitlang in Amsterdam gelebt und gearbeitet hat, war beeindruckt darüber, dass die Kölner und die Amsterdamer Innenstadt fast gleich groß sind. Als Radfahrer gelangt er so viel schneller durch Amsterdam als durch Köln, so dass er die Stadt kleiner wahrgenommen hat. Er fand es bemerkenswert, wie systematisch die strategischen Planungen in Amsterdam in Verbindung zu den Umlandgemeinden erfolgen - es gibt ein ständiges Planen, Vorausschauen und Evaluieren. Für Köln sieht er den Bedarf, bestimmte Planungsprozesse im Sinne einer regelmäßigen Überprüfung stärker zu systematisieren, aber auch stärker aus der eigenen Identität heraus zu planen. Berner betont, dass die vorgestellten Planungen aus Amsterdam zwar zunächst leicht und einfach klingen, dass sich jedoch dahinter ein großer Kraftakt in der Umsetzung verbirgt. 

Dr. Reimar Molitor fand die Tatsache, dass in Amsterdam 80 Prozent der Stadtfläche städtisches Eigentum ist, beneidenswert und staunte über die hohe Anzahl an Sozialwohnungen. Was das Verhältnis zur Region angeht, ist Kölns Lage deutlich komplizierter als die Amsterdams. Köln hat bei all seinen Plänen Rücksicht zu nehmen auf die polyzentrische Siedlungsstruktur, auf viele kleine und große Zentren ringsum. Dr. Molitor hob zudem hervor, dass in Amsterdam eine systematische Bewertung der Flächen vorgenommen und sich die Frage gestellt wird, was die Orte im "großen Ganzen" wert sind und welche räumlichen Entwicklungen wo und warum stattfinden sollen. Dies ist insbesondere bei Brachflächen wichtig.  

Mehr Informationen zum räumlichen Leitbild der Stadt Amsterdam (in englischer Sprache)

Vortrag Stephan Reiß-Schmidt, München

Im gut besetzten VHS-Saal des Rautenstrauch-Joest Museums begrüßte am Montag, 13. September, Andreas Grosz, Leiter des KAP Forums, zur zweiten Veranstaltung der Reihe Kölner Perspektiven zur Strategischen Stadtentwicklung 2016. Das KAP Forum, Architecture & Urban Development, ist neben dem Dezernat für Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr der Stadt Köln, dem Kölner Stadtanzeiger und der Industrie- und Handelskammer zu Köln Ausrichter der Veranstaltungsreihe.

Herausforderungen der Stadtentwicklung

Themenschwerpunkt diesmal war die strategische Stadtentwicklungsplanung der bayerischen Landeshauptstadt München. Stephan Reiß-Schmidt, Stadtdirektor und seit 20 Jahren Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung, begann seinen Vortrag mit Megatrends, mit denen die meisten europäischen Großstädte konfrontiert sind. Dies sind vor allem Globalisierung, Klimawandel, Migration, demografischer Wandel sowie die beschleunigte digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Signifikant ist die Verkürzung von Innovationszyklen mit ihren spürbaren Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. 1750 dauerte ein Innovationzyklus rund 150 Jahre, 2010 nur noch zwei Jahre.

© Stadt Köln
Referent Stephan Reiß-Schmidt

München ist eine der Städte mit den höchsten Bodenpreisen und Mieten in Deutschland.Auch Münchnerinnen und Müncher mit mittlerem Einkommen haben es zunehmend schwerer, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Verschärft wird die Wohnungssituation durch Zuwanderung: Im Jahr 2015 wuchs die Einwohnerzahl Münchens um über 2 Prozent durch einen positiven Wanderungssaldo von 26.000 und einen Geburtenüberschuss von rund 5.500 Personen. Mitte 2015 wurde der 1,5 millionste Einwohnerin beziehungsweise Einwohner in München gezählt. Die Stadt ist zudem mit 4.800 Einwohnern pro Quadratkilometer die am dichtesten besiedelte Großstadt in Deutschland. 

Bis 2030 wird München voraussichtlich 1,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner haben und die Dichte auf 5.500 Einwohner pro Quadratkilometer steigen, in Köln sind es heute gut 2.500. München wächst zudem in einer wachsenden Region und auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt weiter an.

Strategische Stadtentwicklung in München: Die PERSPEKTIVE MÜNCHEN

Die Stadt München betreibt seit vielen Jahren eine umfassende integrierte Stadtentwicklungsplanung und zählt zu den Vorreitern in Deutschland. In einem historischen Rückblick skizzierte Reiß-Schmidt die Kontinuität räumlicher und strategischer Stadtentwicklungsplanung in München, vom Stadterweiterungsplan ("Staffelbauplan") des Architekten Theodor Fischer über den von Karl Meitinger 1946 vorgeschlagenen Wiederaufbau der stark zerstörten Stadt auf dem historischen Stadtgrundriss nach dem Zweiten Weltkrieg und den auch das Umland in ein Konzept für die wachsende Millionenstadt einbeziehenden Stadtentwicklungsplan 1963 ("Jensen-Plan") bis zum auf wissenschaftlicher Stadtforschung basierenden Stadtentwicklungsplan von 1975, der nach dem Olympia-Boom "Qualität vor Quantität" setzte und eine "Stadt im Gleichgewicht" als Ziel postulierte. Dieses Ziel ist auch heute noch die Maxime der Stadtentwicklungsplanung in München. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung - ausgelöst durch Wiedervereinigung, Globalisierung, neue Informationstechniken oder gesellschaftlicher Wertewandel - wurde 1992 unter dem Titel "Perspektive München" mit der Erarbeitung eines neuen Stadtentwicklungskonzeptes begonnen. Dabei wurden in Grundlagenuntersuchungen und Konzeptstudien vier Schwerpunkte der Münchner Stadtentwicklung definiert: wirtschaftliche Entwicklung, soziale Entwicklung, räumliche Entwicklung und regionale Entwicklung. Das strategische Stadtentwicklungskonzept Perspektive München wurde erstmals 1998 vom Stadtrat beschlossen und wird seit dem kontinuierlich fortgeschrieben und evaluiert.

Die Stadt hat über die Jahre einen Prozess der integrierten strategischen Stadtentwicklungsplanung sowie ein vorbildliches Zusammenspiel aller Akteure entwickelt. Die Einbindung der Beteiligten erfolgt zum Beispiel auf politischer Ebene durch die Planungssprecher der Fraktionen des Stadtrates und innerhalb der in elf Ressorts (Referate) gegliederten Verwaltung durch eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe und einen Lenkungskreis zur Fortschreibung und Umsetzung der Perspektiven München. Seine Mitglieder wirken in ihren Referaten als "Integrations-Sachwalter", die darauf achten, dass sich städtische Einzelmaßnahmen in den Gesamtprozess einfügen. Jede Neuaufnahme einer Maßnahme in die mittelfristige Investitionsplanung wird von der Stadtentwicklungsplanung auf ihre Übereinstimmung mit den Leitlinien der Perspektiven München überprüft. Der "Plan-Treff", ursprünglich nur befristet zur Organisation der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der ersten Erarbeitung der Perspektiven München eingerichtet, hat sich längst dauerhaft als Informations- und Anlaufstelle für alle Fragen der Stadtentwicklung und aktuelle Planungsprozesse etabliert. Durch Diskussionsveranstaltungen, Ausstellungen, Exkursionen, Publikationen und einen laufend aktualisierten Internetauftritt findet eine umfassende Einbeziehung der Stadtgesellschaft in Fragen der Stadtentwicklung weit im Vorfeld konkreter Planungen und Projekte statt. Im Vordergrund der strategischen Stadtentwicklungsplanung Münchens stehen somit vor allem Prozesse, die für Politik und Stadtgesellschaft transparent und nachvollziehbar sind. Ziel ist nicht ein Plan als abgeschlossenes "Werk", sondern vielmehr ein dauerhafter Prozess der diskursiven und kooperativen Stadtentwicklungsplanung.

