Das Interesse am Kölner Stipendium für Künstlerinnen, Künstler, Autorinnen und Autoren in der Partnerstadt Istanbul ist nach wie vor enorm. Die eingereichten Konzepte waren ausgesprochen engagiert und vielfältig.

Die Stipendiatinnen und der Stipendiat 2016

Die Jury wählte den Autor Philipp Enders sowie die Künstlerinnen Noa Gur, Evamaria Schaller und Doris Frohnapfel für das Stipendienprogramm 2016 im Atelier Galata aus.

Literaturstipendium

© MEYER ORIGINALS

Das Literaturstipendium erhält der Kölner Philipp Enders. Er wird im Atelier Galata von Januar bis Juni 2016 wohnen und arbeiten. Zum Werdegang und der Juryentscheidung für Enders schreibt der Vorjahresstipendiat Selim Özdogan, Mitglied der diesjährigen Jury:

Philipp Enders, geboren 1980 in Stuttgart, hat eine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht, Kunstgeschichte und Philosophie studiert und die Kunsthochschule für Medien in Köln mit einem Diplom abgeschlossen. Seit 2000 sind von ihm Arbeiten in ganz verschiedenen Formaten erschienen; ob Comic, Essay, Spiel-, Dokumentar- oder Trickfilm, alle seine Werke zeichnen sich durch einen klaren und akzentuierten Fokus aus. Die formale Vielseitigkeit des Autors, Filmemachers und Zeichners, spiegelt sich auch in der Diversität seiner Interessengebiete wieder. Seine Bereitschaft der Welt offen zu begegnen ist stets spürbar, wenn er verdichtete Erfahrungen in seiner Kunst wiedergibt. Überzeugt hat er die Jury mit der Qualität seiner bisherigen Arbeiten, genauso wie mit seinem konkreten Projektvorschlag, bei dem er die Lebenswelten syrischer Flüchtlinge in der Türkei in einer Klangcollage zusammenzuführen plant.

Die Flüchtlingsproblematik scheint gegenwartsnah zu sein, doch Philipp Enders ist in der Lage, das Thema in einen größeren Zusammenhang als den der Tagesaktualität zu setzen. Er weist darauf hin, dass die gesamte Geschichte der Menschheit geprägt ist von Migrationsbewegungen; erst vor diesem Hintergrund könne die Allgegenwärtigkeit von Fremdenfeindlichkeit, Akzeptanz, Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Anpassungsschwierigkeiten und -unfähigkeiten richtig erfasst und dargestellt werden.

Philipp Enders hat bereits erste Kontakte zu "Hamisch" - was man mit "Rand" übersetzen könnte - geknüpft, einem Haus der syrischen Kultur in Istanbul, das sich als Raum der Exilanten für Debatten, Austausch und Kommunikation versteht, aber auch als ein Raum, der hilft, die syrische Kultur und die syrische Gesellschaft besser zu verstehen. Die Vielschichtigkeit des kulturellen Austauschs bei diesem Projekt verspricht eine große Bereicherung für alle Beteiligten.

Stipendien für Bildende Kunst

Das Stipendium für Bildende Kunst hat die Jury zum ersten Mal an drei Kölner Künstlerinnen vergeben. Diese werden von Juli 2016 bis Februar 2017 nacheinander in Istanbul wohnen und arbeiten. Das Stipendium erhalten die Kölnerinnen Noa Gur (Juli bis Oktober 2016), Evamaria Schaller (November bis Mitte Dezember 2016) und Doris Frohnapfel (Mitte Dezember bis Februar 2017).

Zur Entscheidung der Jury schreibt Dr. Lilian Haberer:

In diesem Jahr hat die Jury entschieden, drei Künstlerinnen für das Istanbul-Stipendium zu nominieren, deren künstlerische Verfahren je in eigener Weise mit Performance, Fotografie, Video kulturelle und urbane Räume erkunden und sich diese aneignen. Ihre für Istanbul vorgeschlagenen Projekte interagieren mit dem Stadt- oder institutionellen Raum und ergänzen sich daher in einzigartiger Weise, sowohl in Fragen der Intervention und Recherche, als auch zeitlich.

