Über dieses eher der Trauer entgegenstehende Thema soll nachfolgend gesprochen werden. Doch steht der Karneval dem Sterben so weit fern?

Sterben gehört zum Leben, Karneval gehört zu Köln, und wenn das Sterben in Köln zum Leben gehört, dann gehört der Karneval auch ein Stück dorthin, wo die verstorbenen Karnevalisten begraben liegen: auf den Friedhof. Und wenn man in Köln Friedhof sagt, dann denken viele an Melaten und so soll über verstorbene Karnevalisten auf Melaten sinniert werden.

Das Gedächtnis an Verstorbene wird in Köln sehr intensiv gepflegt. An den Gräbern derer "vor uns" werden Erinnerungen aufgeschlagen, Menschen passieren Revue. Es wird an Leid aber eben auch an Freud gedacht. Und das Freuen, das Lachen, das Feiern, das hat in diesem karnevalistischen Biotop Köln eben mit Fastelovend zu tun. Daher soll an Menschen erinnert werden, die anderen ein Stück Kultur des Feierns und des Lachens vermittelt haben, eben an Karnevalisten.

"Es bleiben uns ja seine Lieder..."

Mit ihren Wort- und Liedbeiträgen haben sie sich ein Stück unsterblich gemacht, so wie es in der Inschrift des Toni Steingass Grab heißt: "es bleiben uns ja seine Lieder, sie pflanzen seinen Namen fort, man wird sie singen immer wieder, Land auf - Land ab an jedem Ort". Sie werden in die Säle hineingetragen von den Sitzungspräsidenten und ausgesucht von den Literaten.

Der Karneval hat in Köln viele Facetten, er umfasst eben nicht nur die Sitzung sondern den ganzen zeitlichen Rahmen vom 11.11. bis zum Aschermittwoch, an dem bekanntlich alles vorbei sein soll.

In uns durch Schriftform dokumentierten Jahrhunderten wird immer wieder deutlich, dass es in Köln stets karnevalistisches Treiben in organisierter aber eben auch in unorganisierter Form gab. Aber erst im Jahre 1823 konnte ein festordnendes Komitee gegründet werden, das sich auch zum Ziel machte einen Corso zu organisieren.

Erster Präsident des festordnenden Komitees

Der erste Präsident war zugleich der Präsident der Kölner Armenverwaltung, Johann Heinrich Franz von Wittgenstein. Erträge des Zuges flossen der Armenverwaltung zu.

Klüngel? - nein Verzahnung, gewissermaßen Synergie-Effekte. Von Wittgensteins Grab liegt am alten Hauptweg. Es zeigt eine Grabplatte mit seinen Lebensdaten (1797-1869, HWG zwischen Lit. B und C).

Nicht weit von ihm entfernt lässt sich das künstlerisch feinfühlig gestaltete Grab für Samuel Schier (1791-1824, Lit. B zwischen HWG und Lit. H) auffinden, dem ersten Literaten des Festkomitees. Eine Lyra, das Attribut des Sängers, erinnert an zahlreiche dichterische Beiträge Schiers, etwa: "Die Funken, deren Glänzen unterging / Aufs Neue prangen sie in vollem Staat."

Aus der frühen Zeit ist auch Mathias de Noel (1782-1849) zu nennen. Bestattet ist er im Grab von Peter Anton Breuer, dessen verwitwete Frau de Noel 1842 heiratete (Lit. D zwischen Lit. G und Hauptweg). Er war der erste Kustos der Sammlung Wallraf und gilt als die "Seele" des romantischen Karnevals. Sein Witz und seine Schlagfertigkeit sind bekannt.

Bemerkenswert sind auch seine in der kölschen Sprache verfassten Beiträge, etwa "Hänneschen auf dem Kirchhof", "Alaaf et kölsche Drickestum" etc. Die große, mit neogotischen Maßwerk geschmückte Stele nennt auf der rechten Seite seinen Namen.

Kölns bekanntester Liedermacher: Willi Ostermann

Von hier aus führt der Weg zu dem "Karnevals Viertel auf Melaten". Hier lässt sich das Grab des bekanntesten Kölner Liedermachers ausmachen:
Willi Ostermann (1876-1936, Lit. R zwischen Lit. B und C). Seit 1907 trat er als Sänger seiner selbst getexteten und komponierten Lieder auf. Und diese haben ihn unsterblich gemacht: "Däm Schmitz sing Frau es durchjebrannt", "och wat wor dat fröher schön doch en Colonia", "die Winands hätt nen Haas im Pott", "kutt erop, bei Palms do es de Pief verstopp". Der Grabstein wird mit einem Porträtmedaillon (W. Klein, 1939) geschmückt, das Ostermann im Profil zeigt.