Das strategische Stadtentwicklungskonzept Perspektive München setzt sich in der aktuellen Fassung 2014/2015 aus verschiedenen Elementen zusammen: Leitmotiv, Strategische Leitlinien, Thematische Leitlinien, Leitprojekten, Handlungskonzepten und -programmen sowie Handlungsräumen. Das Leitmotiv "Stadt im Gleichgewicht" bündelt in acht Kernaussagen die Ziele- und Wertvorstellungen der Stadtentwicklung. Im Mittelpunkt stehen die individuelle Entfaltung und das Lebensumfeld, während die Orientierung nach außen und Wirkung nach innen im Gleichgewicht zueinander stehen sollen. Die Vielfalt soll gefördert werden, ohne den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft zu gefährden. Dabei werden die Grenzen des Wachstums und die globale Verantwortung berücksichtigt. Die vier Strategischen Leitlinien (1) Offene und attraktive Ausstrahlung, (2) Qualitätsvolle und charakteristische Stadträume, (3) Weitsichtige und kooperative Steuerung sowie (4) Solidarische und engagierte Stadtgesellschaft formulieren die wesentlichen Ziele und Qualitäten der Münchner Stadtentwicklung ressortübergreifend und querschnittsorientiert. Sie dienen als Bindeglied zwischen dem Leitmotiv und den 16 thematischen Leitlinien, die die zentralen Felder der Stadtentwicklung abdecken (zum Beispiel Stadtgestalt, Wirtschaft, Ökologie, Soziales oder Bildung). Ihre Erarbeitung und Fortschreibung erfolgt in der ressortübergreifenden Perspektiven München-Arbeitsstruktur unter inhaltlicher Federführung der jeweils primär zuständigen Referate. Sie haben sich seit ihrer Entstehung 1998 kontinuierlich weiterentwickelt und werden regelmäßig evaluiert. Den Leitlinien sind zur Umsetzung der gesetzten Ziele Leitprojekte, Handlungskonzepte und -programme zugeordnet. Derzeit sind dies circa 60 Projekte aus verschiedensten Themenbereichen. Darüber hinaus wurden durch die letzte Fortschreibung 2014/2015 zehn Handlungsräume als fachübergreifende Schwerpunktgebiete der Münchener Stadtentwicklung identifiziert, die vielfältige Potentiale und einen besonderen Planungs- und Handlungsbedarf aufweisen. Für diese Handlungsräume werden Handlungsraumkonzepte erarbeitet - als ein neues Instrument der Stadtentwicklungsplanung zwischen gesamtstädtischer Strategie und konkreter städtebaulicher Planung.

Management und Implementierung der strategischen Stadtentwicklung: Das Beispiel Wohnen

Aufgrund der aktuellen Bedeutung schlug Stephan Reiß-Schmidt einen Bogen zum Thema wachsende Stadt und ihre Konsequenzen für den Wohnungsmarkt. Er zeigt, wie das strategische Stadtentwicklungskonzept zur Lösung konkreter Fragestellungen beiträgt. München wird bis zum Jahr 2030 um voraussichtlich 230.000 Einwohnerinnen und Einwohner wachsen - und das auf einer geringeren Stadtfläche als Köln. Die Grundstücksfrage wird immer mehr zur Schlüsselfrage der Zukunft der Stadt. Der knappe Stadtraum zwingt zu neuen Lösungen, für die im Projekt "Langfristige Siedlungsentwicklung" vier Strategien entwickelt wurden: Umstrukturierung von Gewerbe- und Konversionsflächen, Qualifizierte Verdichtung, Stadt weiterbauen und Regionale Kooperation. Zur Sicherung und Qualifizierung des für die Lebensqualität in einer dichten Stadt besonders wichtigen Freiraums wurde das Konzept "Freiraum München 2030" entwickelt. In der Praxis führt die Flächenknappheit zu unkonventionellen und in der Bürgerschaft zum Teil kontrovers diskutierten Projekten: Es werden Parkplätze überbaut, Gebäude aufgestockt und Wohnsiedlungen der 1950er bis 70er Jahre saniert und nachverdichtet oder mit höherer Dichte und mehr Wohnungen neu gebaut. Ziele und finanzielle Mittel für den Wohnungsbau werden mit dem alle fünf Jahre fortgeschriebenen wohnungspolitischen Handlungsprogramm "Wohnen in München" vom Stadtrat festgelegt. Jährlich sollen 8.500 neue Wohnungen fertiggestellt werden, davon 1.800 geförderte. Das Programm 2012-2016 ist mit 800 Millionen Euro städtischer Mittel für besondere Förderprogramme und Grundstückswertverzichte ausgestattet, das Folgeprogramm "Wohnen in München VI" sieht nochmals eine deutliche Steigerung der Mittel für den Wohnungsbau vor. Mit dem Sonderprogramm "Wohnen für alle" sollen 2016-19 zusätzlich weitere 3.000 geförderte Wohnungen für Geflüchtete mit Aufenthaltsstatus, gering verdienende Familien und junge Berufstätige gebaut werden. Mit Instrumenten wie der seit 1994 bestehenden "Sozialgerechten Bodennutzung" (Kosten-/Lastenübernahme der privaten Eigentümerinnen und Eigentümer bei Neuschaffung von Baurecht), die vorschreibt, dass 30 Prozent geförderte Wohnungen in allen privat entwickelten Gebieten errichtet werden müssen (die Stadt verpflichtet sich auf eigenen Grundstücken sogar zu 50 Prozent gefördertem Wohnungsbau) und einer gezielten Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus sowie von Baugruppen wird auf die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt in München reagiert und einer sozialen Entmischung der Stadtquartiere begegnet. Neben dem dringend benötigten Wohnungsneubau ist der Schutz preiswerter Wohnungen im Bestand die wichtige zweite Säule der Münchener Wohnungspolitik, zum Beispiel durch ein Zweckentfremdungsverbot und durch eine Ausweitung der Gebiete mit Erhaltungssatzungen ("Milieuschutzsatzungen"), in denen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und die Luxusmodernisierung untersagt und ein kommunales Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann. 

