29. Dezember 1939 bis 12. Januar 2018

Wir trauern um den Kölner Mode- und Beautyfotografen.

Peter H. Fürst schenkte dem Rheinischen Bildarchiv Köln 2002 und 2014 die drei Serien "Porträts Kölner Persönlichkeiten. 70 Fotografien, berufen und gewählt" und "Fotografien aus der Kultur Welt Köln". Die Schenkungen dieser unabhängig von seinen Auftragsarbeiten entstandenen fotografischen Porträtwerke umfassen neben Vergrößerungen, Filmen und Kontaktbögen weitere Zeugnisse, die in ihrer Vollständigkeit einen fotohistorisch sehr dichten Zugang zum Schaffensprozess und den Werken ermöglichen.

Konzepte, Briefwechsel, Pressemitteilungen und -artikel sowie Protokolle der Porträtsitzungen dokumentieren nicht nur die fotografischen Prozesse sondern auch die Beschäftigung mit aktuellen fototheoretischen Werken.

© Rheinisches Bildarchiv Köln
Überblick der Schenkung von Peter H. Fürst, RBA D040672

2016 wurde eine Auswahl aus der Schenkung in der Ausstellung "Fotografien für Köln und die Welt. 90 Jahre Rheinisches Bildarchiv" als eine der fotografischen Positionen zum Thema Porträt präsentiert.

Fürst schenkte die drei Werkkomplexe, in denen er dem Phänomen "Kölner Persönlichkeiten" nachgegangen war, dem Rheinischen Bildarchiv in zwei Schritten. Die erste Schenkung im Jahr 2002 bestand aus 126 großformatigen Abzügen, die im Kölnischen Stadtmuseum ausgestellt und in begleitenden Fotobüchern veröffentlicht worden waren: "Porträts Kölner Persönlichkeiten. 70 Fotografien" (1987), "berufen und gewählt" (1992)" und "Fotografien aus der Kultur Welt Köln" (1995).

Quellen

2014 ergänzte Fürst die erste Schenkung um alle in seinem Archiv erhaltenen Unterlagen zu den drei Projekten.

Die Kombination aus Fotografien und Dokumenten erlaubt eine Annäherung an seinen Schaffensprozess und ist ein archivischer Ideal- und Glücksfall fotohistorischer Überlieferung. Der Bestand umfasst neben Filmen, Kontaktbögen, Vergrößerungen und Katalogen die schriftlich ausgearbeiteten Konzepte, Briefwechsel, Pressemitteilungen und -artikel sowie die prägnanten Gesprächsprotokolle der Porträtsitzungen, die Ralf Baumgarten nach den Terminen jeweils auf seiner Schreibmaschine festhielt. Baumgarten (1940 bis 2006) war von 1968 bis zu seinem Tod Lebensgefährte von Fürst, Partner, Mitgründer und Mitinhaber des Fotostudios und später des Photographischen Archivs Peter H. Fürst.

Peter H. Fürst konnte auf eine lange und ereignisreiche Schaffenszeit als Fotograf zurückblicken. 1933 in Österreich geboren, absolvierte er 1954 bis 1957 eine Lehre im Betrieb seiner Eltern und studierte an der Höheren graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, die bis heute eine berufsbildende Schule für visuelle Kommunikation und Medientechnik ist. Es folgte ein dreimonatiges Volontariat im AGFA-Versuchslabor bei Dr. Berghaus, wo er die Gelegenheit hatte, sich auf dem Gebiet der Farbfotografie weiterzubilden. 1958 bis 1960 war er Atelierleiter bei dem Fotografen Dr. Hans Rathschlag in Köln und dort als Spezialist für die Farbausarbeitung tätig. 1960 legte er seine Meisterprüfung ab und machte sich als Fotograf selbständig.

Mode- und Beauty-Fotografie

Der Beginn seiner Karriere ist gekennzeichnet von Auftragsarbeiten für Kosmetik-Unternehmen wie Lancôme, Revlon und Sans Soucis, neben denen erste Arbeiten im Bereich der Modefotografie entstanden. Peter H. Fürst berichtet von den Anfängen dieses Arbeitsschwerpunkts:

© Museum Ludwig, ML/F 1986/0042
Peter H. Fürst: Portrait Herbert Tobias, 1962, RBA 203125