© Avi Aziz

Noa Gur arbeitet seit ihrem Studium am Saint Martins College London, der Bezalel Academy of Art and Design Jerusalem sowie ihrer Postgraduiertenzeit an der Kunsthochschule für Medien Köln mit Video und Installation. In ihren medialen Anordnungen untersucht Gur Wahrnehmungsbedingungen von Situationen und eigene performativen Selbstbeobachtungen. In jüngeren Arbeiten befasst sie sich mit Formen der Kunstproduktion, -präsentation sowie -vermittlung in Museen. Dies und aktuelle ikonoklastische Ereignisse wie die Zerstörung von Kulturgütern durch ISIS versteht Gur als Ausgangspunkt, um in Istanbul und Umgebung über den lokalpolitischen Umgang mit Kunstwerken in Sammlungen und Museen zu recherchieren.

In Interaktion mit den Akteuren der Museen und Besuchern wird die Künstlerin wie bereits in ihrem Projekt für das Tel Aviv-Museum verschiedene Perspektiven und Umgangsformen reflektieren.

© Evamaria Schaller

Die in Köln lebende Medien- und Performancekünstlerin Evamaria Schaller studierte zunächst Fotografie in Graz und Multimedia in Salzburg, bevor sie ihr Postgraduiertenstudium an der Kunsthochschule für Medien in Köln absolvierte. Ihre Interventionen im Raum mit dem eigenen Körper als Material richten sich sowohl auf bestehende Architekturen als auch auf den öffentlichen Raum. So schafft sie situative Momente, mit denen sie die Wahrnehmung der Umgebung schärft und die Möglichkeit des Scheiterns performativ, zum Teil auch medial in Videos reflektiert. Im Rahmen von "Beyond Borders" und "Reisen im Kreis" hat Schaller performative Stadtführungen auf den Spuren von historischen Geschichten initiiert, die auf die gemeinsame Erfahrung und Interaktion mit dem Publikum ausgerichtet sind.

Dies wird sie für ihren Istanbul-Aufenthalt erweitern: mit Istanbul Visite plant die Künstlerin im Austausch mit Expertinnen und Experten der Stadt ebenfalls eine interaktive Tour für verschiedene Publika, die dann multimedial dokumentiert wird.

© Tamara Lorenz

Doris Frohnapfel studierte in Köln und Rom freie Kunst, an der RWTH Aachen Architektur und hatte neben einer Professur für Fotografie an der Kunsthochschule Bergen Gastprofessuren inne. Die Künstlerin arbeitet mit Medien des Dokumentarischen wie Fotografie, Text, Materialien und Bildern. Ihre Orts- und Stadterkundungen, die oftmals das architektonische und urbane Gewebe zum Ausgangspunkt für ihre Recherche nehmen, legen in Sedimenten Dokumente und Geschichten frei, spüren diese auf. Damit rekonstruiert Frohnapfel kulturelle, politische wie auch städtebauliche Veränderungen und Brüche, die sie fotografisch, filmisch, in Tagebuchnotizen aufzeichnet und wieder in Räume übersetzt.

Für Istanbul hat sie drei verschiedene Anknüpfpunkte, denen sie für ihre Spurensuche in der Stadt nachgehen wird: eine davon wird sein, die architektonischen Leerflächen und Baulücken aufzuspüren, aber auch die zeitlichen Dimensionen der städtebaulichen Veränderung und Migration zur Zeit des syrischen Bürgerkriegs in Gesprächen und historischen Bildern nachzuzeichnen.

Wir sagen Danke!

Den Jurymitgliedern für Ihre Unterstützung:

  • Bettina Fischer vom Literaturhaus Köln
  • Dr. Lilian Haberer vom Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln
  • Dr. Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle Düsseldorf
  • Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln
  • Selim Özdogan, Stipendiat des Jahres 2014
  • Mareike Wegener, Stipendiatin des Jahres 2015
  • Nadine Müseler, Referentin für Bildende Kunst

Herzlichen Dank auch allen Bewerberinnen und Bewerbern.  

Kontakt und weitere Informationen

Wenn Sie Kontakt zu Philipp Enders, Noa Gur, Evamaria Schaller oder Doris Frohnapfel aufnehmen wollen oder ebenfalls an einem Stipendium in Istanbul interessiert sind, wenden Sie sich bitte an unser Referat für Bildende Kunst.

Kulturamt

Alle Informationen zu den Stipendien haben wir für Sie zusammengestellt:

Künstlerstipendien für das "Atelier Galata" in Istanbul