Kooperation der strategischen Stadtentwicklung: Das Beispiel Smarter Together

Am Beispiel des Themas Digitale Transformation zeigte Reiß-Schmidt, wie die Stadt München ihr strategisches Stadtentwicklungskonzept um neue Aspekte ergänzt. Digitale Innovationen beeinflussen die Stadtplanungsprozesse, durch technische Neuerungen wie Industrie 4.0, autonomes Fahren, Smart Home oder durch soziale Entwicklungen in Kommunikation, Partizipation oder "sharing Society". München stellt sich diesen technischen Entwicklungen unter anderem im Rahmen des EU-Projekts "Smarter Together". Im Stadtteil Neuaubing/Westkreuz mit circa 23.000 Einwohnerinnen und Einwohnern und im angrenzenden neuen Stadtteil Freiham, wo in den kommenden Jahren Wohnungen für bis zu 30.000 Menschen entstehen, werden verschiedene "smarte" Technologien in einem Stadtteillabor gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern entwickelt und in der Praxis getestet. Dazu zählen zum Beispiel smarte Dienstleistungen eine smarte Datenplattform, eine Quartiers-App, smarte Mobilität durch Mobilitätsstationen mit eBikes, Lastenpedelecs, car-sharing oder smarte Energienetze auf der Basis von Geothermie und Fernwärme.

Fazit: Stadtentwicklung als lernendes System

Zum Schluss fasste der Referent noch einmal zusammen, was Strategische Stadtentwicklung und reflexive Planungskultur für ihn bedeutet:

  • Aufgaben und Potenziale rechtzeitig und umfassend zu erkennen
  • Bestände aus neuer Perspektive zu betrachten und zu bewerten
  • Offen mit allen Akteuren zu kommunizieren und zu kooperieren
  • Methoden und Instrumente klug zu kombinieren und weiter zu entwickeln
  • Wirkungen und Nebenwirkungen zu analysieren (Evaluation, Reflexion)
  • Schlussfolgerungen zu ziehen und nachzusteuern.

Reiß-Schmidt betonte den Prozesscharakter der integrierten Stadtentwicklungsplanung als lernendes System. Nach seiner Einschätzung profitiert München besonders von der kulturellen und räumlichen Identität der Stadt und der Region, von einer starken Identifikation seiner Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt sowie von der selbstbewussten Gelassenheit einer prosperierenden, erfolgreichen Stadt und ihrer Akteurinnen und Akteure. Die Stadt strebt weniger nach Wachstum als vielmehr nach einem sozialem und räumlichen Gleichgewicht und hoher Lebensqualität. 

Nach dem Münchner Referenten kommentierten zwei Experten den Vortrag im Gespräch mit Moderator Jürgen Keimer: Prof. Markus Neppl, Mitbegründer des Kölner Büros "ASTOC Architects and Planners"  und Professor für Stadtquartiersplanung und Entwerfen an der Technischen Hochschule Karlsruhe sowie Dr. Claus-Christian Wiegandt, Professor für Stadt- und Regionalforschung am Geographischen Institut der Universität Bonn. Claus-Christian Wiegandt zeigte sich überrascht, dass es München trotz des kleinen Stadtgebietes immer wieder gelingt, noch Grundstücke für neue Planungen zu finden, etwa in Freiham oder ganz kleinteilig sogar durch die Überbauung von Parkplätzen. Auffällig ist, trotz der hohen Miet- und Eigentumspreise, die starke Identifikation der Münchnerinnen und Münchner mit ihrer Stadt.

Bemerkenswert fand er zudem, dass im Zentrum der Integrierten Stadtentwicklung nicht etwa ein Plan oder ein Regelwerk steht, sondern Governance, also die Art und Weise, wie der Prozess gesteuert wird. Markus Neppl hob die Kontinuität des Stadtentwicklungsprozesses hervor. In München wird seit vielen Jahren sorgfältig mit dem Thema "Stadtentwicklung" umgegangen. Wichtig ist, dass es im Entwicklungsprozess immer wieder zu Realisierungen konkreter Stadtentwicklungsprojekte kommt: Zentral ist für Neppl daher die Schnittstelle in die Umsetzung. Gefragt, ob es in München Lösungen gibt, die auf Köln übertragbar sind, nannte Prof. Neppl die Gelassenheit im Prozess und die kontinuierliche Reflektion der Ergebnisse und Zwischenstationen. Beide Städte seien sehr verschieden, vor allem hinsichtlich der geographischen Lage und der Beziehungen ins Umland. Die Kontinuität des Entwicklungsprozesses und seine Verknüpfung mit Projekten wären auch in Köln wichtig. Auch Professor Wiegandt sieht einen großen Vorbildcharakter im Münchner Stadtentwicklungsprozess. Dieser ist aber über viele Jahre gewachsen und lässt sich nicht kurzfristig etablieren. Die umfassende Öffentlichkeitsarbeit führt in München zu einer hohen Transparenz und Akzeptanz. Von München kann Köln lernen, wie mit der Zivilgesellschaft umgegangen wird und wie die Ängste und Sorgen aufgenommen werden. Vorbildlich ist auch, wie Investorinnen und Investoren im Rahmen der sozialen Bodenordnung in die Pflicht genommen werden. Die Ziele "Grüne Stadt" und "Verdichtung" können in Konkurrenz zueinanderstehen. Claus-Christian Wiegandt fand es bemerkenswert, dass München, auf kleinerer Fläche als Köln mehr Einwohnerinnen und Einwohner unterbringt als die Domstadt. Wo öffentlicher Raum knapp ist, erfordert es eine hohe Gestaltungsqualität. Zum Schluss äußerte sich Markus Neppl recht skeptisch zur Frage nach dem Wohnraum und den öffentlich geförderte Wohnungen. Trotz aller Bemühungen klafft auch und gerade in München eine Differenz zwischen Nachfrage und Angebot von öffentlich gefördertem Wohnraum. Professor Neppl glaubt, dass die Probleme mit den bekannten Instrumenten nicht gelöst werden können. Die Städte werden zeitnah an die Grenze der Innenverdichtung stoßen.

Vortrag Professor Jörn Walter, Hamburg

Wachstum der Stadt Hamburg

In einem sehr engagierten Vortrag erläuterte Jörn Walter die strategische Stadtentwicklung in Hamburg. Im ersten Teil standen das Einwohnerwachstum der Stadt Hamburg und der damit verbundene Druck auf den Wohnungsmarkt im Vordergrund.

Nach einem Tiefstand von 1,57 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner 1986 stieg die Bevölkerungszahl Hamburgs deutlich an: auf 1,8 Millionen im Jahr 2015. Derzeit wird mit einem weiteren Einwohnerzuwachs auf circa 1,9 Millionen in 2030 gerechnet. Viele deutsche Städte waren nicht auf das neue Wachstum eingestellt - so auch Hamburg. Dies wirkt sich besonders auf den Wohnungsmarkt aus. Bereits heute beziehen 22 Prozent der Hamburger Haushalte Zuschüsse zu den Wohnungskosten. Es fehlt jedoch weiterhin bezahlbarer Wohnraum. Den Erhalt der sozialen Balance sieht Oberbaudirektor Jörn Walter als Hauptaufgabe der Stadtentwicklung. Daher strebt die Stadt Hamburg an, die Baugenehmigungen von 6.000 auf 10.000 pro Jahr zu steigern, davon 33 Prozent im geförderten Wohnungsbau. 