Schräg gegenüber die Grabstätte des originellen Büttenredners Heri Blum, der in der Figur des ärmen Deuvel jahrelang in der Bütt gestanden hat: "Wenn sie nicht wissen, woröm ich esu schmal bin, Applaus ist das Brot des Künstlers". Er war eine Type, die mit trockener Mimik seine Büttenreden begleitete (gleiche Flur).

Dicht bei ihm leuchtet eine Grablaterne mit einem Funkenemblem und erinnert an Willi Fühling, ein leidenschaftlicher "Roter Funk", der auch in der Funken Kumede mitspielte (gleiche Flur).

In Bronze gearbeiteter Kopf von Toni Steingass

Rückwärtig findet sich der in Bronze gearbeitete, viele überragende Kopf von Toni Steingass, Volkskünstler, Liedermacher, Kommentator, Moderator. Seine Lieder haben auch ihn unsterblich gemacht: "de Haupsaach es et Hätz es jot", "der schönste Platz ist immer an der Theke", "Hurra, hurra, der liebe Jung ist wieder da" und andere mehr. Das Wandgrab von Herbert Labusga gibt porträthaft den Kopf von Toni Steingass wieder. Vor ihm erinnert eine Vogeltränke an seine Freude an Vögeln; aber auch das Lied "ich bin der Prinz von Krahnenbäumen" möchte sich singen lassen (Flur 29).

Ein schlichter Granitsstein macht das Grab von Hans Jonen (1892-1958) erkennbar. Zahlreiche Karnevalsrevuen für Grete Fluß stammen aus seiner Feder. Er gründete die Künstlervereinigung der "Muuzemändelcher". Unsterblich ist der Text seines Liedes "am Aschermittwoch ist alles vorbei", den Jupp Schmitz (siehe dort) berühmt machen sollte (Lit. C zwischen Lit. G und Lit. R).

Der Grabstein für Jupp Schlösser (1902-1983) ist rechteckig geformt mit rundem Abschluss. Seitlich ist in Bronze Christus mit weitgeöffneten Armen als Auferstandener erkennbar. Mit Gerhard Jussenhoven kreierte er über 50 ewig gültige und gern gesungene Lieder: "Die Hüsjer bunt om Aldermaat", "Dat Glockespill vum Rothussturm" und das vom Prinzenführer ungern gehörte Lied "Schau nicht auf die Uhr". Auch "Kornblumenbau" wurde von ihm gesungen (gleiche Flur).

Jupp Kürsch - Vorsitzender der Muuzemändelchen

Jupp Kürsch (1918-1998) trat mit seinem Bruder selber als "Krätzchensänger" auf. Später war er der Baas (Vorsitzender) der Muuzemändelchen, deren Mitglieder sich darauf verpflichtet haben, das künstlerische Niveau im Karneval zu wahren (Flur 28).

Nachfolger von Horst Muys als Bassist im Eilemann Trio wurde 1961 Charly Niedieck (1930-1992). Seine hohe Musikalität paarte sich mit einer großen Situationskomik, die den Vortrag des Trios stets brillant machte. Seinen Basaltgrabstein (10 Zentimeter über dem Rhein, geschaffen von Friedrich Engstenberg) ziert ein Bassbogen auf einer Schiene. Die Bepflanzung in Bucks schildert einen Bass (Flur 28).

Ihm genau gegenüber zugeneigt liegt der kürzlich verstorbene Willi Schweden (1928-2002), der seit 1961 Gitarist im Eilemann Trio und Nachfolger von Karl Heinz Nettesheim war. Im Sterben sind sie wieder vereint, die die mehr als dreißig Jahre auf der Bühne des Kölner Karnevals waren. Das ist kölsche Sentimentalität, aber eben auch Treue und Freundschaft.

Jupp Schmitz - "Am Aschermittwoch ist alles vorbei"

Auf dem rechteckigen Grabstein für Jupp Schmitz (1901-1991, Flur XI) ist in Noten die Anfangsmelodie und der Text zu seinem berühmten Lied "Am Aschermittwoch ist alles vorbei" erkennbar. Unvergessen bleibt sein Auftritt bei der Prinzenproklamation 1964, wo er sich in kurzer Lederhose der Volksmusik mit dem Lied von dem Hirtenknaben von Sankt Katrein widmete. Weitere Lieder wie "Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt", "wir kommen alle, alle in den Himmel", "ich fahr mit meiner Lisa zum schiefen Turm von Pisa" sowie "es ist noch Suppe da" machten auch ihn unsterblich. Ja und das ist eben auch Melaten, ein Platz für Unsterbliche.