Zur Mode- und Beauty-Fotografie kam ich durch ein befreundetes Fotomodel namens Renate Spellerberg. Ich war ja vorher mit Industrie- und Architektur- sowie Werbefotografie beschäftigt. Sie meinte, ich hätte Talent, mich mit Mode zu beschäftigen und stellte sich honorarfrei zur Erarbeitung eines Portfolios zur Verfügung. Damit reiste ich mit ihr zur sogenannten "Berliner Durchreise", wo sich zweimal im Jahr die wichtigsten Mode-Redakteurinnen und Modefotografen trafen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich den talentierten Modefotografen Herbert Tobias kennen. Zur Dessous- oder Miederfotografie kam ich damals, da im Nebenhaus unseres Fotostudios Hohe Pforte sich die Ski-Mieder-Fabrik befand, ich Kontakt aufnahm und danach ganze Werbekampagnen fotografierte. Dieses Know-how nutzten wir natürlich auch, mit anderen Herstellern dieser Branche Kontakt aufzunehmen, wobei es zur Aufgabe von Ralf Baumgarten gehörte, sich um die Eigenwerbung zu kümmern.

Die Mode- und speziell die Dessous-Fotografie entwickelte sich seit Anfang der 1970er Jahre zum Schwerpunkt seines fotografischen Werks. Dieser Lebens- und Arbeitsschwerpunkt wurde in der 2016 veröffentlichen Publikation "Philosophie der zweiten Haut" ausführlich von Jasmin Shamsi diskutiert.

Durch seinen sensiblen Umgang mit diesem leicht anrüchig wirkenden Themenbereich erreichte Fürst eine neue Bildsprache. Seine Modelle sind zwar bis auf die Dessous entkleidet, wirken jedoch durch selbstbewusste Posen, ungewöhnliche Ortswahl und Bildzitate aus Kunstwerken insbesondere der Neuen Sachlichkeit nicht entblößt. Ein Artikel in der Zeitung "Ilford Kontraste" attestiert, es gelinge ihm

der Schritt vom schönen Schein der Mode-Inszenierung zum wahren Sein der Persönlichkeitsdarstellung.

© Museum Ludwig, ML/F 1989/0181
Peter H. Fürst: Danielle im schwarzen Dessous (Hommage an Anton Räderscheidt), RBA C012177

Neben seinen zahlreichen Auftragsarbeiten schuf er unabhängige Werke wie die Serie "Die sieben Gesichter einer Frau" (1971) oder das erste europäische Poster eines völlig nackten Mannes, für das die Aufnahme bereits 1968 entstand. Seine bekannteste Fotografie "Danielle im schwarzen Dessous (Hommage an Anton Räderscheidt)" von 1983 war ursprünglich eine Auftragsarbeit für die Firma Gossard, wurde dann aber, nachdem sie als solche international Anerkennung gefunden und sich international mehrere tausend Mal als Plakat verkauft hatte, 1989 als fotografisches Werk in die Sammlung des Kölner Museum Ludwig aufgenommen. Die europaweiten Auftragsarbeiten für große Mode- und insbesondere Dessous-Labels wie Antinéa oder Lejaby (beide Paris), Lovable (Italien), aber auch die Firmen DéWé International in Schellebelle (Belgien) und Bestform in Johannesburg (Südafrika), die Beauty-Industrie und verschiedene Werbeagenturen waren immer wieder begleitet von freien Arbeiten mit Projektcharakter, die er in Ausstellungen oder Buchpublikationen der Öffentlichkeit vorstellte. Hierzu gehören Landschaftsaufnahmen ("Impressionen", 1978), Umwandlungen vom Dia zum negativen Farbprint ("Metamorphosen", 1996 bis 2000), aber auch die drei Kölner Porträtserien.

2002 löste Fürst mit 63 Jahren, nach knapp fünf Jahrzehnten Tätigkeit als Fotograf, sein Kölner Fotostudio in der Friesenstraße 50 auf und gründete das Photographische Archiv Peter H. Fürst am Thürmchenswall 76 in Köln. Sein Archiv umfasst nach eigener Schätzung etwa 80 000 Fotografien zu den Themen Beauty, Fashion und Dessous von 1960 bis 2000 sowie freie Werke.

Am 12. Januar 2018 ist Peter H. Fürst nach kurzer, schwerer Krankheit in seiner Wahlheimat Köln verstorben. Sein Galerist und Erbe Marc Boucherie wird sein faszinierend ordentlich strukturiertes Archiv professionell weiterführen.

Mit der Abgabe der ausgewählten analogen Bildmaterialien an das Rheinische Bildarchiv oder auch bestimmten digitalen Materials an das virtuelle Archiv der Fotografen der Deutschen Fotothek Dresden hat Fürst sehr bewusst sichergestellt, dass ein freier Zugang für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung besteht und eine Wahrnehmung seines Werks als fotografische Kulturleistung stattfinden kann.