Bevor Jörn Walter auf die aktuellen Strategien der Stadtentwicklung einging, erinnerte er an den sogenannten Federplan des Stadtplaners Fritz Schumacher, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts dargestellt hat, wie sich von Hamburgs Zentrum aus die Stadt organisch nach Norden und entlang der Elbe, aber ebenso nach Süden in mehreren federförmigen Korridoren ausbreitet. Diese Struktur ist im aktuellen Stadtgrundriss noch ablesbar und stellt auch für die Zukunft eine maßgebliche Leitlinie für die Stadtentwicklung dar.

Motto der Stadtentwicklung: "Mehr Stadt in der Stadt"

© Stadt Köln
Professor Jörn Walter

Die heutigen Stadtentwicklungsstrategien sehen zum einen ein "Mehr Stadt in der Stadt" durch die Entwicklung zahlreiche kleinere Flächen sowie dreier großer Entwicklungsbereiche im Innenbereich vor. Neuer Wohnraum wird vor allem in Altona Mitte, in der HafenCity, im Hamburger Osten und in Wilhelmsburg entstehen.

Um neue Flächen entwickeln zu können, greift die Stadt Hamburg auf verschiedene Strategien zurück, wie die Entwicklung von Konversionsflächen (zum Beispiel Bahnhofsgelände) oder die Überdeckelung der Autobahn 7. Die HafenCity, die nach und nach vollendet wird, ist derzeit das größte Wohnbauvorhaben mit 6.000 Wohneinheiten für rund 12.000 bis 14.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Zum anderen wird Hamburg - anders als in den vergangenen Jahren - wieder Wohnraum in größeren Projekten im Außenbereich entwickeln. Insgesamt wird der Bedarf nach neuen Wohnungen in Hamburg in den kommenden zehn Jahren auf etwa 100.000 geschätzt, davon sollen circa 20.000 in Außenbezirken entstehen.

Zur eingangs genannten Aufgabe des Erhalts der sozialen Balance strebt Hamburg den sogenannten Drittel-Mix für Wohnungsneubauten ab einer Größe von 30 Wohneinheiten an: Ein Drittel der Wohnungen müssen geförderter Wohnungsbau für einkommensschwache Haushalte sein, ein Drittel frei finanzierte Mietwohnungen und ein Drittel Eigentumswohnungen. Mit dieser Mischung sollen einseitige Großstrukturen im Wohnungs- und Siedlungsbau, wie sie vielfach in den Sechziger und Siebziger Jahren entstanden sind, vermieden werden. Zur Mischung gehört, dass beispielsweise auch in der HafenCity, trotz hoher Baukosten, Wohnraum für 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten wird. Jörn Walter wies darauf hin, dass die derzeit angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt nicht dazu führen sollte, reine Wohngebiete zu bauen. Mischung ist wichtig. Etwa die Nutzung der Erdgeschosse durch Geschäfte oder ähnliches. Mischung gelingt vor allem in zentralen Lagen, ist aber auch dort kein Selbstläufer. Gefragt sind daher Unterstützungsinstrumente, wie zum Beispiel Miet- und Grundstückssubventionen, die jedoch aufwändiger in der Planung und Finanzierung sind. Wichtig ist, die Nachverdichtung dem Ort, dem Stadtteil anzupassen. Als Beispiele dienen Rothenburgsort oder das Horner Zentrum. Hier zeigte Jörn Walter, wie man bislang unvollständig ausgeführte Entwürfe zu Ende bauen und dadurch die Stadt ohne Stilbruch verdichten kann. "Mehr Stadt in der Stadt" stand als Motto auch über dem "Sprung über die Elbe" zur großen Flussinsel Wilhelmsburg bei der Internationalen Bauausstellung 2013. Wilhelmsburg, der sozial schwächste Stadtteil in Hamburg, der zudem durch eine hohe verkehrliche Belastung geprägt ist, hat sein Gesicht seitdem stark verändert. Zum einen durch eine Bündelung der Verkehrstrassen, zum anderen durch einen differenzierten Städtebau, insbesondere im Inneren bestehender Quartiere. 

© Stadt Hamburg

Jörn Walter führte seine Zuhörerinnen und Zuhörer dann noch in Gegenden, die für viele einen "weißen Fleck" im Stadtplan darstellen - in den Hamburger Osten: Dieses 75 Quadratkilometer umfassende Gebiet ist durch eine gut situierte Bewohnerschaft gekennzeichnet. Das Wachstum des Stadtteils fand vor allem in der Nachkriegszeit nach Modellen der gegliederten und aufgelockerten Stadt statt, so dass große Potenziale für den Wohnungsbau bestehen. Um das hohe Einwohnerwachstum bewältigen zu können, kooperiert die Stadt Hamburg mit der Wohnungswirtschaft. Das aus dem "Bündnis für Wohnen" hervorgegangene "Bündnis für die Quartiere" wird dabei eigenständig von der Wohnungswirtschaft organisiert und befasst sich mit Themen wie Modernisierung, Mischung oder energetischer Sanierung, Bildung von Bau- und Siedlungstypen sowie Experimentierräume für Genossenschaften und Baugruppen. Zentral sind der Quartiersgedanke und der Blick über den reinen Wohnungsmarkt hinaus. Bei größeren Projekten müssen daher Aspekte, wie Schulen und Kindergärten oder Freiraumgestaltung mitberücksichtigt werden.

Die Wohnstadt

Wie oben erwähnt, bietet das derzeitige Stadtwachstum die Chance, bislang unvollendete Quartiere weiterzuentwickeln. Jede Stadt verfügt über gestalterische Besonderheiten, die sie prägen. In Hamburg ist dies der Backsteinbau.

Man braucht Kit in der Stadt, man muss aber die verschiedenen Wohntypologien in der Stadt berücksichtigen

sagte Jörn Walter. Im Neubau kann es daher - wie im Bestand bereits vorhanden - nicht nur eine Typologie geben, sondern es bedarf ortsangepasster Lösungen. Anhand mehrerer Bespiele stellte Jörn Walter verschiedene Wohntypologien in Hamburg vor, die vor allem beim Verdichten im Bestand zu berücksichtigen sind, wie die Backsteinstadt im Horner Zentrum, das Stadthausquartier Finkenwerder, die neue Gartenstadt Jenfelder Au oder die großen Wohnblöcke im Pergolenviertel. Bei der Schaffung preiswerten Wohnraums ist der Mehrfacheinsatz konventioneller Standart-Typen oder der Modulbau beziehungsweise Elementarbauweise vorstellbar. Hamburg, die Stadt am Wasser, experimentiert zudem mit Hausbooten und dem Bauen auf dem Wasser. Und, so Jörn Walter, er begrüßt, wenn sich Investorinnen und Investoren besondere Bauformen für wohlhabendes Klientel einfallen lassen. Es soll keine "entweder - oder" Philosophie entstehen, vielmehr eine "sowohl als auch" Philosophie.

 

Die Produktive Stadt  

Das Wachstum der Stadt Hamburg beschränkt sich nicht auf die Bevölkerung, sondern umfasst ebenfalls Arbeitsplätze. Zusätzlich findet derzeit ein massiver Veränderungsprozess von Arbeitsprozessen, zum Beispiel durch den 3D-Druck statt. Vergleichbar zum Wohnungsbau fehlen in Hamburg größere Reserveflächen für Gewerbe, Logistik, Industrie, Innovation, Hafen oder Luftfahrt. Der Begriff "Gewerbe" ist schon seit langem nicht mehr ausreichend und sollte daher differenzierter betrachtet werden. Hier liegt Nachverdichtungspotenzial im Bestand oder die Möglichkeit, durch mehrgeschossige Bauten flächensparender zu bauen. Entsprechende Typologien gilt es, noch vielerorts zu entwickeln. Bei der Gestaltung liegt im Bereich der Produktionsstätten noch großes Potenzial: Gewerbe und Industrie müssen daran erinnert werden, dass ihre Gebäude Teil der Stadt sind, dass es Fassaden und zur Straße gerichtete Ansichtsseiten gibt.   