Als Bassist im Eilemann Trio begann Horst Muys (1925-1970) seine karnevalistische Laufbahn. Ursprünglich durchlief er eine Ausbildung als Schauspieler, spielte dann im Eilemann-Trio und trat ab 1961 als Einzelredner auf. Seine Pointen gefielen nicht immer, so dass Muys ins karnevalistische Interdikt genommen. Dann aber sang er sich mit seinem "Ne Besuch em Zoo" wieder in die Herzen der Kölner. Der schlichte, liegende Grabstein nennt ihn "der liebe Jung aus Köln am Rhein" (Lit. L zwischen Lit. Q und Lit. R).

Die auf einem Pult aufruhende Grabplatte für Karl Leibl gedenkt des ehemaligen Domkapellmeister (1784-1870, Lit. L zwischen HWG und Lit. P). Er gliederte sich als Bajuware schnell in das Festkomitee ein und komponierte eigene Karnevalsmelodien, die auch zum Motto der Session passten.

Ferdi Leisten, langjähriger Festkomiteepräsident

Wer kannte nicht den langjährigen Festkomiteepräsidenten Ferdi Leisten (1914-1995), an den in einem großen Wandgrab mit seiner Familie erinnert wird. Seine ruhige, differenzierte manchmal süffisante Art machte ihn zum langjährigen Nestor Kölner Karnevals (Flur 12 in G). Das von Engeln gehaltene Medaillon zeigt das Kölner Stadtwappen sowie den Hermesstab und seinen Hut. Die Leistens waren Kaufleute.

Ohne die Sartorys wäre vieles im Karneval kaum möglich gewesen, denn seit 1948 sind die "Sartory-Säle" der Veranstaltungsort zahlreicher Karnevalssitzungen.

Der künstlerisch auffällige Stein stellt das Gottvertrauen höher als die gesellschaftliche Bedeutsamkeit: Christus verabschiedet sich von der Jüngern "Siehe ich bin bei euch bis an der Welt Ende" (Math. 28, 20). In dem Grab liegt auch der Prinz Karneval von Köln für das Jahr 1976, Hans Lindemann (1925-1983), begraben, Kopf an Kopf zu Hans Burckhardt (1925-1983), seinem Bauern im Trifolium von 1976. Freundschaft im Sterben oder wie der Namen der Karnevalsgesellschaft, für die sie Dreigestirn waren: "Mer blieve zosamme".

Komponist des 19. Jahrhunderts: Josef Roesberg

Eine abgebrochene Rundstele ziert das Grab eines der bedeutendsten Kölner Komponisten und Textdichter des 19. Jahrhunderts Josef Roesberg (1824-1871, Lit. E zwischen HWG und Lit. H). In die alte Form gebracht wurde es dank der Karnevalsgesellschaft Schnüsse Tring. Das Lied über die selbstbewusste Dienstmagd aus Ossendorf hatte Roesberg verfasst. Hier eine Strophe:
"Un Madamm, de Strohß zo kehre,
Eß dann doch kein Schecklichkeit.
Auch fexeeren uns de Häre,
wamm ´mer an der Pumpe steiht..."

Ein weiträumiges Wandgrab benennt die Grabstätte für Thomas Liessem (1900-1973). Als junger Festkomiteepräsident (1935-1939) wehrte er sich vehement gegen die Gleichschaltung des Kölner Karnevals. Er forderte den todkranken Willi Ostermann auf, ein Abschiedslied auf Köln zu schreiben, das er selbst, kurz nach dem Tod Ostermanns 1936 sang und mit ihm die Kölsche Nationalhymne schuf: "Wenn ich su an ming Heimat denke un sin d´r Dom su vör mer ston, mööch ich direk op Heim an schwenke, ich mööch zo Foß noh Kölle gon". Das "sehr zum Wohle" des Spirituosenhändlers erklingt noch heute sehr häufig. Das Porträtmedaillon zeigt ihn nach rechts schauend im Profil (Flur 35).

Abschließend soll an Willi Millowitsch gedacht sein. Er war zwar in dem Sinne kein Karnevalist sondern ein Volksschauspieler. Aber viele Kölner kennen ihn von seinen Auftritten auf Sitzungen, wo er im Dinerjackett auftrat und sein "ich bin ene kölsche Jung" oder "Schnaps das war sein letztes Wort" sang. Er war im Karneval eine Kultfigur, fast eine "Kölner Ikone". Der rechteckige Grabstein mit dem Namen Millowitsch entstand 1945 für seinen verstorbenen Vater Peter (Flur 72 a).