Porträts Kölner Persönlichkeiten

© Rheinisches Bildarchiv Köln
Peter H. Fürst: Der Photopapst Professor L. Fritz Gruber, RBA C017346

Das Projekt "Porträts Kölner Persönlichkeiten", das in der Ausstellung "Fotografien für Köln und die Welt. 90 Jahre Rheinisches Bildarchiv" 2016 in einem eigenen Kabinett gewürdigt wurde, nahm im Lauf des Jahres 1985 Gestalt an. Zunächst stellte Baumgarten Fürsts Projekt ausgewählten Personen in einem kurzen Anschreiben vor und kündigte seinen Telefonanruf für eine eventuelle Terminvereinbarung zu einer Porträtsitzung an. Weitere Termine organisierte Fürst 1986 nach dem gleichen Prinzip und dann wieder 1988 als Reaktion auf die Ausstellungsresonanz und mit dem Ziel das Projekt, weiter auszubauen, wozu es jedoch nicht mehr gekommen ist. Zu den letzten Terminen gehört auch derjenige mit einem weiteren Kölner Fotografen, Heinz Held (1918 bis 1990), dessen fotografischer Nachlass sich im Museum Ludwig befindet.

Die Vorgehensweise folgte einem streng festgelegten Ablauf, fast wie in einer wissenschaftlichen Versuchsreihe. Nach der ersten Kontaktaufnahme lud Baumgarten die Personen in Fürsts Studio ein. Die Person traf ein, fand die in allen Terminen einheitliche Studiosituation mit einer neutralen Hohlkehle als Hintergrund und Sitzgelegenheiten vor. Im Projektmanuskript, ebenfalls Bestandteil der Schenkung, ist die Grundidee von Fürst und Baumgarten nachlesbar:

Der Mann auf der Straße prägt Köln und seine Atmosphäre.

Auf dieser Annahme baut die Zielsetzung auf, durch Porträts prominenter wie auch unbekannter, aber das Stadtbild prägender Persönlichkeiten

eine neue Darstellung der Vielseitigkeit Kölns, seiner Bedeutung als moderne Großstadt Deutschlands mit seinen künstlerischen, wirtschaftlichen und alltäglichen Aspekten zu geben.

Roswitha Neu-Kock, zum Zeitpunkt von Fürsts erster Schenkung Leiterin des Rheinischen Bildarchivs, konstatierte:

Seine Kölner sind Persönlichkeiten, die gleichsam einen Querschnitt durch kölnische Gesellschaftsstrukturen bieten, deren Auswahl jedoch subjektiven Vorlieben des Fotografen folgt. Der Plan sah vor, alle Aufnahmen im Studio unter gleichen Bedingungen durchzuführen, um auf diese Weise den konzeptionell-seriellen Charakter des Projektes zu unterstreichen und die gewünschte Stilisierung zu erreichen.

Dr. Johanna Gummlich

Weitere Informationen von Roswitha Neu-Kock

Im Jahre 2002 schenkte Peter H. Fürst uns 126 großformatige Abzüge mehrerer Bildserien, in denen er zwischen 1987 und 1995 dem Phänomen "Kölner Persönlichkeiten" nachgespürt hatte. Die Aufnahmen wurden 1987, 1992 und 1995 im Kölnischen Stadtmuseum mit großem Erfolg ausgestellt (1987: "Porträts Kölner Persönlichkeiten. 70 Fotografien", 1992: "berufen und gewählt", 1995: "Fotografien aus der Kultur Welt Köln"). Mit diesen Arbeiten begab sich Fürst auf ein Terrain, das ihm als Spezialist für Beauty und Mode zwar nicht fremd war, aber andere Akzente setzte.

Seine Kölner sind Persönlichkeiten, die gleichsam einen Querschnitt durch kölnische Gesellschaftsstrukturen bieten, deren Auswahl jedoch subjektiven Vorlieben des Fotografen folgt. Der Plan sah vor, alle Aufnahmen im Studio unter gleichen Bedingungen durchzuführen, um auf diese Weise den konzeptionell-seriellen Charakter des Projektes zu unterstreichen und die gewünschte Stilisierung zu erreichen. Darauf musste aus terminlichen Gründen gelegentlich verzichtet werden.