 

Die Umweltverträgliche Stadt  

Auch wenn die ökologischen Belange der Stadtentwicklung derzeit weniger im Fokus stehen als soziale Fragestellungen, gilt es im Rahmen der Strategischen Stadtentwicklung die nach wie vor zentralen Aufgaben der Ökologie, des Klimaschutzes und der Lebensqualität mit einzubeziehen. Dies kann über die Qualifizierung von vorhandenen Grünflächen oder die konsequentere Dachbegrünung erfolgen. Im Umgang mit Kleingärtenanlagen greift die Stadt Hamburg auf ein auch für andere Städte interessantes Vorgehen zurück: Kleingartenanlagen stellen zum einen Potenzialflächen für Wohnungsneubau dar, sind zum anderen aus ökologischer und stadtklimatischer Sicht von besonderer Bedeutung für stark verdichtete Städte. Zudem bereiten sie Heimat, Tradition und Freizeitgestaltung für ihre Nutzerinnen und Nutzer. Hamburg nimmt eine freiwillige Neuordnung der Kleingärten vor, da viele Gärten die Maximalgröße des Bundeskleingartengesetzes überschreiten. Durch diese freiwillige Neustrukturierung wurden Flächenreserven für den Wohnungsbau frei. Über eine Sonderförderung unterstützt die Stadt Hamburg zudem Kleingärtnerinnen, Kleingärtner und die Neustrukturierung. Das Thema der regenerativen Energien zählt hier ebenfalls dazu, wie zum Beispiel Energieberg und Energiebunker in Wilhelmsburg. Hamburg richtet den Blick verstärkt auf die Quartiersebene und auf einen energetisch sparsamen Neubau. Und es spielt zudem der Hochwasserschutz eine besondere Rolle: Dabei befasst sich die Stadt Hamburg derzeit mit der Frage, wie man die technischen Bauwerke durch Mehrfachcodierung ästhetisch so gestaltet, dass keine neuen Mauern in der Stadt entstehen.  

 

Die Mobile Stadt

Die "Mobile Stadt" steht in engem Zusammenhang zur Umweltbelastung und -verträglichkeit. U- und S-Bahnen müssen leistungsfähig sein. Durch das Wachstum der Stadt und die neue Dichte muss Hamburg sich der Aufgabe der Leistungssteigerung stellen. Auch eine Stadt wie Hamburg kann umfängliche Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen nicht aus den eigenen finanziellen Mitteln bestreiten, etwa eine neue U-Bahn-Linie mit Kosten von vier bis fünf Milliarden Euro. Jörn Walter fordert daher ein bundesweites Infrastrukturprogramm für die Städte. Hamburg fördert, wie alle zukunftsorientierten Städte, den Fahrradverkehr und setzt sich aktiv für umweltfreundliche Antriebssysteme ein: Ab 2020 werden nur noch Busse mit umweltfreundlichem Antrieb gekauft.  

 

Die Kreative Stadt  

Von Wachstum und Wandel betroffen sind ferner der Kreativ- und Kulturbereich. Aus strategischer Sicht ist es für eine Stadt zum einen wichtig, erschwingliche Räume für Kreativschaffende anzubieten und eine heterogene Entwicklung zu fördern. Zum anderen muss aber die Hochkultur in der Stadt gefördert werden, wie es derzeit in Hamburg mit der Elbphilharmonie erfolgt.

Auch Bürger, die vielleicht nie in ein Konzert gehen, werden auf die Elbphilharmonie stolz sein, sich damit identifizieren und sich freuen in einer Stadt zu leben, in der solch ein Gebäude gewagt und vollendet wird. Städte, die nur zurückschauen und Angst vor der Zukunft haben, werden den Wettbewerb nicht gewinnen,

sagte Jörn Walter zum Schluss seines Vortrages.

Schlussfolgerungen

Die Mitveranstalter der Kölner Perspektiven Andreas Grosz vom KAP-Forum und Christian Hümmeler vom Kölner Stadtanzeiger fassten in einem kurzen Kommentargespräch ihre Eindrücke zusammen: Andreas Grosz hob zunächst hervor, wie gut es einer Stadt tut, wenn es Kontinuität und langen Atem gibt. Seit 1999 ist Jörn Walter in seinem Amt, deutlich länger als Kölner Baudezernenten der letzten Jahre. Er wies darauf hin, dass Stadtplanung Zeit und eine eigene Handschrift benötigt. Köln könne Power und Dynamik Hamburger Entwicklungsprozesse übernehmen. Er möchte alles Bisherige auf den Prüfstand stellen. Im Bevölkerungswachstum sieht er ein positives Zeichen, das es zu nutzen gilt.

Christian Hümmeler war ebenfalls von Hamburgs strategischer Stadtentwicklung beeindruckt, besonders von der hohen Zahl von über 100.000 neu geplanten Wohneinheiten. Die soziale Balance und die gleichmäßige Verteilung preiswerten Wohnraums hält er auch für Köln für wichtig, da hier, aus seiner Sicht, ein großes Ungleichgewicht besteht. Im Vergleich zu Hamburg scheint Köln zu zögerlich, um neue Wege im Umgang mit der Lage am Wasser zu beschreiten, Beispiel Wassertaxi. Christian Hümmeler schätzt die Flächenreserven Kölns für Wohnen und Gewerbe deutlich geringer ein als die Hamburgs. Er hob den behutsamen Hamburger Umgang mit Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern als überraschend hervor. Vorbildlich für Köln fand Christian Hümmeler die Auseinandersetzung mit großen innerstädtischen Barrieren am Beispiel der geplanten Überdachung der Autobahn 7.

Hier sieht er Potenzial in Köln, zum Beispiel an der Autobahn 57, Autobahn 3 oder bei der Verlegung der Nord-Süd-Fahrt unter die Erde. Er meint, dass in Köln Planungen oft gar nicht erst angegangen werden, weil man sie für zu schwierig hält. Hier kann Köln von Hamburg lernen. Andreas Grosz findet, dass in Hamburg die Bevölkerung bei Planungen gut mitgenommen wird. Aber auch in Köln hat sich die Bürgerbeteiligung dank Beigeordnetem Höing gut entwickelt. Beispiele sind die Verfahren zum Deutzer Hafen oder zur Parkstadt Süd. Die Kölnerinnen und Kölner hält Andreas Grosz für sehr interessiert an Fragen der Stadtentwicklung. Er schätzt die daraus resultierende Offenheit und erhofft sich die Beseitigung von Absprachen und Klüngel. Christian Hümmeler wurde zum Schluss in seiner Eigenschaft als Leiter des Lokalteils des Kölner Stadtanzeiger gefragt, welche Rolle die Presse bei der Stadtentwicklung spielen kann. Er sagt, die Zeitung wird Prozesse der Kölner Stadtentwicklung weiterhin offen begleiten und intensiv berichten. Mit Blick auf die Zukunft Kölns hat der Kölner Stadtanzeiger bereits zahlreiche eigene Veranstaltungen und Veröffentlichungen zu Stadtentwicklungsthemen durchgeführt, zum Beispiel zum "Städtebaulichen Masterplan Innenstadt", "Serie Köln 2020 - Unsere Zukunft" oder das vierteljährliche "Köln-Barometer".

Abschlussveranstaltung Kölner Diskurs

Zum Abschluss der Reihe fand am 21. November 2016 der "Kölner Diskurs" im gut besuchten Forum des Rautenstrauch-Joest-Museums statt. Eva Herr vom Dezernat für Stadtentwicklung, Planen, Bauen und Verkehr der Stadt Köln begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und gab einen knappen Rückblick auf die vorherigen Vorträge aus Amsterdam, München und Hamburg. In einem Ausblick skizzierte sie den Weg, den die Stadt Köln für die Erstellung eines strategischen Entwicklungskonzeptes anstrebt. Zentraler Ausgangspunkt für die strategische Stadtentwicklung in Köln sei das Einwohnerwachstum. Der Umgang mit diesem Wachstum bedeute eine große Kraftanstrengung für die Stadt, die sie nicht alleine stemmen könne. Sie könne dabei aber an die erfolgreiche Tradition der Stadtentwicklung anknüpfen. Es gehe darum, in den nächsten Monaten eine Vision, ein Leitbild für Köln zu entwickeln, das von vielen gestaltet und getragen wird.

Vor Beginn der Podiumsdiskussion erhoben sich alle Anwesenden zu einer Schweigeminute im Gedenken an Birgit Gordes, die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses im Rat der Stadt Köln. Birgit Gordes war in der vergangenen Woche verstorben.

Auf dem Podium diskutierten:

  • Michael Frenzel, erster stellvertretender Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses
  • Dr. Ulrich Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Köln
  • Professor Kunibert Wachten, Büro scheuvens und wachten und Professor für Städtebau und Landesplanung an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
  • Professor Klaus Overmeyer, Urban Catalyst Studio und Professor für Landschaftsarchitektur an der Bergischen Universität Wuppertal sowie
  • Stephan Reiß-Schmidt, Stadtdirektor und Leiter der Hauptabteilung Stadtentwicklungsplanung der Landeshauptstadt München

Warum benötigt Köln ein Strategisches Stadtentwicklungskonzept?

Zu Beginn der Podiumsdiskussion stand die Frage "Warum benötigt Köln ein Strategisches Stadtentwicklungskonzept?" im Vordergrund. Dr. Ulrich Soénius sagte dazu, dass die IHK zu Köln als Mitveranstalter der Veranstaltungsreihe "Kölner Perspektiven" ein Interesse an einem solchen Konzept habe, da bisher der ganz große Wurf für Köln vermisst werde.

Ein strategisches Stadtentwicklungskonzept würde als Leitfaden der städtischen Entwicklung und der Orientierung dienen. Die IHK mit 155.000 Mitgliedsunternehmen habe ein Interesse daran, dass sich Köln als Oberzentrum weiterentwickelt.

Das wirke sich positiv auf die Region aus, da Wachstum neue und zusätzliche Arbeitsplätze mit sich bringe. Die Wirtschaft müsse sich einbringen und Aufgaben übernehmen, wie sie es zum Beispiel beim Masterplan Innenstadt getan hat. Der Masterplan war ein offener Prozess, den die Wirtschaft gesponsert habe, ohne jedoch Vorgaben zu machen. Stephan Reiß-Schmidt ergänzte, dass ein Strategisches Entwicklungskonzept so gestaltet werden müsse, dass es nach Fertigstellung nicht sofort veraltet sei. Entwicklungsprozesse hätten sich in den letzten Jahren stark beschleunigt, so dass Städte auf verschiedene Entwicklungen vorbereitet sein müssen. Ein Konzept solle daher offene Strukturen anbieten. Eine Stadt müsse zudem die eigenen Ressourcen kennen. Dabei gäbe es konstante Ressourcen, wie Flächen oder Gebäude und dynamische Ressourcen, wie die soziale Entwicklung einer Stadt und die Akteure der Stadtgesellschaft. Die Strategische Stadtentwicklung sei als Prozess zu sehen, der Neues aufgreifen könne und immer weiter fortgeschrieben würde. In München entwickele man aus diesem Grund unterschiedliche Zukunftsszenarien, um auf mögliche Entwicklungen vorbereitet zu sein. Ganz wichtig ist für Reiß-Schmidt, dass Ansätze und Erkenntnisse aus der Stadtentwicklung mit einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden.

Für Professor Klaus Overmeyer gehört zu einem gelungenen Stadtentwicklungskonzept, dass die Verbindung zwischen einer "Helikopter-Perspektive" und der lokalen Umsetzungsebene hergestellt wird. Es bestehe das Risiko, dass Konzepte entweder zu weit über den Dingen schweben oder zu wenig strategisch seien und über die Auseinandersetzung mit lokalen Rahmenbedingungen nicht hinauskämen. Wichtig sei es, zu Beginn des Prozesses die richtigen Fragen zu stellen, wie zum Beispiel: Was sind für Köln die wichtigsten und dringendsten Themen in den kommenden 20 bis 25 Jahren? Ein Strategisches Entwicklungskonzept sei dann gelungen, wenn eine lustmachende, ressortübergreifende Kooperation in der Verwaltung gelänge. Professor Kunibert Wachten blickte auf die Strategische Stadtentwicklung in nordrhein-westfälischen Städten, da 29 der insgesamt 76 deutschen Großstädte in NRW liegen. In der fast lückenlos besiedelten Rheinschiene zwischen Bonn und Duisburg habe die Entwicklung der einen Stadt direkten Einfluss auf angrenzende Städte. Überdies könnten die Großstädte nicht allein die Herausforderungen des enormen Bevölkerungswachstums bewältigen. Das Land NRW fördere deshalb die Erstellung von regionalen Zukunftskonzepten, so dass sich derzeit viele Kommunen in NRW mit der Zukunftsperspektive ihrer Stadtentwicklung im Zusammenhang mit ihrer Region befassten. Michael Frenzel sprach zunächst über die Bedeutung der Kontinuität von Stadtentwicklungsprozessen bei zeitlich befristeten Wahlperioden. Der Rat werde alle vier Jahre gewählt, entsprechend wechselten die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses. Nach Frenzels Meinung bedarf es eines Machers, eines Antreibers, wie Stübben und Schwarz es in Köln gewesen sind. Kontinuität und Ausdauer seien wichtig, dazu brauche es nicht immer ein Mandat. Frenzel erinnerte an die zahlreichen Expertinnen und Experten in der Verwaltung und an die sachkundiger Bürgerinnen und Bürger, die über viele Jahre dem Rat der Stadt zuarbeiten.