Dass die Serien trotzdem eine weitgehend einheitliche Linie zeigen, geht vor allem darauf zurück, dass der Fotograf und sein Mitarbeiter Ralf Baumgarten während der Fototermine eine Gesprächssituation aufbauten. Auf diese Weise konnte sich die Individualität jedes einzelnen Charakters jenseits aller Posen frei entfalten. Zugleich bewirkte dieser kleine Kunstgriff die Einbeziehung der späteren Bildbetrachterinnen und Bildbetrachter, die dadurch sowohl die Position des Fotografen wie auch einer Gesprächspartnerin oder eines Gesprächspartners einnehmen. Ein enger Bildausschnitt, ein "Close up", vor neutralem Hintergrund, trägt das Seinige zu dieser Wirkung bei.

Die Serie der Vereinsvorstände

Nicht ganz in derselben Weise wurde die Serie der Vereinsvorstände durchgeführt. Hier war die Einbeziehung der Tagungsorte ein Stilmittel, mit dem das Selbstverständnis und die Ziele der Gruppen visualisiert wurden. Der Raum setzt zwischen Fotograf und "Vorstand" eine respektvolle, fast zeremonielle Distanz, die durch den fast unnatürlichen Ernst des Ausdrucks noch unterstrichen wird. Mit bildnerischen Mitteln wird hier womöglich etwas manifestiert, was hinter der Arbeit von Vereinen steht: Konsistenzen, Traditionen zu schaffen, zu fördern und zu erhalten.

Vereinzelte Aufnahmen lassen erkennen, dass Fürst versucht hat, an das Vorbild von August Sander anzuknüpfen. Dieser hat mit seiner Arbeit "Menschen des 20. Jahrhunderts" Fotogeschichte geschrieben. Das Typologische, das Sander verfolgte, und zu dem auch eine gewisse Bildstrenge gehört, wirkt bei Fürst am stärksten bei den Vereinsvorständen nach, auch wenn häufiger ein zeitgemäß gelockerter Gesichtsausdruck zu konstatieren ist. Die Einzelporträts sind von der Spontaneität während ihrer Entstehungssituationen gekennzeichnet und eignen sich daher weniger zur Bildung von typologischen Reihen. Aber ist nicht vielleicht dies das typisch Kölnische, nämlich der ausgeprägtem Sinn für individuelle und originelle Lebensweise, der sich in den Abgebildeten verkörpert?

Roswitha Neu-Kock

Erschienen in:
Purpus, Elke: Die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln. Die Geschichte der Bibliothek und des Fotoarchivs. Mit Beiträgen von Roswitha Neu-Kock. Essen: Klartext-Verlag 2007. ISBN 978-3-89861-787-1

Literatur zu Peter H. Fürst

  • Johanna Gummlich: Vom Glück einer umfassenden Überlieferung: Peter H. Fürst und seine "konventionellen" Porträts. In: Rundbrief Fotografie Vol. 24 (2017), No. 2 [N.F. 94], Seiten 35 bis 46
  • Johanna Gummlich: Peter H. Fürst und sein "konventionelles" Porträt. Vom Glück einer umfassenden Überlieferung. In: 90 Jahre Rheinisches Bildarchiv. Fotografien für Köln und die Welt. Archivbox. Herausgegeben von Johanna Gummlich, mit einem Grußwort der Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach, mit Beiträgen von Michael Albers, Evelyn Bertram-Neunzig, Letha Böhringer, Johanna Gummlich, Susanne Kube, Markus Mischkowski und Petra Scholz. Köln 2016, Seiten 38 bis 41
  • Rudolf Sachsse (Hg.): Philosophie der zweiten Haut. Modefotografie von 1960 bis 2000. Peter H. Fürst (Fotograf), Text von Jasmin Shamsi. Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2016
  • Roswitha Neu-Kock: Peter H. Fürst. Erschienen in: Purpus, Elke: Die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln. Die Geschichte der Bibliothek und des Fotoarchivs. Mit Beiträgen von Roswitha Neu-Kock. Essen: Klartext-Verlag 2007

Weiterführende Links

Quellen

  • 70 Fotografien. Porträts Kölner Persönlichkeiten. Von Peter H. Fürst. Werner Schäfke (Hg.). Mit Beiträgen von Werner Schäfke, Alphons Silbermann und anderen (24. Oktober bis 27. Dezember 1987), Kölnisches Stadtmuseum, Köln. Köln: Kölnisches Stadtmuseum, 1987
  • Berufen und gewählt. Von Peter H. Fürst. Mit einem Beitrag von Alphons Silbermann. (26. Juni bis 23. August 1992), Kölnisches Stadtmuseum, Köln. Köln: Kölnisches Stadtmuseum, 1992
  • Peter H. Fürst: Porträts aus der Kultur-Welt Köln (anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum im Rahmen der Deutschen Fototage im Rheinland, 1995) mit Texten von Werner Schäfke und Ralf Baumgarten. Köln: Locher, 1995)