Strategische Aufgabe: Wohnen

Eine wichtige Aufgabe für Köln ist der Bau von 66.000 Wohnungen bis 2029. Michael Frenzel ist optimistisch, dass dies gelingen kann. Widerstände gegen einzelne Standorte werde es geben. Politik und Verwaltung müssten die Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger suchen, aber ebenso mutige Entscheidungen treffen. Sollte es nicht gelingen, die benötigten Wohnungen bereit zu stellen, könne es zu einer unerwünschten sozialen Auslese kommen. Dr. Ulrich Soénius ergänzt, dass der Wohnungsbau derzeit gute Renditen erwirtschaften könne. Grund dafür sei zum einen das Einwohnerwachstum und zum anderen die, aufgrund niedriger Zinsen, fehlenden attraktiven Anlagemöglichkeiten.

Die Stadt Köln habe zugunsten des sozialen Wohnungsbaus einige Instrumente geschaffen. Das sei zum Beispiel die Vergabe von Baugrundstücken nicht ausschließlich nach monetären Aspekten, sondern nach qualitativen Kriterien ("Konzeptvergabe") oder die Vorgaben, bei größeren Neubauprojekten 30 Prozent geförderte Wohnungen bereitzustellen ("kooperatives Baulandmodell"). Für die Wirtschaft sei es wichtig zu wissen, wohin die zukünftige Entwicklung einer Stadt gehen soll. Die Themen Wohnen, Arbeit und Infrastruktur müssten dabei zusammengedacht werden. Bei der Infrastruktur müsse die Stadt zum Beispiel ÖPNV-Linien vor oder zusammen mit neuen Siedlungen planen. Der Wohnungsbau habe in NRW eine hohe Priorität, sagte Professor Kunibert Wachten, aber die Voraussetzungen seien aufgrund knapper Flächen und hoher Grundstückspreise häufig sehr problematisch. Kostengünstiges Bauen werde so verhindert. Städte mit großer Wohnungsknappheit müssten regional kooperieren, jedoch sei die Abstimmung zwischen Wachstumsstädten und ihrem Umland häufig ein schwieriges Geschäft. Auch das Umland müsse sozialen Wohnungsbau und Geschosswohnungsbauten errichten. Dabei solle der soziale Wohnungsbau nicht an den Rand gedrängt werden, sondern im Stadt-/Ortszentrum bleiben.

Ein Problem beim Wohnungsbau sind fehlende Flächen. Professor Klaus Overmeyer sieht wenig Flächenpotenzial in Köln. Daher sollte über Nachverdichtung in bebauten Gebieten und über höhere Wohnbauten nachgedacht werden. Dr. Ulrich Soénius sagt, er sei kein großer Befürworter von Wohnhochhäusern, besonders wenn er an Hochhaussiedlungen der 1970er Jahre denke. Man müsse über größere neue Wohngebiete im Außenbereich nachdenken, dieser aber rechtzeitig mit der notwendigen Infrastruktur ausstatten – dies umfasse sowohl die verkehrliche Anbindung als auch soziale Infrastrukturen, wie Schulen, Kindergärten oder Senioreneinrichtungen. Es gelte urbane Räume, auch in den Außenbereichen, zu schaffen. In diesem Zusammenhang sagt Dr. Ulrich Soénius, dass es sinnvoll sei, über Eingemeindungen nachzudenken. Regionale Zusammenarbeit hält er für zwingend notwendig. Umlandgemeinden müssten ebenfalls einen Vorteil von Wohnungsneubau haben, zum Beispiel bessere Mobilitätsanbindung. Stephan Reiß-Schmidt berichtete, dass die Stadt München, die auf kleinerer Fläche als Köln mehr Einwohnerinnen und Einwohner hat, mit Erfolg versuche, bei der Wohnproblematik mit den Umland-Gemeinden zusammenzuarbeiten. Münchner Wohnungsgesellschaften könnten etwa in Nachbargemeinden bauen und die neugeschaffenen Wohnungen belegen. 

Strategische Aufgabe: Planungsprozesse

Professor Kunibert Wachten sprach über die oft zu langen Planungsprozesse. Deutschland sei eine ausgeprägt veränderungskritische Gesellschaft. Prozesse seien daher sorgfältig zu planen und vorzubereiten, die Bürgerinnen und Bürger müssten mitgenommen werden. Stephan Reiß-Schmidt brachte aus München das Beispiel Freiham ein. Dort entsteht ein neuer großer Stadtteil auf einem Gelände, dessen Entwicklung schon im Stadtentwicklungsplan 1963 beschlossen wurde. Durch eine langfristige Bodenvorratspolitik sind die Grundstücke weitgehend im städtischen Besitz. Man baue somit auf einer klugen strategischen Entscheidung auf, die Jahrzehnte zurückliegt. Kurzfristiges Handeln sei nur möglich, wenn zuvor langfristig gedacht werde. Michael Frenzel beklagt zu lange Entscheidungsprozesse in Verwaltung und Politik. Als Beispiele nannte er die Planungen Zündorf-Süd, Kreuzfeld oder den Bickendorfer Markt. Politische Entscheidungen müssten schneller getroffen werden. Die sogenannten Beratungsfolgen, dies umfasst die Abstimmungsprozesse zwischen den Beteiligten, müssen verschlankt werden. Dr. Ulrich Soénius ergänzte, dass sich die Politik Fristen für ihre Entscheidungen setzen müsse. Als Beispiel nannte er den Großmarkt: zwar sei die Parkstadt Süd und damit das Ende des Großmarkts am jetzigen Standort beschlossen, der Ersatz-Standort aber weiter ungewiss. Eine Entscheidung werde von der Politik hinausgezögert, so dass die Händlerinnen und Händler des  Großmarktes keine wirtschaftliche Planungssicherheit hätten.

Strategische Aufgabe: Nutzung von Flächen

Stephan Reiß-Schmidt meint ebenfalls, dass derzeit zu großzügig mit Flächen umgegangen werde. Schulen zum Beispiel wurden lange Zeit höchstens zweigeschossig gebaut, man könne aber auf knapper Fläche höher bauen und mehr erreichen. Der Flächenbedarf sei zu reduzieren, der Umgang mit Flächen müsse neu gedacht werden. Grün muss ebenfalls nicht auf den Boden beschränkt werden, sondern könnte stärker als bislang auf öffentlich zugänglichen Dächern erweitert werden. Dies würde zusätzlich spürbare Vorteile für das Stadtklima mit sich bringen. Professor Klaus Overmeyer sagte, dass Köln relativ gut mit Grünflächen ausgestattet sei. Daher sei weniger die Frage nach der Quantität bedeutsam, sondern vielmehr die Frage, wie die Grünflächen genutzt werden und wie zugänglich sie für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger in den Bereichen Freizeit, Sport und Erholung seien. Konflikte bestünden zwischen Wohnungsbau und Grün, zwischen Nachverdichtung und Klimaschutz. Für Stephan Reiß-Schmidt ist wichtig, dass Freiflächen stärker in Wert gesetzt werden. Zugänglichkeit und die Verbindung von Grünflächen durch Rad- und Fußwege können ähnlich viel bewirken wie eine Erhöhung des Freiraumes. Wichtig sei zudem die soziale Nutzbarkeit von Freiflächen im verdichteten urbanen Raum. Dr. Ulrich Soénius ergänzte, dass Grünplanung im Rahmen des Städtebaus immer mitgedacht werden müsse. Sie schaffe Aufenthaltsqualität und eine Aufwertung der Stadt. Wenn die Menschen gerne in die Stadt kämen, profitiere auch die Wirtschaft davon. Ein gutes Beispiel sieht Soénius in der geplanten Neugestaltung des Kurt-Hackenberg Platzes, die mehr Grün in die Stadt bringe. Ein ständiger Kritikpunkt in Köln sei der ungepflegte Zustand des öffentlichen Raumes. Zentraler Punkt sei somit die Pflege und Unterhaltung der Grünflächen.

Professor Kunibert Wachten bestätigte, dass es einen neuen Umgang mit Flächen brauche. Ein Strategisches Stadtentwicklungskonzept könne die Spielregeln für den Umgang mit Flächen festlegen. Daher sei nicht "Grün versus Wohnen" die eigentliche Kontroverse, es gehe vielmehr um den sorgfältigen Umgang mit Flächen. So bieten zum Beispiel Parkplätze in innerstädtischen oder innenstadtnahen Gebieten, die zahlreichen Restflächen oder untergenutzten, die man bei genauem Blick identifiziert, weitere Flächenpotenziale. Professor Klaus Overmeyer unterstrich diese Ansicht. Der Öffentliche Personennahverkehr solle ausgebaut und attraktive Angebote entwickeln werden. Der Umstieg vom motorisierten Individualverkehr zum ÖPNV bietet ein großes Flächenpotenzial. Ein Ziel sei es, die Aufenthaltsqualität in der Stadt zu verbessern. Ein gutes Beispiel sei die Stadt Kopenhagen: Dort besteht das Ziel, dass der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt 50 bis 100 Prozent mehr Zeit im öffentlichen Raum verbringen sollen. Im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr ÖPNV und verbesserter Infrastruktur erinnerte Dr. Ulrich Soénius daran, dass die Stadt Köln nur ein Spieler neben Bund, Land und Wirtschaft sei. Eine Aufgabe wie die Verwirklichung des S-Bahnrings könne die Stadt Köln nicht aus eigener Kraft stemmen. Michael Frenzel forderte ebenfalls einen anderen Umgang mit Flächen: Gebiete am Stadtrand seien nicht mehr die Dörfer, die sie bei der Eingemeindung einst waren. Im Außenbereich, am Stadtrand, sei urbane Verdichtung möglich und nötig. Wir brauchen, meint Michael Frenzel, wildes, robustes Grün, nicht nur pflegeintensive Parks.

Strategische Aufgabe: Bürgerbeteiligung

Professor Klaus Overmeyer hält Bürgerbeteiligung bei der Strategischen Stadtentwicklung für zwingend notwendig. Man könne den Prozess nicht auf die Verwaltung beschränken, die Stadtgesellschaft müsse eingebunden und die relevanten Themen in der Stadt diskutiert werden. Overmeyer hat beim Prozess Parkstadt Süd und in Chorweiler Erfahrungen mit Bürgerbeteiligung gesammelt und sagte wörtlich:

Die Kölner sind ein redseliges Völkchen.

Darin liegen Chancen, aber auch die Gefahr, die Themen zu zerreden. Strategische Stadtentwicklung sei ein sehr abstraktes Thema, so dass es guter und intensiver Vorüberlegungen bedarf, wie die Stadtgesellschaft mit eingebunden werden kann. Man müsse sich sehr gut überlegen, wer wann mit wem redet. Die bekannten großen Veranstaltungen mit sehr vielen Beteiligten reichten nicht. Man müsse eine breite Palette von Formaten entwickeln, etwa Online-Beteiligung oder Stadt-Safaris. "Aufsuchende Beteiligung", das heißt eine Beteiligung vor Ort, nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Unerlässlich ist die anfangs genannte Fragestellung "Was sind die wichtigsten Themen für Köln?". Aus Münchner Sicht ergänzte Stephan Reiß-Schmidt, dass die Kontinuität der Kommunikation mit der Stadtgesellschaft unerlässlich sei. Man solle neue Beteiligungsformate entwickeln und damit weitere Gruppen einbinden. In München gäbe es zum Beispiel einen Wettbewerb für Schulen oder Ausstellungen zu verschiedenen Themen, bei denen die Bürgerinnen und Bürger ihre Meinungen und Bewertungen abgeben können. Die Kommunikations- und Beteiligungskultur müsse entwickelt und kontinuierlich angewendet werden.  Dr. Ulrich Soénius beklagte, dass Orte des Austausches in Köln fehlen. München hätte für den Kommunikationsprozess mit dem "PlanTreff" einen festen Ort geschaffen, an dem sich interessierte Bürgerinnen und Bürger informieren könnten. Nicht nur die Stadtgesellschaft insgesamt, sondern auch die Wirtschaft solle in den Prozess einbezogen werden. Michael Frenzel machte an den Reaktionen auf die Jury-Entscheidung zur Historischen Mitte deutlich, wie unterschiedlich die Bewertung durch die Fachleute und die Öffentlichkeit gelegentlich sei: Die Expertenjury begrüßte den Entwurf einhellig, die in Leserbriefen geäußerten Stimmen aus der Bevölkerung lehnten einhellig ab. Planer und Architekten nähmen offenbar die Bevölkerung nicht mit. Beteiligung, Aufklärung und Kommunikation seien also wichtig.

Ausblick: Trends der Stadtentwicklung

In der Schlussrunde der Diskussion nannte jeder Diskutant einen Trend, der bis dahin noch nicht thematisiert wurde.

Professor Klaus Overmeyer sprach vom "Einfamilienhaus-Salat" rund um Köln. "Die Stadt hat sich wie ein Kuhfladen ausgebreitet." Er spricht sich für ein Umdenken im Umgang mit Einfamilienhausgebieten, in denen der demographische Wandel neue "Spielräume" geschaffen hat, aus. Sie stellten ein großes Potenzial für die künftige Entwicklung dar, auch wenn dem die Eigentumsverhältnisse oft entgegenständen.

Professor Kunibert Wachten nannte die Veränderungen in der Arbeitswelt als einen Trend von hoher Bedeutung für die Stadtentwicklung: Das Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten werde in Zukunft viel häufiger möglich sein als heute. Man solle nicht jede Fläche für Wohnen umwidmen, Gewerbe sei in der Stadt ebenso wichtig. Die Digitalisierung der Arbeit werde die Lebenswelt stark verändern.

Auch Stephan Reiß-Schmidt sieht in der Digitalisierung in Alltagsleben, Mobilität, Kultur und Arbeit einen noch vielfach unterschätzten Megatrend. Die Städte sollten sich nach seiner Meinung auch durch eine strategische Stadtentwicklungsplanung auf eine sozial- und raumverträgliche digitale Transformation vorbereiten.

Michael Frenzel nannte die Durchmischung der Quartiere als wichtigen Zukunftstrend – Stadtentwicklung sei auch Sozialpolitik. Mit der neuen Baunutzungsverordnung werde eine neue Gebietskategorie "Urbane Gebiete" geschaffen, die diese Aspekte mitberücksichtigt.

Dr. Ulrich Soénius hält es in Zukunft für nötig, die "Konzepte übereinander zu legen und zusammenzubringen". Wichtig sei es, Kultur in den Stadtteilen unterzubringen und die Kreativwirtschaft zu fördern.